Ich finde deine Variante der Geschichte,
@Alrik Normalpaktierer, schön. Ganz cool dabei ist dass Hal in der Frühzeit nicht nur "wie ein echter Kerl" ausgesehen hatte, sondern eben dann auch einer war, und erst später sein eigentliches Geschlecht entdeckt hat. Ist ja sicherlich in einer nichtmedialen Welt auch noch schwieriger sowas innerlich zu bearbeiten. Ich neige persönlich nur dazu offizielle Satzungen so gut es geht beizubehalten und darum herum irgendwie was schlüssigeres zu basteln. Aber es wäre eine emotional gute Variente finde ich.
Noch mal zu dieser "Gleichberechtigungsache", die
@Andor angesprochen hat. Ich finde das ein bisschen schwierig allgemein (gültig) zu "bearbeiten". Die Gleichberechtigung in Aventurien wurde ja nicht bis ins kleinste definiert sondern ist einfach so ne Art "Überschrift" wie so eine Art "Schutzraum". Und diese Überschrift wird eben von unterschiedlichen Autoren und Spielgruppen anders gehandhabt. Um nur mal das Beispiel der Beleidigung "weibisch" zu nehmen. Zu einer Gleichberechtigung gehört eben auch das nicht nur Männer unter "weibisch" leiden müssen, sondern dass die toxische Männlichkeit "universal" ist. Es gibt also auch "weibische Frauen", was dann in Aventurien genauso verletztend ist wie "weibischer Kerl". Ich denke es ist schwierig in so einem Utopia mit unserer Sprache Texte zu verfassen. Da schreibt man dann im Zweifel (Zeitdruck, fehlen besserer Alternativen, Zeitgeist) aus dem "inneren Schriftempfinden" heraus und macht sich jetzt nicht über jeden Halbsatz stundenlang nen Kopf.
Und zu dieser "allgemeinen" Gleichberechtigung gibt es, wird ja auch oft bis zum Umfallen diskutiert, unterschiedliche Zugänge. Und ein wichtiger Faktor bleibt eben die "Spielerschaft". Vielleicht will eine Spielerin in echt gar nicht toxisch männlich sein, und epfindet "reale Weiblichkeit" schon anders als "reale Männlichkeit", aber sie hat schon mal Bock ne krasse Kämpferin zu spielen die dann auch "ein echter Kerl" ist. Da muss dass Spiel das ja dann auch ermöglichen, aber eben ohne dass dann automatisch alle aventurischen Frauen so sein müssen wie Raidri, nur mit Brüsten und ohne Penis. Genauso natürlich umgekehrt für männliche Spieler. Jeder soll einfach alle spielen können, und das eben per Satzung in diesem Schutzraum, den wir Aventurien nennen. Das "reale" Aventurien kann aber eben im Alltag durchaus anders sein. So finden die Mittelreicher es lustig wenn die Thorwalerinnen auf Kriegszug gehen während der Mann die Kinder hütet, haben aber überhaupt kein Problem wenn neben ihnen in der Schlachtreihe ne Mutter von 5 Kindern, die aus dem Gröbsten raus sind, steht.
Kurz: ich finde es immer schwierig mit der aventurischen Gleichberechtigung zu argumentieren, da sie so "fluide" ist. Und genau deshalb blähen sich ja Diskussionen darüber meist extrem auf weil auf dieser "fluiden Skala" von 0 (ca. so wie bei uns, nur ohne sozialen Durck) bis 10 (Frauen und Männer mit KK20 sehen körperlich exakt gleich aus) unter der "Überschrift Gleichberechtigung" vieles möglich scheint.
Zurück zu Answin. Verzeiht den "Hal-Exkurs". Ich finde ja moderne Bösewichte sollten so gesataltet sein, dass man immer ganz kurz davor steht sie so zu mögen und zu verstehen, dass man ihn vielleicht doch als "den Guten" sehen kann. Answin als Figur versagt da, meiner Ansicht nach, völlig. Genauso wie ich den Selinde-Plot erhalten sehen wollen würde, hätte ich gerne einen Answin, für den zu sterben es sich "lohnen" würde. Und ich bin fest davon überzeugt, dass einen Sympathieträger keine "Ideale" oder "hehren politischen Ziele" attraktiv machen, sondern nur "Menschlichkeit", "Persönlichkeit" und "Gefühle". Answin wirkt wie eine "Polit-Maschine", ein "Plotandroid" und wenn so einer dann "böse Dinge" tut ist es eben ne einfache Rechnung ihn kacke zu finden.
Answin bleibt der kompetente Musterjunge der er ist, aber was wäre wenn...
... Answin lebt ganz nah bei der kaiserlichen Familie. So eng wie nur irgendwer. Er schwört Reto seine Schwüre, er ist rational, kompetent, früh politisch verheiratet und seine eigene Nachfolge kinderreich gesichert. Er kümmert sich gut und ehrenvoll um den Knaben Hal von Gareth. Alles ist cool. Bis...
... Selinde erblüht. Und wie so oft wenn beherrschte Menschen, die es gewohnt sind rational und "geradeaus" zu denken, etwas erwischt, etwas was so gar nicht rational und "geradeaus" ist und sie schräng von der Seite, unten links, hart erwischt ... läuft alles schief. Ich spinne das jetzt mal nicht im Detail weiter. Ich denke aber über die Jahre kann nicht nur Selinde seelisch-menschlich leiden sondern auch ein Answin. Er ist hin und her gerissen zwischen Pflicht, dem was er weiß dass es "schlau wäre", und dem was er fühlt. Und in diesem Spannungsfeld passieren eben Fehler, Übersprungshandlungen und unbedachte kleine Dinge können großes Leid und Verwirrung verursachen.
Vielleicht geht es sogar soweit, dass Selinde nicht mehr kann und zusammen mit Answin einen Plan ausheckt sich selbst (oder Alara?) zu vergiften, um entweder ihr Martyrium zu beenden, oder um sie einen Scheintod sterben zu lassen (das Gift müsste dann natürlich auffindbar sein, also wirklich da sein). Es wäre also der erste einer langen Reihe von Versuchen eines "Jagdunfalls von Selinde". Dummerweise kam Brin irgendwie dazwischen/in die Nähe und Answin und Selinde konnten das anschließend natürlich nicht aufklären. Das erklärt auch warum Answins Strafe so milde war (gibt es da sonst eine andere Handhabe als Kopf ab?). Hätte es geklappt hätte Answin seinen Schwur gegenüber Reto erfüllen können und als Reichsregent für Brin diesen Schwur in gleicher Weise erfüllt.
Aber alles lief anders und aus dem Ruder, und überhaupt.
Ein wiedersehen auf dem Schlachtfeld im Jahr des Feuers zwischen Hal und Answin hätte dann eine ganz besondere zusätzliche Würze und am Ende eine Art Romeo und Julia - Todesszenen Effekt.
"Was beim Attentat begann, führen wir nun zu Ende, liebster Answin..."
Also ich kenne jetzt nicht alle Satzungen zu Answin, seiner Frau und seiner späteren Geliebten im Detail, aber mir scheint es durchaus möglich das im Adel, und an so einem Kaiserhof, alles möglich ist was eine Seifernoper so hergibt, und mehr. Wichtig ist einfach das man den Personen mehr menschliche Tiefe und Komplexität (auch in ihrer Beziehung zueinander) gibt und dazu gehört nicht nur Answin und Galotta sondern auch Selinde. "Gestörte transgender Lesbe gegen böse-kompetenten cis-Mann" wäre zumindest für mich eine zu eindimensionale Figuren- und Dramaturgieentwicklung.