Rosencrantz hat geschrieben: ↑16.12.2021 17:28
Bisher waren 95% der Leute, mit denen ich mich über DSA5 und die publizierten Werke unterhalten habe, von einem gekauften Werk entweder enttäuscht, standen dem Kauf gleichgültig gegenüber, oder waren über die miese Qualität richtig erbost. 90% der Leute haben sich kein zweites Werk aus der Edition gekauft. Und ich würde tatsächlich nicht sagen, dass die befragten Personen einer sehr homogenen Gruppe aus Hatern oder Fanboys angehört haben - das waren und sind Rollenspieler aller Präferenzen, vieler verschiedener Spielstile und Vorlieben, lange und kurz mit DSA in Kontakt, etc. Also würde ich in dieser Sache schon sagen, dass ich wirklich fast niemanden persönlich kenne, der mit der momentanen Publikationsstrategie zufrieden ist und die Leute bei Ulisses für ihre Produkte finanziell unterstützt.
Da es ein zweites Kompendium gab, scheint sich das erste verkauft zu haben oder sogar eine Erweiterung aktiv eingefordert worden zu sein. Wir wissen eben nicht, was Leute an Ulisses per Mail schreiben oder auf Messen am Stand so erzählen. Andererseits ist das Kompendium II von 2018 und seitdem gab es kein weiteres mehr, also war dann möglicherweise auch Sättigung am Markt.
Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an den Moment, als ich hier im Forum mal irgendwas darüber erzählt hatte, dass ich mir die Dampfende Dschungel RSH frisch geholt hatte, und daraufhin eine Nachricht im Postfach hatte, wo jemand wissen wollte, was denn da "für neue Regeln" drin sind. Etwas, das mich persönlich an der RSH überhaupt nicht interessiert hat. Und ich glaube, viele von uns unterschätzen, wie divers und verschieden die Szene der DSA-Spieler ist. DSA ist, im wahrsten Sinne des Wortes, der Mainstream in Deutschland, und lockt dadurch sehr unterschiedliche Arten von Spielern an, die alle irgendwie befriedigt werden wollen. Und anscheinend sind da auch Leute drin, die Spaß an Regeldetails haben. Oder eben, wie
@RvB es schildert, diese Details sogar als Inspiration für eher erzählerisch geprägtes Rollenspiel nutzen.
Man sollte sich vielleicht auch immer wieder vor Augen führen, dass logischerweise nur so etwa jeder fünfte Spieler überhaupt sich ein Abenteuer zulegt (wenn wir davon ausgehen, dass eine typische Gruppe aus Spielleiter und 4 Spielern besteht), aber sowohl Spieler als auch Spielleitung sich Regelbücher kaufen können (wenn sie wollen). Wenn also genug Absatzmarkt für Abenteuer vorhanden ist, dann ist auch genug Absatzmarkt für Regelbücher da, die nicht jedermanns Geschmack treffen, sondern nur von einem Teil der Spieler gekauft werden, diese aber dann besonders glücklich machen.
Darüber hinaus sei es meinetwegen einem Unternehmen auch gerne mal gestattet, zu experimentieren und halt vielleicht Publikationen auf den Markt zu bringen, die sich als nicht so erfolgreich erweisen. Das gehört zum unternehmerischen Risiko auch mit dazu.
So ganz ist mir auch nicht klar, warum man sich jetzt über solche Regelbücher regelrecht ärgert. Dass man sich drüber lustig macht, kann ich verstehen, wenn man aus einer komplett anderen Richtung kommt. Aber Ärger... warum? Denn: Man kann sie ja ignorieren. Das ist ja das Herausstellungsmerkmal von DSA5. Kompendium, Kompendium II und so weiter sind alle optional. Man braucht sie nicht. Wer es als Quatsch empfindet, braucht sie nicht zu kaufen, und wird nie wieder in einem Kaufabenteuer damit belästigt. Und wenn der Autor des Kaufabenteuers dann der Meinung ist, die SF Badehandtuch sei für den Plot wichtig, wird sie im Abenteuer nochmal aufgeführt. Das ist doch gerade der Clou an der Sache, der ja aber bekanntlich einigen Leuten auch wieder nicht recht ist. Was ich ebenfalls nachvollziehen kann. Was ich dann nicht ganz nachvollziehen kann, ist, wenn dieselben Personen sich über beides ärgern.
Nebenbei bemerkt sind die ganzen Sonderfertigkeiten auch nicht so mein Ding. Ich habe aber das Gefühl, das ist halt in DSA angelegt. DSA will kein Rollenspiel sein, in dem Charaktere spektakuläre Dinge tun, so wie in FATE oder Broken Compass oder als höherstufige D&D-Charaktere. DSA möchte bewusst das Spiel sein, in dem Charaktere ein Bad einlassen und dafür etwas besser regenerieren, und ganz viel Spaß haben, wenn sie in einer Baronie Abenteuer erleben, aber nicht etwa Kaiserin Rohaja ermorden, weil das eben den Metaplot durcheinander bringen würde, wenn jede Heldengruppe aus Superhelden bestünde. Das ist und war schon immer ein wenig Fluch und Segen von DSA. Und wenn ich DSA spiele, dann ist es auch genau diese Stimmung, auf die ich mich einlasse. Und das ist dann auch völlig in Ordnung für mich.