Für mich hat dieses Abenteuer Licht und Schatten zu bieten.
Vielleicht zunächst das Positive:
- Jahrmarkt, Jahrmarktbuden und die dortigen NSCs sind ausführlich und liebevoll beschrieben. Ich denke viele von diesen Darstellern werden schnell lieb gewonnen und bleiben in guter Erinnerung.
- Das Abenteuer thematisiert die sozialhistorisch so prekäre Situation der Fahrenden und ermöglicht so eine (relative) Inaktivität der lokalen Ordnungsgewalt und dementsprechend viel plausible SC-Aktionen. Gleichzeitig kann sich aber auch die lokale Autorität nach dem Fund der zweiten Leiche rehabilitieren. Das Problem ist also nicht Inkompetenz/ Faulheit sondern ein konkurrierendes Wertesystem.
- Die zunächst nicht eindeutige Lösung des Falles inklusive einer ergebnisoffenen Gerichtsverhandlung ist ebenfalls stark. Gerade mit der späteren Offenbarung regt sie zu Nachdenklichkeit an. Dies gilt sowohl IT als auch OT. Das Spiel mit OT-Vorurteilen ist natürlich prinzipiell problematisch aber ich persönlich empfinde es in der vorliegenden Form vollkommen vertretbar, da sich ähnliche Vorurteile eben auch IT herausbilden können (positive bias zugunsten traditionell Unschuldiger Gruppen). Je realistischer auch unter den Spielern solch Vorurteile gegenüber dem reisenden Volk bespielt werden (es gibt ja auch Gruppen mit hohem SO), desto mehr Zeit sollte der SL einplanen um die Darsteller einzuführen und als interessengeleitete Akteure darstellen. Evtl. ruhig auch mit Ecken und Kanten.
- Der anfängliche Hauptverdächtige funktioniert sehr gut auch vom Motiv her.
Jetzt das Problematische:
- Die Spurensuche ist wenig komplex (Tatortbegehung, Einbruch beim Adligen, Zeugenbefragung) und die Schwelle für frühe Zweifel bewusst hoch (immerhin nicht unmöglich), um den Ablauf sicherzustellen. Dies ist teilweise plausibel (Anatomiekenntnisse sind selten) teilweise nur bedingt (Zeugenaussagen sind an sehr spezifischer Stelle falsch bzw. unzuverlässig. Die Begründung hierfür ist mit "Schamgefühl" eher dünn).
- Das Motiv des wahren Täters ist vergleichsweise dünn und nur extrem schlecht vor der Entlarvung erkundbar (Janore) bzw. völlig beliebig (Bauer).
- Lokalisierung in Andergast/ Optionalität. Dies wurde im Prinzip schon besprochen und ich denke das Abenteuer ist weitestgehend gut verschiebbar. Ich persönlich hätte es begrüßt, wenn das Abenteuer in eine spezifisch ausgewählte Baronie des Mittelreichs verlegt worden wäre. Inklusive der Verarbeitung der vorliegenden Beschreibungen. So hätte das Abenteuer einen weiteren Mehrwert geliefert. So bekomme ich die Kurzbeschreibung einer Baronie/ Siedlung welche von offizieller Seite vmtl. nie wieder aufgegriffen wird. Glaubt die Redaktion, dass es SL nicht gelingt die Namen der Akteure+Handlungsort auszutauschen?
- Die Gerichtsverhandlung ist doch recht kurz geraten und es fehlen einige Eventualitäten. Insbesondere das Gottesurteil aber zumindest im zivilisierteren Mittelreich auch ein Rechtsvertreter für den Verteidiger.
Jetzt das wirklich Störende:
- Während ich Stimmungsbilder für viele Abenteuertypen hilfreich finde, ist es doch für ein Detektivabenteuer eigentlich Pflicht eine Visualisierung der zentralen Handlungsorte zu liefern. In diesem Fall Tatort und mit Abstrichen Jahrmarktsplan (findet man auch anderswo) oder Wohnort/ Schlafstätte des eigentlichen hauptverdächtigen Adligen (lässt sich auch anderweitig finden). Aber eine zentrale Spur (Wams) ist kaum ohne Einbruch erreichbar.
- Die Gewichtung der Einzelteile ist ungünstig. Plotrelevante Aspekte wie Zeugenaussagen, Gerichtsverhandlung, 2. Tatort, Tätermotivation etc. pp. fallen ausgesprochen kurz aus zugunsten einer ausführlichen Darstellung der Jahrmarktsattraktionen. Diese sind aber weniger plotrelevant und jedenfalls für mich als SL einfacher improvisierbar.
- Die Handlungslogik des Täters ist für mich nicht nachvollziehbar. Er ist ja innerhalb der Fahrenden bekannt und zumindest nicht so auffällig, als dass sie ihn verdächtigen würden. Frühere Vorkommnisse gab es ebenfalls nicht, trotz einer Vielzahl an potentiellen Triggereffekten für diese spezielle Motivation. Dafür muss dann aber ein Bauer vom Wegesrand dran glauben? Hier habe ich den Verdacht, dass dies vor Allem dem gewollten Aha-Erlebnis der Unschuld des eigentlichen Hauptverdächtigen geschuldet ist. Der Helfershelfer ist fast noch unmotivierter.
- Gleichzeitig gibt es Elemente einer Affekttat (Triggereffekt Lachen, Overkill) und Vorausplanung (Ablenken des Verdachts, Folter, Giftnutzung).
- Der Endkampf ist etwas "lasch", wenn man Kazan nicht zum Metzelmonster umbauen will. Unterzahl is a bitch in DSA.
Verbesserungen bzgl. der Gerichtsverhandlung lassen sich natürlich leisten. Auch der Endkampf kann aufgepeppt werden. Einige der Probleme erscheinen mir aber aktuell kaum behebbar ohne eine komplett andere Geschichte zu erzählen.
Ingame habe ich es so versucht: Astrologe ist zwar der eigentliche Täter aber ein "harmloser" religiöser Fanatiker. Drahtzieher ist Kazan ein recht sinistrer Beherrschungsdruide, welcher den Astrologen instrumentalisiert. Dadurch kann ich Affekthandlungen dem Astrologen zuordnen und die Planungselemente Kazan. Das löst nicht alle Probleme aber zumindest haben bei uns zwei Blechdosen gut geguckt als Kazan ihnen zwei Mal die Faust entgegenstreckte.
Insgesamt ist die Idee etwas besser als die Umsetzung und ich würde das AB im unteren Mittelfeld verorten. (Noch) 3 Punkte.
"Was nicht passt, wird passend gemacht." Motto der Praioskirche.
"Bang.Boom.Bang." ebenfalls Motto der Praioskirche.