Ich habe irgendwie den Eindruck, dass einige hier die Verfügbarkeit von veraltetem Material extrem optimistisch einschätzen (von der Bereitschaft von Spielern, sich dieses zu besorgen und auch durchzuarbeiten,
nur damit man genau weiß, was damals lief, mal ganz abgesehen).
- Dass die alten Produkte in der Breite neu aufgelegt (ich meine, alleine die ganzen Rechteprobleme, um die ein Gutteil der Diskussion hier immer wieder kreist, dürften dem schon einen Riegel vorschieben) oder gar komplett überarbeitet werden, sehe ich nicht. Mal abgesehen davon, dass man sich den Kram dann auch erst mal holen müsste, und nicht jeder hat Lust, erst mal mehrere tausend Euro in die Hand zu nehmen, bevor man gänzlich in die Spielwelt eintauchen kann.
- Bei der Bücherei bin ich ebenfalls skeptisch. In meiner Bib (in einer Stadt mit 100000 Einwohnern) zum Beispiel gibt es heute wie vor 30 Jahren nur DSA-Romane, aber kein Spielmaterial. Klar, vielleicht sieht das in größeren Städten mit besser sortierten Bibliotheken besser aus, aber mich würde es ernsthaft überraschen, wenn es irgendwo tatsächlich eine mit einem umfassenden DSA-Fundus gibt - davon mal abgesehen, dass davon auch nur die Spieler was hätten, die auch dort leben.
Hier möchte ich nochmal eine Sache ins Gedächtnis rufen: Das altbekannte Nachwuchsproblem von DSA. Das war unter anderem bedingt durch die nicht gerade einsteigerfreundliche 4. Edition (dazu wurde hier ja schon einiges geschrieben), aber eben auch dadurch, dass das Setting teilweise fast schon sowas wie einen Magister in Aventuristik voraussetzte - was für Altspieler und Nostalgiker ein netter Fanservice ist, aber Rollenspieler ohne jegliche Vorkenntnis schnell erschlägt. Dass man dementsprechend bei DSA 5 erstmal mit der Philosophie "ihr braucht nur das GRW und den Almanach" an die Sache heranging, dürfte der Vermittelbarkeit von DSA sehr geholfen haben; und nach allem, was ich weiß, gab es damals mit der Einführung von 5e ja auch erstmals wieder Neuspieler in größerer Zahl.
Zur Veranschaulichung möchte ich mal beschreiben, wie das traditionellerweise bei DnD gehalten wurde: Hier wurde Kontinuität eher klein geschrieben und es gab immer wieder Quasi-Resets, die für ältere Spieler vielleicht ärgerlich waren, aber dafür Neueinsteigern immer wieder einen einfachen Einstieg ermöglichten.
- Es gibt mehrere Settings; unter anderem wurden auch immer wieder neue Settings eingeführt (auch wenn die meisten der ca. 50 Kampagnensettings auf Sparflamme liefen) und alte "discontinued".
- Für einige Settings gibt es gar nicht erst sowas wie einen Metaplot: Es gibt nur einen Status Quo, der beschrieben wird, und in dem dürfen die Spieler sich dann austoben, aber der wird nicht fortgeschrieben.
- Andere Settings haben zwar einen Metaplot mit einer fortlaufenden Story, aber keine "lebendige Geschichte", die man quasi in Echtzeit miterleben kann. Zeitsprünge, die immer wieder einen Soft Reset der Spielwelt darstellen, sind da gang und gäbe.
- Man scheut sich nicht vor Retcons der Spielwelt(en). So wurde zB mit der 4. Edition die Kosmologie des gesamten Systems umgeschrieben; im Dark Sun-Setting wurden Mitte der 00er Jahre alle Vorgänge rückgängig gemacht und die Uhren wieder auf 1993 zurückgestellt; in Ravenloft wurde am laufenden Band sowohl die Geografie als auch die Historie der Antagonisten umgeschrieben etc.
Damit man mich nicht falsch versteht: Das ist jetzt alles nichts, was ich für Aventurien wünschen würde - im Gegenteil, ich lege auf Kontinuität und Wiedererkennbarkeit großen Wert.
Aber für Neuspieler ist ein bequemer Einstieg, der sie nicht direkt überwältigt, wichtiger; und diese Praxis des Platzhirschs am PnP-Markt hat letztlich auch dazu beigetragen, dass er von der Überalterung des Hobbies nicht im gleichen Maße erwischt wurde wie das bei DSA der Fall war.
Man muss eben auch berücksichtigen, dass es ebenfalls Rollenspieler gibt, die keine vergleichbare emotionale Verbindung zum historisch gewachsenen Setting haben, und für die es ein Kaufargument ist, wenn sie schon am nächsten Tag mit dem Spiel loslegen können, ohne dass sie in Querverweisen auf die letzten 30-40 Jahre ertränkt werden. Wenn man denen den Eindruck vermittelt, dass sie keine "gleichberechtigten" Teilhaber des Settings sind, sondern Nachzügler in einer Spielwelt, die vor allem aus Fanservice für die Altspieler besteht, tut man sich als Unternehmen keinen Gefallen.
Wenn ich diesen gordischen Knoten zerschlagen müsste, würde ich letztlich dazu die Stelle des bereits erwähnten (wenn auch vielleicht nicht ernst gemeinten) "Continuity Managers" schaffen, dessen Tätigkeitsbereich sich ausschließlich darum dreht, bei allen Publikationen eine DSA-historische Einordnung der jeweilige Inhalte vorzunehmen, und diese dann auf einer Unterseite der offiziellen Website von DSA zu veröffentlichen: Dann braucht man nur auf die Seite zu gehen und kriegt eine Auflistung der aktiven NSCs und Mächtegruppen, und inwiefern diese bereits in anderen Spielhilfen, Abenteuern und Aventurischen Boten vorgestellt wurden - und wer sich dafür interessiert, kann dann einfach diese Seite besuchen, um hier umfassend informiert zu werden. Und auf der anderen Seite werden dann diejenigen, die jetzt keine alten Hasen sind und von sowas möglicherweise eingeschüchtert werden könnten, nicht bei jeder Gelegenheit und in jedem Abenteuer damit konfrontiert, dass sie eigentlich mehrere zehntausend Seiten im Rückstand sind.
MoonDaughter hat geschrieben: ↑16.01.2025 08:06
Um mal eine ganz andere Perspektive in die hier konstruierten Fronten "Neueinsteiger*innen" und "Altspieler*innen" zu bringen: Ich falle für die meisten hier wahrscheinlich in erstere Kategorie. Ich beschäftige mich seit so 2020 mit DSA. Aber meine Präferenzen und Wünsche sind viel mehr die, die hier eher Leuten zugeschoben werden, die schon seit Jahrzehnten "dabei" sind.
Für so konstruiert halte ich diese Unterscheidung nicht, denn, seien wir ehrlich: Wenn Neueinsteiger dieselben Wünsche und Prioritäten hätten wie Altspieler, dann hätte DSA nicht dieses Nachwuchsproblem. Damit möchte ich jetzt auch gar nicht in Frage stellen, dass es bei dir speziell anders aussieht, aber dann bist du auch keine typische Neueinsteigerin (du sagst ja selbst, dass neurodivergent zu sein da wohl eine Rolle spielt), sondern eher sowas wie eine "Altspielerin ehrenhalber"
Wobei es auch schon einiges aussagt, dass im Kontext dieser Diskussion jemand 10 Jahre Spielerfahrung in der 5. Edition haben kann und trotzdem nicht zur Gruppe der "Altspieler" zugeschlagen wird, sondern eher als "Neueinsteiger" gilt - eben weil er die Hochzeit der 3. und 4. Edition verpasst hat.