Hallo zusammen!
Ich habe den Thread lange beobachtet und möchte mich gerne mit einem vielleicht etwas "pragmatischeren" Aspekt zu der Diskussion äußern:
Ich fände theoretisch auch "den einen knackigen, epischen und wuchtigen" Metaplot toll und spannend. Allerdings:
1) Auch die damaligen Metaplots waren in ihrer Zeit nicht spannend und episch. Ich durfte die 7 Gezeichneten "live" erleben. Auch damals machten viele Dinge keinen Sinn, waren unpassend und nicht sonderlich episch. Erst rückblickend wurden Dinge überarbeitet, gezielt zusammengeflickt und wurden so "wie aus einem Guss." (und zu vier Bänden). Wenn man eine lebendige Welt hat, die mit unserer 1:1 Schritt hält, dann dauern Dinge eben. Ein NSC, der vor drei Jahren (also 2020) sieben Jahre alt war, ist halt jetzt erst 10. Den Plot mitzuerleben, der sich entfaltet, dauert halt. Ich vergleiche das immer gerne mit Wrestling: Dort sind Storylines manchmal auch 3, 5 oder 10 Jahre lang - und manchmal tut sich eben monatelang nichts.
2) Es gibt ein wunderbares und (für mich) sehr erhellendes Interview mit Julian Härtl, in dem er einen wichtigen Punkt hervorhebt (und das hat mich letzten Endes mit dem Metaplot doch einigermaßen versöhnt; vor allem zusammen mit den Frosty-Boten-Lese-Sessions): Der Plot soll ja immer dafür da sein, dass man
am Tisch und
mit den Spielern als Hauptpersonen mit ihm umgehen kann. Am Ende waren die Sieben Gezeichneten eine tolle Geschichte - aber ohne viel Einflussmöglichkeit. Und streng genommen soll ein guter Plot ja an allen Stellen (sowohl inhaltlich als auch geografisch) zum Mitspielen einladen. Sprich: Ich muss überall in Aventurien die Gelegenheit haben, mitzuspielen - und ich muss die Spieler an jeder Stelle des Plots mitnehmen können. Der Giganto-Plot in DSA 4 (mit dem Abschluss "Splitterdämmerung") ist eine riesige Achterbahn. Das meine ich nicht negativ (der Reiz von DSA ist ja, dass man diese Geschichte miterleben kann). Aber am Ende sind meiner Meinung nicht die von der Redaktion erzählten Geschichten das entscheidende - sondern der kreative Anschub, den die Produkte geben. Dass der (auch) dadurch kommt, dass die Welt sich Stück für Stück, glaubhaft, nachvollziehbar und miterlebbar weiterentwickelt, ist toll. Man bekommt nicht zehn Jahre später eine neue RSH, die einen neuen Status Quo setzt, sondern man hat im Zweifel den neuen Stand der RSH "erspielen" können.
Aber ich (jedenfalls ICH) als Spielleiter möchte eben nicht nur, dass
mir eine tolle Geschichte erzählt, sondern dass mir eine glaubwürdige Kulisse angeboten wird, die ich für die Spieler nutzen kann. Der Sternenfall ist dafür mMn gerade auf Grund seiner vagen Erklärungen, der Dehnbarkeit und der vielen Optionen optimal. Ich kann vor der gleichen Hintergrundkulisse in Arivor in den Ruinen buddeln, auf den Zyklopeninseln Segelschiffregatten fahren, im Kosch Chimären jagen oder oder oder... und ich bin trotzdem noch in der Welt, die sich langsam fortbewegt - und in der sich irgend etwas Düsteres anbahnt.
Spoiler:
Soll das Karmakorthäon nicht mit einem gigantischen Konflikt beginnen und enden? Gibt es nicht mittlerweile mehr als genug Lobpreisungen? Und tauchen nicht plötzlich mehr als genug Zeloten, Namenlosenjünger und Veränderungen jeder Art auf?
Nicht dass wir uns falsch verstehen: Wenn in zehn Jahren die Redax sagt "So, Sternenfall beendet, alles bleibt so wie es ist. Und - wie war's?" Dann wär ich auch etwas enttäuscht (vorsichtig formuliert). Aber wenn man den Boten aufmerksam verfolgt, feststellt, wer sich wie positioniert, und mehr und mehr Abenteuer düstere Machenschaften aufdecken, die den Plot (mal mehr, mal weniger) vorantreiben - und ich merke, wie sich die Welt Stück für Stück zu verdüstern scheint (wenn auch derzeit immer "nur" im Kleinen) - dann finde ich das Erlebte Geschichte.
Und eine Erwägung zur Frage "Was machen die Spieler" darf man mMn auch nicht vernachlässigen: Wenn es "The next Big Thing" gibt, dann konzentriert sich alles darauf. Nehmen wir an, Mittelreich und Horasreich befänden sich im Krieg - ich kann mir schwer vorstellen, dass noch für viel anderes Platz wäre. An dem derzeitigen Plot mag ich gerade, dass es ganz viele kleine regionale Plots gibt - aber man doch irgendwie das angenehm-unangenehme Gefühl hat, dass sich da - was? wer? - zusammenbraut...
Langer Rede kurzer Sinn: Ich finde dieses "Heranschleichen" an etwas, was sich wahrscheinlich (ok: hoffentlich) entladen wird, spannend. Lange Zeit hatte auch ich das Gefühl, dass nichts passiert. Bingewatching von Frostys Aventurischem Quartett, aufmerksame erneute Lektüre von Sternenleere und die erneute Lektüre der (meisten) Mysteria et Arcana haben mich dann doch erstes Blut lecken lassen... Und nachdem Julian Härtl "mir" das ganze auch aus "konzeptioneller Sicht" erklärt hat, freue ich mich auch beim derzeitigen Tempo auf mehr.