Hallo,
Wir haben "Die letzte Strophe" vor kurzem in unserer Runde beendet, mit einer puniner Magierin und einer tulamidischen Sharizad als Spielercharakteren. Das Abenteuer weißt zahlreiche Schwächen, aber auch einige große Stärken auf und wird gegen Ende hin immer besser – vorausgesetzt, dass man die vom Autor zur Verfügung gestellten Extra-Informationen nutzt, die man mit etwas suchen in diesem Thread finden kann:
http://vinsalt.regioconnect.net/wbb2/th ... r=0&page=1
Dadurch wird das Abenteuer deutlich aufgewertet.
Zunächst einmal: Der erste Teil des Abenteuers ist sehr schwach. Die Expedition ist generisch, Gegenexpeditionen sind dieser Tage so ein typisches DSA-Klischee, dass es meine Spieler in einem anderen Abenteuer ehrlich überrascht hat, dass es ausnahmsweise mal keine gab, Sabotage gehört auch immer dazu, und weder die Reise noch die Ausgrabungen haben viel zu bieten. Der Kampf in der Höhle ist dazu gerade für unerfahrene Helden potenziell absolut tödlich, wenn man da nicht ein wenig herunterschraubt. Ehrlich gesagt halte ich es für sinnvoll, diesen Teil einfach wegzulassen und nur als Hintergrund zu erzählen, das eigentliche Abenteuer also mit der Reise nach Thalusa und der Suche nach dem Gelehrten dort beginnen zu lassen, zumindest, wenn die Spieler schon das eine oder andere Expeditionsabenteuer hinter sich haben (in meiner Runde hatten wir z.B. schon 3 oder mehr von dieser Art und Weise gespielt) – zumal die Ausarbeitung hier ohnehin große Lücken aufweißt.
Thalusa ist als Setting interessant, wenn auch für Helden sehr unangenehm. Gegen die dortige Suche habe ich wenig einzuwenden, wobei die Gefahr besteht, dass die Helden, anstatt vor den Häschern des Sultans zu fliehen, ihre Unschuld beweisen wollen – an dieser Stelle könnte der Meister vorher eine Szene einbauen, um zu demonstrieren, dass es keine gute Idee ist, sich auf das thalusische Rechtssystem zu verlassen – andernfalls ist Improvisationstalent gefragt.
Seine wahre Stärke zeigt das Abenteuer, sobald Al'Mahmoud alias Satinav ins Spiel kommt – während man vorher mit kryptischen Gedichten, generischen Expeditionen und den üblichen Handlangern konfrontiert war, erhält das Abenteuer so eine neue, mystische Dimension, die meine Spieler durchaus begeistern konnte. Das kleine Dorf nahe der Tempelinsel ist durchaus interessant, und einer der Helden wird hier zum Träger der Fesseln Satinavs und Erwählten der Gottheit gemacht.
Der Tempel selbst ist im eigentlichen Abenteuer unzureichend ausgearbeitet und sollte auf keinen Fall so kurz und skizzenhaft dargestellt werden, denn er dient als Höhepunkt und erlösender Faktor für alle anfänglichen Schwächen. Hier sind die Ergänzungen des Autors absolut empfehlenswert – spannende Begegnungen mit Personen und Kreaturen aus der Vergangenheit, die zugleich ominös und faszinierend sein können, auf Wunsch auch gefährlich. Hier wäre natürlich ein Held, der die echsische Sprache beherrscht, äußerst interessant, aber dergleichen ist recht selten. Auf jeden Fall (und das gilt für das ganze Abenteuer) sollte jemand in der Gruppe Ur-Tulamidya beherrschen, sonst leidet die Spielerfahrung deutlich.
Den Tempel kann man ruhig voll auskosten und noch ein paar Szenen hinzuerfinden – als Setting bietet er gewaltiges Potenzial. Dass man da durch den Sultan und seine Männer hineingerailroadet wird, damit kann man denke ich leben – das sind eben die Risiken, wenn man offizielle Abenteuer spielt.
Bei meiner Bewertung gehe ich davon aus, dass die Ergänzungen des Autors verwendet werden – wer diese und andere Rezensionen ließt, hat nicht wirklich einen Grund, diese nicht zu nutzen. Für den zweiten Teil des Abenteuers würde ich durchaus 4 Punkte vergeben, der erste ist aber höchstens 1-2 Punkte Wert. Insgesamt komme ich daher auf 3 Punkte; Empfehlen würde ich das Abenteuer auf jeden Fall für Gruppen mit mystischen oder historischen Interessen, sofern Ur-Tulamidya als Sprache im Repertoire der Helden liegt. Für Kämpfergruppen oder jene, die an tulamidischer Kultur und Geschichte kein Interesse haben, lohnt sich das Ganze nicht.
Jetzt noch ein Wort zu der Idee, aus dem Abenteuer den Auftakt einer Kampagne zu machen: Meiner Ansicht nach funktioniert das nicht besonders gut – das Ganze wirkt ziemlich erzwungen, und auf meine Spieler hat der Vorschlag ebenfalls keinen überzeugenden Eindruck gemacht. Ich würde eher empfehlen, die Basargeschichten-Abenteuer mal hier mal da einzustreuen, wo sie gerade passen.
Viele Grüße,
Cadrax Sohn des Cendrosch