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Ulisses und Sensitivity Reading

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Shirwan
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Ulisses und Sensitivity Reading

Ungelesener Beitrag von Shirwan »

Thorgrimma hat geschrieben: 25.09.2020 22:27 Ich frage mich, wie es nun für Schwarze oder andere People of Color ist, [...] oder fühlen sie sich doch irgendwie durch die Zentrierung auf den mittelreichischen Blick unbehaglich?
Ich weiß nicht ob ich unbehaglich sagen würde, vielleicht weil ich es aus dem realen Leben gewohnt bin, aber es ist auffällig, manchmal unlogisch und zuweilen befremdlich. Mich stört es weniger wenn man Großmachtfantasien ausleben möchte und den gesamten Kontinent ungeschlagen erobert. Die Konsequenz, dass man dann aber realweltliche, nicht europäische Äquivalente dann auf einen minimalen Raum quetschen muss ohne dass sie sich dann wirtschaftlich und kulturell entfalten können (oder sehr große Sprünge auf einem kleinen Raum stattfinden müssen), wie bspw. mit den Tulamiden geschehen, stört mich dann doch. Das forciert oder nein eher fördert dann natürlich eine Reduktion der unterschiedlichen jahrtausendealten Kulturen zu einem "Orientalen" oder in DSA "Tulamiden".
Das ist in der Realität leider nicht anders. Es ist erstaunlich wie oft ich gefragt werde, ob Iran oder Irak eigentlich das Gleiche sind, ob ich Türke bin oder wie erstaunt ca. 80% der Menschen sind, wenn ich sage dass in Iran Arabisch nicht Landessprache ist und es auch kein arabisches Land ist. Auf der anderen Seite ist mir natürlich auch bewusst, dass man sich hierfür interessieren muss und dieses Interesse nun mal eher die seltene Ausnahme darstellt.
Ich persönlich bin sehr stolz auf meine Kulturen. Auf meine Deutsche genauso wie auf meine Iranische. Wenn ich deutsche oder persische Literatur lese, empfinde ich einen tiefgehenden Genuss, der mich innerlich erfüllt. Wenn ich die philosophischen Gedanken der Iraner und Deutschen lese, dann beschäftigen mich diese Gedanken über eine lange Zeit hinweg und ich bin immer wieder erstaunt zu welchen Gedankenleistungen der Mensch doch fähig ist. Aber ich freue mich auch über „Kleinigkeiten“ wie einem deutschen Frühstück oder einer schönen Formulierung im Rahmen des Taroffs.
Warum schreibe ich das: Wenn zwei doch solch unterschiedliche Kulturen wie die deutsche und iranische eine solche Schönheit an Kultur und geistigem Schaffen hervorbringt, warum, so frage ich mich, sollte das für andere Kulturen anders sein und ist es nicht erstrebenswert auch in anderen Kulturen diese Schönheit zu erkennen?
Auf dieser Basis habe ich mich entschieden immer offen meine kulturelle Identität auszuleben und wahrzunehmen und in einen offenen Dialog mit der jeweils anderen Kultur einzusteigen (sprich als „Iraner“ in den Dialog mit der deutschen Kultur in Deutschland und andersrum in Iran). Ich bin immer offen und erläutere gerne Bräuche und deren Hintergründe, denn für mich ist die beste Waffe gegen Stereotypen und Rassismus der offene Dialog und meinem Gegenüber die Option anzubieten, eine weitere kulturelle Ausprägung der jeweiligen, zu dem Zeitpunkt fremden, Kultur kennenzulernen und ihren Hintergrund zu verstehen. Die Entscheidung meine Kultur dann abzulehnen will ich ihm oder ihr gar nicht nehmen, nur ich möchte dass er/sie zumindest ein weiteres Bild kennenlernt bevor sich seine/ihre Meinung zementiert.
Als Folge dessen bin ich zwar der Ansicht, dass man durchaus einige Verallgemeinerungen oder sagen wir Gemeinsamkeiten für einen weiteren Kulturkreis festlegen kann, sprich, um beim Beispiel zu bleiben, also eine*n „Basis-Rumpf-Tulamiden/-in“ definieren kann. Der fungiert dann quasi als der Stereotyp-Tulamide, den ich als schnellen NPC anbieten kann oder im Gesamtkontext einen sehr groben Einstieg in die Region ermöglicht ("das ist so wie der irdische Orient"). Aber dann sollte man doch auch weitergehen und eine weitere Ausdifferenzierung anbieten, in einigen Punkten vom Standard abweichen und so ein vielschichtiges und diverses Bild schaffen und zwar immer dann für den Fall, wenn der Tulamide bzw. die Tulamidin mehr als nur eine kurze Zufallsbegegnung ist. Und so wie ich es verstanden habe ist das auch das Ziel der DSA Redaktion (über die Umsetzung lässt sich bestimmt streiten, aber ich habe dazu aktuell kein Bild).
Außerdem ist die DSA Spielerschaft hierfür auch total offen und interessiert sich auch sehr stark dafür und es ist doch total schön, wenn man diesen Aspekt so in sein Rollenspiel einfließen lassen kann. Mein Beispiel Tulamidistan gehört, wenn man sich mal die Abstimmungen zu diesem Thema anschaut, zu den beliebtesten DSA Regionen und im Rahmen meiner Spielhilfe und auch außerhalb davon erhalte ich immer wieder Rückfragen und Dank. Ich werde häufig gebeten mehr Details zu liefern, eine Anfrage, im Sinne von „wie ist denn der Klischee Tulamide“ wurde mir dagegen noch nie angetragen. Auch hatte ich persönlich nie das Bedürfnis, dass mir eine Spielhilfe Vorschläge liefert wie ich denn möglichst effektiv rassistisch bin und auch diesbezügliche Vorschläge wie z.B. die Tulamiden die Essenskultur der Mittelreicher (und andersrum) betrachten fand ich schon immer total befremdlich (und darüber hinaus im historischen und aktuellen Vergleich auch falsch, was dazu führt, dass sich ein falsches Bild darstellt). Eine kritische Reflexion von außen (bspw. einer fremden Sitte) von jemandem der oder die sich damit (IG) ausreichend beschäftigt hat, mit einer nachfolgenden Beschreibung wie das in Wirklichkeit ist und vor allem warum es so ist bzw. gemacht wird, finde ich dagegen in Ordnung (und habe ich auch selber im Rahmen meiner Spielhilfe eingesetzt). Und ich denke das betrifft nicht nur die Tulamidistani. Auch für andere Kulturen interessiert man sich primär für eine Differenzierung der Kulturen (gerade wenn ich mir eine separate Spielhilfe zu dem Thema kaufe) und nicht für eine Reproduktion von Stereotypen oder dem möglichst guten Ausspielen von ingame Rassismus. Ich behaupte Letzteres gelingt sogar besser, wenn die Kulturen ausdifferenzierter sind (und man das unbedingt beim Rollenspiel ausspielen möchte…)
Thorgrimma hat geschrieben: 25.09.2020 22:27 Ich frage mich, wie es nun für Schwarze oder andere People of Color ist, in Aventurien zu spielen. Fühlen sie sich mit ihren Erfahrungen in Aventurien willkommen
Ich habe ehrlich gesagt noch nie eine Tulamidin oder einen Tulamiden so gespielt, wie es mir von der Redaktion vorgegeben/skizziert wurde. Lange Zeit habe ich das sogar so konsequent abgelehnt, dass ich weder in der Region noch selber einen Tulamiden als SC gespielt habe. Die Gründe sind sehr vielfältig, aber zusammengefasst würde ich sagen lehne ich die Darstellung der Tulamiden/Tulamidinnen als „Karl May Muslime“ Klischee ab. Es ist also nicht nur so, dass die Kulturen stark reduziert und zusammengefasst werden, sondern das Grundbild ist größtenteils eine Ansammlung von falschen Klischees und Vorurteilen.
Ein Beispiel: Man muss sich vor Augen führen, dass die Geschlechter Aventuriens quasi in der gesamten Menschheit gleichberechtigt sind. Auch Unterschiede wie hinsichtlich der Kraft wurden zwischen den Geschlechtern abgeschafft. Dennoch sind die Tulamiden und Tulamidinnen nicht gleichberechtigt ohne dass es einen ingame Grund gibt. Für mich stellt sich also die Frage warum ist das so? Es muss ja einen expliziten Grund geben, wenn man quasi die gesamte Menschheit als gleichberechtigt darstellt und man dann auf der anderen Seite explizit eine menschliche Kultur diesbezüglich ausschließt. Es ist auch nicht so, dass das ein ingame Klischee ist, nein hier wird quasi redaktionell festgelegt, dass dem genauso ist. Ich kann es mir hier nicht anders erklären, als dass hier ein Vorurteil seitens der Redaktion existierte und in DSA verankert wurde. Eine andere Frage ist die, zu was führt diese Festlegung? Dafür muss ich nur ins Forum schauen und finde dann Aussagen von Forenmitgliedern, wie tulamidische Männer sind Vergewaltiger, die ihre Frauen rauben, versklaven und die Frauen sind geistlose Sklavinnen die sich ihrem Schicksal ergeben. Tulamiden sind geldgierige Sozialdarwinisten die ihre Kinder in die Sklaverei verkaufen usw. Hier werden also irdisch rassistische Vorurteile in DSA reproduziert und befeuert oder von Spieler*innen adaptiert. Eine ganze Volksgruppe, wie die vergewaltigende Ferkinas, deren Vergewaltigungen dann noch ausführlich in Romanen beschrieben werden, fundieren diesen Rassismus dann umso weiter. Das hat für mich nichts mehr mit ingame Rassismus zu tun und hier muss man meines Erachtens entschieden handeln.
Man hat sich vor 20-40 Jahren vielleicht nicht so viele Gedanken diesbezüglich gemacht, aber man hat viele rassistische Bilder aufgebaut und über die Jahre hinweg ausgebaut (im Übrigen sehe ich im Kern das gleiche Problem mit der katholischen/christlichen Kirche und der Praioskirche, um mal eine andere Kategorie dieses Problems zu beleuchten). Wenn man nun mit diesen Bildern brechen möchte, dann finde ich das mehr als begrüßenswert, ja eigentlich sogar überfällig. Ob und wieweit das Sensitivity Reading und die anderen von Ulisses ergriffenen Maßnahmen (wie die oben genannte Differenzierung der Kulturen) hier zum Ziel führen will und kann ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht beurteilen, ich finde es aber gut dass man sich der Problematik dahinter bewusst ist und diesen Missstand beheben möchte (aus welcher Motivation auch immer).

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Rhonda Eilwind
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Ungelesener Beitrag von Rhonda Eilwind »

@Lafayette

Ich glaube, wir schreiben aneinander vorbei.

Was ich meinte, war, ganz wartungsfrei: Anpassungen der zu verkaufenden Produkte an die Gepflogenheiten der Kundschaft hat es immer schon gegeben und wird es weiterhin geben, und zwar egal in welchem Bereich.

Und ein Händler, der dies nicht macht, wäre höchst ungewöhnlich.

Soweit ich informiert bin, musste MTV zu gewalttätige Videos in Indien aus dem Programm nehmen, weil auch die Zielgruppe sie einfach nicht mochte, und McDonalds musste sein vegetarisches Angebot erweitern, einfach, weil gar nicht mal so wenige Leute in Indien Vegetarier sind.

In Südamerika sind die Kleidergrößen anders verteilt als in Europa, weil die Leute im Schnitt kleiner sind.

Die Auswahl an Bergwanderschuhen für Kinder in ganz normalen Schuhgeschäften ist in Slowenien x-mal höher als am flachen Niederrhein.

In einem Land mit Alkoholverbot kannst du idR keine alkoholischen Getränke im Laden kaufen oder nur sehr eingeschränkt.

Doppelmoral wäre etwas für mich, wenn dasselbe Tun in derselben Gesellschaft bei Person A anders bewertet wird als bei Person B... also, Beispiel: Frauen dürfen männerfeindliche Sprüche reißen, aber umgekehrt nicht.

Aber zwei verschiedene Gesellschaften mit zwei verschiedenen Moralvorstellungen haben eben zwei Moralvorstellungen und nicht eine Doppelmoral.

Und wer als Händler etwas verkaufen will, tut gut daran, dieser jeweils Rechnung zu tragen. Aber das schrieb ich ja schon.

Das ist nicht aus Prinzip etwas Ehrenrühriges. Grundsätzlich ist ein Verkäufer erstmal ein Verkäufer und kein Erzieher.
Wie weit die Moral des Kunden mit der eigenen vereinbar ist, muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Aber wenn ich dich richtig verstehe, geht es dir bei der Doppelmoral um Ulisses selbst, richtig?

Weil sie aus deiner Sicht marketingtechnische Entscheidungen moralisch verbrämen, statt sie als das zu benennen, was sie sind. Habe ich dich richtig verstanden?

Ist denn das auf jeden Fall so, oder besteht Anlass zu der Annahme, die Red. würde aus Überzeugung so handeln?

Die Begeisterung in der Zielgruppe dafür scheint mir nämlich sehr überschaubar zu sein...
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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Lafayette
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Ungelesener Beitrag von Lafayette »

Rhonda Eilwind hat geschrieben: 28.09.2020 08:03 Aber wenn ich dich richtig verstehe, geht es dir bei der Doppelmoral um Ulisses selbst, richtig?
Ja genau, über das "Sensitivity-Reading" diskutieren wir doch gerade. Das soll einen woken Eindruck machen - offensichtlich sind sie aber nicht so woke wie soeben tun. Denn wenn es in Amerika Rassismus ist, ist es hier auch Rassismus oder es ist auch dort drüben kein Rassismus.
Man kann sich aber dann nicht hinstellen und sagen "Wir sind keine XY", dann aber das XY in einer Sprache machen und in der anderen nicht.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 28.09.2020 08:03 Die Begeisterung in der Zielgruppe dafür scheint mir nämlich sehr überschaubar zu sein...
Es gibt nicht umsonst die den Satz "go woke, go broke".
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Seidoss-Anima von Seelenheil
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Ungelesener Beitrag von Seidoss-Anima von Seelenheil »

Es geht doch nicht darum, ob bestimmte Dinge in Aventurien als Rassismus einzustufen sind, oder ob OT die Tatsache, dass, weil DSA von Deutschen/Westeuropäern entwickelt wurde, die Welt weitestgehend aus der Perspektive einer europäisch-mittelalterlichen Welt (MR Fokus) enteickelt wurde.

Die Frage ist doch, warum all das plötzlich ein solches Problem zu sein scheint, dass da was umgeschrieben werden müsse?
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Ungelesener Beitrag von Janko »

Seidoss-Anima von Seelenheil hat geschrieben: 28.09.2020 10:04Die Frage ist doch, warum all das plötzlich ein solches Problem zu sein scheint, dass da was umgeschrieben werden müsse?
Der Hinweis auf die Stimmung in Amerika, der Wunsch des Verlages dort Fuss zu fassen und der Wandel hier in Deutschland (mehr Rücksichtnahme, Gender-Diskussionen, Namens-Änderungen) sind in deinen Augen nicht ausreichend?

Das wurde hier alles schon wiederholt genannt, teilweise mit Links oder Quellenangaben belegt. :6F:

Ich kann den Ärger von @Lafayette durchaus verstehen. Natürlich ist es vorzuziehen, wenn ein Wandel durch umdenken und Rücksichtnahme/Akzeptanz und nicht durch Verkaufszahlen bestimmt wird.
Ich persönlich sehe aber schlicht das Ergebnis. Und das kann je nach Umsetzung mehr Rollenspieler begeistern und/oder alte verscheuchen, die ihre Welt zerbröseln sehen.

Grundsätzlich wird doch aber jede bestehende Runde das Aventurien bespielen, das ihnen zusagt.
Die eine Runde lässt Sklavenjäger als Profession zu, eine Andere nicht.

Und am Rande ein Danke an @Rhonda Eilwind für das aufzeigen von wichtigen Fragen und Vergleichen. :6F:
Sowie @Shirwan für das Beisteuern seiner persönlichen Erfahrung.

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Rhonda Eilwind
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Ungelesener Beitrag von Rhonda Eilwind »

@Janko

Danke - und ich habe hier gleich noch ein paar... :ijw:

Ich kenne den Begriff „woke“ gar nicht.

(Auch wenn ich mir aus dem Kontext erschließen kann, was er wohl so etwa bedeutet.)

Aber ich finde nicht, dass man bei Moral in absoluten Kategorien schreiben kann: „Entweder etwas ist rassistisch oder nicht.” - Und daraus ableitet: “Entweder, man lehnt es ab, oder nicht.“

Oder: Man macht es in A, aber in B nicht.

Wie schlimm etwas empfunden wird, hängt sehr vom eigenem Hintergrund ab. Siehe zB den Bericht von Shirwan weiter oben.

Für mich war es zB früher (also, sagen wir bis vor 20 Jahren ) ganz selbstverständlich, dass jemand, der nicht europäisch aussieht, spontan nicht als Deutscher empfunden wird. Denn - Deutsche sehen halt normalerweise anders aus. Nicht alle blond oder so - Türkisch und arabisch war gerade noch drin, aber bei Indisch, asiatisch, afrikanisch war „logisch“, anzunehmen, dass derjenige “vermutlich“ ursprünglich kein Deutscher ist.

Rassistisch fand ich das nicht - ich hatte sonst ja nichts gegen die Betreffenden. Einladend ist es aber auch nicht gerade.

Seit mir das bewusst wurde, und seit ich nicht mehr auf dem platten Land lebe, wo die Völkervielfalt sich in Grenzen hält, sehe ich die Dinge anders, und wenn mir heute jemand wie @Ylara Windmut schreibt, dass ein Schwarzer sich als Deutscher empfindet, ist mein erster Gedanke: „Ja, warum auch nicht?“ Das eine schließt das andere ja absolut nicht aus!

Früher habe ich also in Sachen Zugehörigkeit andere Dinge für normal und unverfänglich gehalten als heute.

Und so ist es doch mit vielem. In Spanien, Ungarn und sicher auch noch woanders ist es nicht akzeptabel, mit unbedeckten Knien und/oder ärmellosem Oberteil eine katholische Kirche zu betreten. Das gilt als absolut respektlos.

Hier kräht da kein Hahn nach, was Deutsche in südlichen Ländern bei Kirchenbesichtigungen gern mal unangenehm überrascht.

Da kann man auch nicht sagen, entweder etwas ist respektlos oder nicht. Denn: In einem Land wird es so empfunden und im anderen nicht.

Also hält man sich an die Gepflogenheiten und berücksichtigt die örtlichen Befindlichkeiten, oder nicht.

Das hat aber nichts mit Doppelmoral zu tun, wenn man berücksichtigt, dass bestimmte Dinge in einem anderen Land - möglicherweise aufgrund einer anderen geschichtlichen Entwicklung - eine andere Bedeutung haben als im eigenen.

Bei den US-Amerikanern ist Hautfarbe und Sklaverei ein wunder Punkt, bei uns wäre es vermutlich alles, was mit Nazis oder Juden zu tun hat. Indern ist das vermutlich alles egal, aber ein Klischee-Indien mit buckelnder Indern und herrschenden Briten in einem viktorianischen Setting fänden sie uU nicht besonders ansprechend.

Ist so. Warum sollte man darauf keine Rücksicht nehmen, dass die Grenzen des Tolerierten zwischen verschiedenen Ländern variieren?
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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Wolfio
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Ungelesener Beitrag von Wolfio »

An einer Stelle möchte ich aber hier doch einmal ein Wort der Ehrlichkeit einwerfen, was bei der Diskussion gerne unter geht:


Die Phantastik und Fantasy im Besonderen zeichnet sich durch ihren Wesenskern darin aus, dass sie Klischees, Stereotypen und Muster benutzt. Die Phantastik kann gar nicht den Anspruch haben, realitätstreu und sogar hyperreal (da ja Dinge gefordert werden, die selbst real nicht erreicht werden) zu sein. Allein das konstruieren von Welten, die quasi eine Utopie darstellen (Kein Rassismus, kein Sexismus, Divers bis ins kleinste Detail, keine sonstigen Benachteiligungen, keine Klischees, etc) kann und muss die Phantastik schlicht nicht leisten.

Wäre es schön, wenn es so eine Welt gäbe? Bestimmt.
Wäre es schön, wenn jede Region/Kultur in einer Fantasywelt realistisch und bis ins Kleinste detailliert stimmig ist? Auf jeden Fall
Ist es merkwürdig bis... *zensiert*... Ansprüche an die Phantastik zu stellen, die ihrem ureigenen Wesenskern widerspricht? ich denke ja.
Kann und sollte Ulisses sich dem Zeitgeist hier beugen und auf SR + PC rücksicht nehmen? Schwierig, ich denke nicht.


Getreu dem Leitsatz "Viele Köche verderben den Brei" sollte man sich im klaren sein, dass ein Produkt, was auf jede oder auch nur möglichst Viele Vorlieben, Gefühle, etc Rücksicht nehmen soll, meistens scheitert, irgendetwas zu werden.
Zum einen, weil die Phantastik eben immer mit Klischees arbeitet, zum anderen, weil die Redaktion einfach nicht die Möglichkeit hat, superrealitätstreu zu Beschreiben. Dafür fehlt einfach die Recherchekapazität.

Vielleicht sollte man immer auch im Kopf haben: Aventurien /Dere ist nun einmal ein europäisches Weltenkonstrukt, dass von einigen Deutschen auf Grundlage von DnD entstand. Da kann man gerne auch einfach mal akzeptieren, dass es die Redax auf eine gewisse Art und Weise gesetzt haben möchte. Da zu fordern, dass einem alles zu 100% oder auch nur 70% gefällt und man nichts "anders sieht"...


Ein Mitspieler von mir hat es mal mit den Worten auf den Punkt gebracht: Phantastik und Fantasy haben Klischee und Stereotyp quasi in ihrer DNA. Aventurien also genau das vorzuwerfen... Gibt es Rassismus gegen Genre?
Wer tatsächliche Realität haben möchte... vielleicht ist einfach eine andere Welt die passendere. Oder man muss es halt für sich persönlich anpassen.



NACHTRAG:

Ich frage mich ja, wann endlich auf die eine Spielerin von meiner letzten Ratcon-Runde Rücksicht genommen wird:

Diese hatte die Runde verlassen, weil es im Gasthof Tierschlachtungen und Spanferkel zu Essen gab. Als Veganerin möchte sie nicht, dass so etwas thematisiert wird. Ihr wird von davon schlecht und sie sieht darin nur (Zitat) "den Blutrausch der Männer an unschuldigen Tieren ausgelebt". Das dürfte kein Einzelfall sein, wenn ich mal einen Blick in Vegan-Gruppen bei Facebook, etc werfe. (Fun fact: Sogar in "Auf ein Wort" aus den DSA-Frühtagen geht sogar Altmeister Kiesow auf exakt so einen Fall ein... )

Ein anderer Spieler hatte sich beschwert, dass Gewalt als Lösung von Konflikten eine Option darstellte. Nicht, dass die Mitspieler das gewählt haben, sondern dass es überhaupt zur Wahl stand.
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Ungelesener Beitrag von chizuranjida »

So, jetzt habe ich mal etwas nachgearbeitet. Es ging zwischenzeitlich ja auch um die Geschlechterverteilung, und ob DSA keinesfalls rassistisch sein könne, weil ja schon die Frauen Gleichstellung hätten, oder so in der Richtung.
Zordan Zornbold hat geschrieben: 25.09.2020 21:02 chizuranjida hat geschrieben: ↑
25.09.2020 17:41
In den meisten aventurischen Kulturen sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Jetzt nimm dir mal ein paar Spielhilfen, Abenteuer und Romane und zähl mal durch, wie viele Männer und Frauen in tragenden Rollen vorkommen, wie viele Herrscher und insgesamt beschriebene NCS Männer und wie viele Frauen sind. Sicher, dass da Gleichverteilung herrscht?

Bist du sicher, das es nicht so ist? Wenn hier schon eine Anschuldigung kommt, dann bitte auch die Quellen aufarbeiten.
Eigentlich sollte derjenige, der behauptet, die Gleichstellung der Geschlechter sei schon umgesetzt, das belegen, finde ich. Aber damit es passiert, habe ich jetzt mal in einigen Spielhilfen durchgezählt. Jeweils nur die beschriebenen Personen im Personenkapitel, inclusive Kästen mit "weiteren XY", die nur namentlich erwähnt werden.

Herz des Reiches: M 57, W 30
Am großen Fluss: M 77, W 56
Unter dem Westwind (nur Gjalsker und Thorwaler, wegen Patriarchats in Andergast): M 24, W 14
Land des Schwarzen Bären (inclusive Norbarden und Goblins): M 54, W 50

Gaaanz toller Beleg für gut umgesetzte Gleichstellung der Geschlechter in den seit Langem gleichberechtigten aventurischen Kulturen. Ich erlaube mir, daraus zu schließen, dass es berechtigt ist, auch beim Umgang mit Kulturen und Rassen kritisch hinzuschauen.
DnD-Flüchtling hat geschrieben: 25.09.2020 20:21 Ernsthaft: Ich hatte so um 2000 schon den Eindruck, dass man - nachdem zu Spielbeginn die meisten relevanten Herrscher männlichen Geschlechts waren - nun in die entgegengesetzte Richtung gehen und demonstrieren wollte "hey, seht her, wie progressiv wir sind und wie toll viele weibliche Herrscherinnen es gibt!" und darum einen nach dem anderen zurückzog und durch eine Frau ersetzte)
Hier kommt wieder Ruth Bader Ginsburg ins Spiel, als sie darauf hinwies, dass 9 Frauen am Supreme Court ein Aufreger sind, 9 Männer dagegen als selbstverständlich hingenommen werden.

Möglicherweise hat es in der Frühzeit von DSA einige Leute gestört, dass die meisten relevanten Herrscher männlich gesetzt waren (oder zumindest als männlich beschrieben) :) . Vielleicht war es so, und die Redaktion hat darauf reagiert und mehr Frauen in Amt und Würden geschrieben. Das gab großen Unmut in der Spielerschaft, war aber noch vor Facebook etc und daher kein moderner Shitstorm.

Auf jeden Fall wurde die Angelegenheit als Problem erkannt, diskutiert und angegangen. Man muss sich solcher Dinge erst bewusst werden, denn mit unserem kulturellen Hintergrund und was man sonst so an Fantasy und Märchen kennt gibt es bestimmte Erwartungshaltungen. Der Baron ist halt ein Mann, der Räuberhauptmann ist halt ein Mann, seine Handlanger sind Männer, und die zu rettende Person ist eine zarte hilflose Prinzessin.
Und genauso nehmen wir hier in Deutschland sicherlich als Standard an, dass sie allesamt weiß sind. Was im Mittelreich wohl auch stimmen dürfte.

Wenn man Gleichstellung/Gleichberechtigung der Geschlechter in der Spielwelt wirdklich umsetzen will, so dass es in den Köpfen von Autoren und Spielern ankommt, muss man öfter mal eine Baronin, Räuberin, oder einen zu rettenden Prinzen/Kauffrauensohn/... einbauen. In diversen Funktionen, wo man ohne Nachdenken Männer einsetzen würde. Die Hufschmiedin, die Stadtgardistin, die schmierige hässliche Streunerin beim Bltanspiel in der Kneipe. Der Kellner statt Schankmaid.

Und genauso muss man auch für das Klischee, ein Aventurier mit Rasse Utulu oder Waldmensch sei entweder Wilder aus dem Urwald oder ein Sklave, Gegenbeispiele bringen, damit das den Leuten bewusst wird.
Ein schwarzer Aventurier kann Bordmagier bei der al'anfanischen Flotte sein; seine Familie wohnt da seit Generationen und er hat überhaupt gar nix mit den Stämmen auf den Waldinseln zu tun. Ein schwarzer Aventurier kann kolonialhorasischer Schriftgelehrter sein, Piratenkapitän aus Charypso oder Praiosgeweihter aus Hôt-Alem auf Pilgerfahrt in Gareth.

Eine bronzehäutige (Rasse Waldmensch) Dame steht meine ich im DSA5-Grundregelwerk oder einem der Magiebände als Archetyp für eine Magierin aus Al'anfa. Leider hat sie die Haare blondiert, so dass man nicht so sieht, dass es in Al'anfa normal ist, wenn jemand mit Waldmschen-Aussehen eine hohe gesellschaftliche Position einnimmt. Aber das ist für mein Empfinden ein Schritt in die richtige Richtung.

Wenn man setzt, dass in bestimmten Kulturen kein Rassismus gegenüber dunkelhäutigen Menschen herrscht (namentlich Al'anfa und Tulamiden), muss man Beispiele bringen, um das deutlich und den Lesern bewusst zu machen. Selbstverständlich nicht so, dass im ganzen Regelwerk gleich viele Zeichnungen von "Mohas"/Utulus kommen wie von Weissen. (Für Nivesen wird das wohl auch niemand fordern.) Mehr als die Hälfte aller Aventurier sind von der Rasse her Mittelländer, und vom Rest die meisten Tulamiden. Waldmenschen und Utulus sind winzige Minderheiten.

Aber das Regelwerk sollte eben nicht mit dem Gedanken herangehen, jeder Held, der als Rasse Waldmensch wählt, käme direkt aus dem Urwald. Der kann Tulamide aus Khunchom sein, Stadtschreiber in Chorhop, oder in Drôl eine vegane Taco-und-Tamales-Bude betreiben.
Um das zu erreichen, braucht es etliche solcher Beispiele. Da sollte auch in einer Tulamiden-SH mal so jemand auftauchen, eine dunkelhäutige al'anfanische Grandessa oder Geweihte im Ausland auftauchen, eine Matrosin auf einem bornischen Pott aus Port Stoerrebrandt schwarz oder bronzehäutig sein.

Ich stelle mir zB für Al'anfa eine Illustration vor von StadtgardistInnen an einem Stand mit Marasfladen oder in Palmöl frittierten Teigkringeln mit Zuckerguss. Drei oder vier GardistInnen, davon wenigstens eine Frau. Schwarz, weiß, braun (Waldmensch), tulamidisch oder irgendwas dazwischen. Der/die Verkäufer/in würde maraskanisch aussehen, und warum sollte nicht im Hintergrund noch ein Achaz vorbeilaufen?
Sollte Amis doch gleich heimelig vorkommen, Polizisten mit Donuts oder Pizza. :)

Im Übrigen volle Zustimmung zu @Rhonda Eilwind .
"Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Al'Anfa wieder eins drauf kriegen wird."
- Alrik der Ältere

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Ungelesener Beitrag von Seidoss-Anima von Seelenheil »

Wolfio hat geschrieben: 28.09.2020 10:59 Die Phantastik und Fantasy im Besonderen zeichnet sich durch ihren Wesenskern darin aus, dass sie Klischees, Stereotypen und Muster benutzt. Die Phantastik kann gar nicht den Anspruch haben, realitätstreu und sogar hyperreal (da ja Dinge gefordert werden, die selbst real nicht erreicht werden) zu sein. Allein das konstruieren von Welten, die quasi eine Utopie darstellen (Kein Rassismus, kein Sexismus, Divers bis ins kleinste Detail, keine sonstigen Benachteiligungen, keine Klischees, etc) kann und muss die Phantastik schlicht nicht leisten
Das sehe ich genau so.

Für den letzten Feinschliff (die praiosgewollte Ständeordnung ist ein FAKTUM? Beendigung der Sklaverei in Al'anfa? Aufhebung der sexistischen Männerverachtung bei den Amazonen?...... ) sind doch die einzelnen Spieltische da :)
"Ich verachte niemanden. Mein Hass trifft jene, die verachten" - Bertolt Brecht.

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Ungelesener Beitrag von Timonidas »

chizuranjida hat geschrieben: 28.09.2020 14:38Eigentlich sollte derjenige, der behauptet, die Gleichstellung der Geschlechter sei schon umgesetzt, das belegen, finde ich. Aber damit es passiert, habe ich jetzt mal in einigen Spielhilfen durchgezählt. Jeweils nur die beschriebenen Personen im Personenkapitel, inclusive Kästen mit "weiteren XY", die nur namentlich erwähnt werden.

Herz des Reiches: M 57, W 30
Am großen Fluss: M 77, W 56
Unter dem Westwind (nur Gjalsker und Thorwaler, wegen Patriarchats in Andergast): M 24, W 14
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Gaaanz toller Beleg für gut umgesetzte Gleichstellung der Geschlechter in den seit Langem gleichberechtigten aventurischen Kulturen. Ich erlaube mir, daraus zu schließen, dass es berechtigt ist, auch beim Umgang mit Kulturen und Rassen kritisch hinzuschauen.
Und du bist dir sicher dass es nicht eher daran liegt dass die meisten Autoren männlich?

Dem Rest deines Beitrages würde ich mal zustimmen, das dunkelhäutige Personen oft in der Sklaven/Wildenrolle landen ist sicher ein unbewusstes Klischee dass viele Autoren mit sich tragen bzw. getragen haben, und solche Klischees gehören aufgebrochen wo es Sinn macht.

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Ungelesener Beitrag von WeZwanzig »

Bezüglich der Geschlechter-Frage möchte ich mich einfach mal einen Beitrag von mir aus einem anderen Thread zitieren:
WeZwanzig @ Cross-gender im Rollenspiel
Das Problem ist, dass Aventurien zwar eine bestätigte Schöpfung hat, Evolution aber trotzdem stattfindet. Merkmale werden vererbt, hatte man einen Elf, Elementar oder sonst was unter seinen Vorfahren, kann man das nach Generationen später im Aussehen feststellen. Bei den aventurischen Hunden und Pferden ist bestätigt, dass manche Rassen aus anderen gezüchtet wurden. Das Leben in Extremsituationen selektiert die best angepassten, weswegen z.B. Waldmenschen, Fjarninger, Trollzacker und Co. einen KO-Bonus bekommen. Magische Eltern erhöhen die Wahrscheinlichkeit selbst magisch zu sein. Der Vorteil "Tierfreund" deutet sogar auf eine Verwandschaft von Mensch/Zwerg/Ork/Goblin und Affen an.

Nimmt man das alles zusammen, dann bedeutet das, dass nach der göttlichen Schöpfung die Lebewesen Aventuriens trotzdem den Gesetzten der Evolution unterliegen. Gäbe es keine Evolution würden Merkmale nicht vererbt werden. Die Haarfarbe eines Kindes würde also z.B. nicht von den Eltern abhängen, sondern volkommen zufällig sein. (Beide Eltern schwarze Haare, Kinder blond, rot, braun,...). Domestikation von Pflanzen und Tieren hätte nie stattfinden können. Es muss also Evolution geben, von daher ist nicht auszuschließen, dass bestimmte Verhaltensweisen evolutionär geprägt sind, trotz Schöpfung.

Außerdem unterscheidet sich aventurische Fortpflanzung nicht von irdischer. Ein Mann kann (theoretisch) im Stundentakt Kinder zeugen. Eine Frau braucht dafür je 9 Monate. Es ist nur logisch, dass sich darauf basierend das Verhalten anpasst, etwa das Frauen bei der Partnerwahl wählerischer sind (in der Biologie female choice genannt).

Schaut man auf die Kulturen, bei denen die Geschlechter nicht gleichgestellt sind (Aranien, Zwerge, Orks, Goblins, Novadi) sieht man stets die gleiche Aufteilung: Männer sind Kämpfer, zuständig für Schutz, Frauen sind Versorger, zuständig für den Haushalt. Unabhängig ob es ein Matriarchat oder Patriarchat ist. Da die Kulturen auch nicht näher miteinander im Austausch stehen scheint es dafür einen für alle Kulturen geltenden Grund zu geben. Es sind tatsächlich fast ausschließlich die güldenländisch geprägten Kulturen, die Gleichberechtigung mitbringen.

Besonders interessant ist noch, wenn wir bei den weihenden Gottheiten in der DZ-Box bei Levthan und Brazoragh ein möglicher Aspekt "Männlichkeit" bei Satuaria ein möglicher Aspekt "Weiblichkeit" ist. Mittels Göttlicher Anrufungen ist es also durchaus möglich, das z.B. ein Leuthanios-Priester jemanden "männlicher" macht. Was natürlich bedeutet, dass es in Aventurien typisch mänliches/weibliches Verhalten geben muss.

Aus diesen Gründen habe ich für mein Aventurien auch schon lange festgelegt, dass Männer und Frauen nicht gleich sind, aber die statistische Aufteilung deutlich mehr Spielraum lässt. Im Durchschnitt sind Männer bei mir z.B. stärker als Frauen, aber Vertreter aller Geschlechter können beide Extreme (sehr stark/sehr schwach) erreichen. Bauarbeiter werden nicht zu 50% Frauen sein, aber vielleicht zu 20%-30%. Einer Schmiedin wird man genau so viel zutrauen, wie einem Schmied, aber es werden mehr Männer im Rat der Schmiedezunft sitzen als Frauen. Das ist der Kompromiss, der für mich bisher am besten funktioniert hat.
Solange man aventurische Biologie nicht komplett retcont und plötzlich der Storch (oder für Aventurien passender: die Eidechse :gardianum: ) die kleinen Kinder bring oder solange man nicht jeglichen fantastischen Realismus aufgibt wird eine Geschlechter-Gleichheit (den Begriff verwende ich rein beschreibend, in keiner Form wertend) nicht möglich sein.
“Protection and power are overrated. I think you are very wise to choose happiness and love.”
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Ungelesener Beitrag von Wolfio »

Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 15:14 Dem Rest deines Beitrages würde ich mal zustimmen, das dunkelhäutige Personen oft in der Sklaven/Wildenrolle landen ist sicher ein unbewusstes Klischee dass viele Autoren mit sich tragen bzw. getragen haben, und solche Klischees gehören aufgebrochen wo es Sinn macht.
Mal die ganz dreiste Frage: Warum?

Warum muss in einer mittelalterlichen Fantasywelt etwas aufgebrochen werden, was man zurecht in diesem Spiel thematisieren kann?
Einfach um des SR Willen? Streichen wir doch dann auch gleich Magie, Dämonologie und Co. Die Anzahl der Menschen, die sich davon nämlich gestört fühlen, dürfte die Zahl der im anderen Fall betroffenen um ein Vielfaches übersteigen. Streichen wir das nun auch? Und mit welchem Recht bzw auf welcher Grundlage?

Wie oben geschrieben: Ich hatte ne Spielerin, die hat die Gruppe verlassen, weil Schlachtung von Tieren und Verzehr von Tieren drin vorkamen. Wenn du alles rausstreichst, was irgendwie "verletzend" sein könnte, dann wird das auf Dauer schlicht Unfug, weil es immer jemanden geben wird, der sich an irgendwas stört.

Ich finde das Lustig-Machen über die Streitenden Königreiche als ewige Streithammel und Hinterwäldler auch nervig bis angreifend, u.a. weil es meine Lieblingsregion ist und ich durch sie zu DSA kam. Ich bin da sicher nicht alleine. Streichen wir da nun das Setting?
Machen wir dann gleich mit den Achaz weiter? Die sehen Menschenopfer nämlich als total dufte an. Streichen wir die doch auch gleich.


In aller Liebe und Freundlichkeit: Wenn euch etwas in DSA als Setting nicht passt, dann ändert es in EURER Runde oder thematisiert es in eurer Runde. Aber nen absoluten Safespace für jede Schneeflocke schaffen, ist einfach nich die Aufgabe der Redax oder der Autoren. Rollenspiel ist dafür da, um der Realität zu entfliehen ODER (!!!!!!) um Themen der Realität in einem anderen Medium zu thematisieren und zu analysieren.
Ich wollte mal dran erinnern, dass es für genau diese Bestrebungen, alles was "offensive" ist zu streichen, bereits einen extra Begriff gibt.
Und dass die ersten großen Bücherverbrennungen des 21 Jhd. genau diese Argumentation zur Grundlage hatten. "Der Autor ist X-phob, deswegen verbrennen wir ihre Bücher".

Weitere... härtere... Kommentare und Vergleiche erspare ich mir, ihr seid alle selbst alt genug.
Zwischen "X ist vorhanden" und "X wird von den Autoren als positiv propagiert" und "X wird von Autoren in einer fiktiven Welt ohne unsere realweltliche Prägung als Alltag akzeptiert" liegen Welten und Grenzen.



PS: Wir sind uns hoffentlich alle im Klaren, dass "Herr der Ringe" mit einem Suizid des Hauptcharakters endet, oder?
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Ungelesener Beitrag von Rhonda Eilwind »

Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 15:14 Und du bist dir sicher dass es nicht eher daran liegt dass die meisten Autoren männlich?
Klar, kann sein - aber dann stellt sich wieder die Frage: Warum sind sie das?

Im übrigen kannte ich zu meiner relativen Jugendzeit gar nicht mal so wenige Autorinnen, die sagten: "Ich schriebe lieber über Männer. Frauengeschichten sind doof!"

Kann man so hinnehmen - oder man fragt sich, warum zu Geier wir das alle einfach fraglos so glauben!
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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chizuranjida hat geschrieben: 28.09.2020 14:38
Zordan Zornbold hat geschrieben:
chizuranjida hat geschrieben:In den meisten aventurischen Kulturen sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Jetzt nimm dir mal ein paar Spielhilfen, Abenteuer und Romane und zähl mal durch, wie viele Männer und Frauen in tragenden Rollen vorkommen, wie viele Herrscher und insgesamt beschriebene NCS Männer und wie viele Frauen sind. Sicher, dass da Gleichverteilung herrscht?
Bist du sicher, das es nicht so ist? Wenn hier schon eine Anschuldigung kommt, dann bitte auch die Quellen aufarbeiten.
Eigentlich sollte derjenige, der behauptet, die Gleichstellung der Geschlechter sei schon umgesetzt, das belegen, finde ich.
Es sollte vielleicht auch einfach jede/r, der/die hier eine Behauptung über etwas Nachprüfbares (weil Niedergeschriebenes) aufstellt, das mit ein paar entsprechenden Quellen belegen. Das hilft für das gegenseitige Verständnis weitaus mehr, als wenn jede/r einfach nur sagt "das ist so" und fördert die Diskussionsqualität.
chizuranjida hat geschrieben: 28.09.2020 14:38 Herz des Reiches: M 57, W 30
Am großen Fluss: M 77, W 56
Unter dem Westwind (nur Gjalsker und Thorwaler, wegen Patriarchats in Andergast): M 24, W 14
Land des Schwarzen Bären (inclusive Norbarden und Goblins): M 54, W 50

Gaaanz toller Beleg für gut umgesetzte Gleichstellung der Geschlechter in den seit Langem gleichberechtigten aventurischen Kulturen.
I beg to differ. Echte Gleichstellung zeichnet sich für mich nicht dadurch aus, dass die Verteilung 50:50 ist. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass es allen 100% egal ist, ob da auch mal ein Ungleichgewicht herrscht, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung (auch 100:0), weil beides trotzdem möglich ist (hat @Herr der Welt so in der Art auch geschrieben, sofern ich ihn da nicht missverstanden habe). Wenn alle Geschlechter als gleichwertig gesehen werden, geht es ausschließlich um die Person an sich, ihre Eigenschaften/Qualifikationen/Erfolge. Da können Graf und Gräfin exakt die gleiche Machtstellung haben und die Rechte Hand kann bei beiden sowohl ein Mann, als auch eine Frau sein. Und dann ist es auch Schnuppe, ob König Wiehießernochgleich nur Töchter geboren wurden, oder Königin Wiehießsienochgleich nur Söhne, die ihnen auf den Thron nachfolgen können.

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Ungelesener Beitrag von Wolfio »

Firuna Tannhaus hat geschrieben: 28.09.2020 18:31 Da können Graf und Gräfin exakt die gleiche Machtstellung haben und die Rechte Hand kann bei beiden sowohl ein Mann, als auch eine Frau sein. Und dann ist es auch Schnuppe, ob König Wiehießernochgleich nur Töchter geboren wurden, oder Königin Wiehießsienochgleich nur Söhne, die ihnen auf den Thron nachfolgen können.
Und hier haben wir, warum das für Dramaturgie und Metaplot eine Katastrophe wäre: Je weniger Probleme es durch Weltsetting gibt, desto weniger Plots gibt es.
Rassismus, Sexismus, Genderismus und Co sind eben auch die Grundlagen für verschiedenste Abenteuer- und Kampagnenplots, in denen genau darauf eingegangen werden kann. Dann muss eben die einzige Tochter des Grafen aus Andergast, wo Frauen nicht herrschen dürfen/sollen, einen Ehemann finden, denn die Helden für sie suchen müssen.
Oder ala Frozen, sie muss sich gegen die männliche Dominanz durchsetzen und den Thron für sich behaupten, auch gegen gewaltsame Versuche, das zu ändern.

Was ist da schlimm oder auch nur ein Problem daran?
Warum muss man krampfhaft versuchen, die eigene Ideologie und Wertvorstellung in eine Fantasywelt zu zwingen, die einem nicht einmal gehört, bzw für die man keine übergeordnete Verantwortung hat, wie es Autoren und Redax nun einmal haben.

Weil sich jemand davon angegriffen fühlen könnte und sich damit unwohl fühlt? Sorry, aber die Welt ist keine Seifenblase.
Und wenn es euch wirklich gar nicht passt: Ignoriert es doch einfach.


Aber warum sollte man deswegen Unmengen an Konflikt- und Rollenspielmateriel streichen?
Ich mein... selbst My little Pony gibt nichts auf 100% (oder auch nur 70%) Wir-sind-alle-tollerant-und-lieb-zueinander. Einige der coolsten Folgen von herausragenden Animes, Geschichten und Filmen und quasi ALLE Spiele, basieren auf Konflikt und Lösung. Fiktion und Rollenspiel ist eben DER Ort, für sowas. Das wussten sogar schon die alten Griechen.
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Ungelesener Beitrag von Ylara Windmut »

Rhonda Eilwind hat geschrieben: 28.09.2020 10:52 [...] dass ein Schwarzer sich als Deutscher empfindet, [...]
Wie war das mit Rassismus? People of Color bedeutet _nicht_ dass der Mensch zwangsläufig "Schwarz" ist.

Dazu:
In Deutschland zählen daher unter anderem Menschen aus der afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Diaspora dazu. Dabei spielt ein eurozentrischer, rassifizierender Blick eine Rolle, der eine Folge der einstigen, nicht aufgearbeiteten Kolonisierung vieler Länder ist.

Aber auch Orientalismus trägt dazu bei, dass Stereotype ständig reproduziert werden. Daher machen auch zum Beispiel Menschen türkischer und arabischer Herkunft Rassismuserfahrungen unter anderem auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, im Bildungsbereich und auch im Kulturbetrieb aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Kultur oder Religion.
Quelle: https://www.diversity-arts-culture.berl ... rson-color
Wolfio hat geschrieben: 28.09.2020 16:35 Warum muss in einer mittelalterlichen Fantasywelt etwas aufgebrochen werden, was man zurecht in diesem Spiel thematisieren kann?
Einfach um des SR Willen? Streichen wir doch dann auch gleich Magie, Dämonologie und Co. Die Anzahl der Menschen, die sich davon nämlich gestört fühlen, dürfte die Zahl der im anderen Fall betroffenen um ein Vielfaches übersteigen. Streichen wir das nun auch? Und mit welchem Recht bzw auf welcher Grundlage?
Die Grundlage ist hier, die Cancel Culture. Weil ich mag das nicht, also haben andere das nicht zu mögen. Ich gehöre einer Minderheit an, also habt ihr _meinen_ Willen zu folgen. Was anderes wird hier nicht praktiziert.

Es wird im Thread immer wieder von Gleichberechtigung gerdet beziehunsgweise das es herzlich egal sein sollte, welchem Geschlecht eine Person nun angehört. Aber entsprechende personen fordern es dann doch auch heraus.

Ich werde hier kurz eine Anleihe aus Amerika nehmen, ohne das auslösende Ereignis als richtig oder falsch zu werten.

Die Schwarze Community ist aus Protest auf die Straße gegangen, weil ein Mann durch Gewalt des Staates sein leben verloren hat. Soweit sind wir noch vollkommen im Demokratiegedanken - etwas läuft falsch, also kann ich mich darüber beschweren.

Aber jetzt geht diese Community hin, wirft Steine, setzte Geschäfte in Brand und, im allgemeinen Chaos, dass dadurch herrscht klaut sich alles zusammen, was sie brauchen könnten.
Das hat nichts mehr mit Demokratie zu tun, sondern bedient nun einmal das Stereotyp, das Schwarze grundsätzlich dumm sind, jegliche Möglichkeit nutzen um sich unrechtmäßig zu bereichern und jeden, der ihnen im Weg ist, einfach umlegen.

Anderes Sterotyp: Asiaten sind allesamt dermaßen intelligent, das sie mit etwas übung alles Perfektionieren. - Sind Maskaraner den wirklich zu überausgeschickt in allem was sie tun? Sind es die realen Japaner? Beides kann man klar verneinen, aber dennoch bestehen diese Sterotypen.

Das beste Beispiel von Rassismus gegen uns selbst ist übrigens das hier: Der Deutsche ist Pünktlich, korrekt und exakt.

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Ungelesener Beitrag von Firuna Tannhaus »

Wolfio hat geschrieben: 28.09.2020 20:53 Was ist da schlimm oder auch nur ein Problem daran?
Ich finde das als Thema/Setting völlig ok. Ich teile da Deine Sicht, dass das spannend ist, solche Konflikte im Abenteuer zu bespielen. Ich glaube, das habe ich auch weiter vorne schonmal geschrieben.

Ich bezog mich jedoch auf den von mir zitierten Beitrag, in dem dargelegt wurde, dass in den genannten RSH ein Ungleichgewicht der Geschlechter zugunsten von männlichen NSCs besteht. Es wurde suggeriert, dass diese ungleiche Verteilung ein Beweis für mangelnde Umsetzung der Gleichheit zwischen den Geschlechtern im in weiten Teilen egalitärem Aventurien (was ja Setzung ist) sei. Dem habe ich widersprochen. Tut mir leid, wenn das missverständlich ausgedrückt war.

Noch eine Bemerkung:
Ich halte es trotzdem für plausibel, dass auch in den Gebieten Aventuriens, in denen die Geschlechter grundsätzlich als gleichwertig betrachtet werden, es Menschen gibt, die sie eben nicht als vollkommen gleich sehen. Und auch, dass es dort Menschen gibt, die den Geschlechtern gewisse stereotypische Verhaltensweisen zuschreiben. Warum auch nicht? Auch die Menschen Aventuriens sind durch ihre Erfahrungen geprägt und haben auch (Nachteil) Vorurteile.

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Ungelesener Beitrag von Rhonda Eilwind »

@Ylara Windmut

Danke für die Aufklärung!

Das wusste ich tatsächlich nicht.

Wie ich schon mal schrieb, ich bin auf diesem
Feld nicht sehr beschlagen, und es ist ziemlich leicht, mich auf‘s Glatteis zu führen, wenn es an‘s Vokabelschwingen geht. :)

Es ist aber doch eigentlich für mein Argument auch unerheblich. Was ändert sich denn an meinem Satz, vom Sachinhalt her, wenn ich PoC schreibe?

Was rechtfertigt ein Ausrufezeichen hinter dem Umstand, dass er sich als Deutscher empfindet?

Und nein, ich finde nicht, dass jemand mir folgen muss - ich weiß nichtmal, ob ich eine Minderheit bin und bei Cancel Culture muss ich schon wieder die Waffen strecken. Canceln will ich auch nix.

Sicher, dass du nicht irgendwas canceln möchtest?

Ich frage aber noch mal in die Runde - was - abgesehen von den in der Branche wet herum üblichen Anpassungen an ausländische Gepflogenheiten bei dem Export ins Ausland, macht Ulisses denn neuerdings in seinen Publikationen, dass es rechtfertigt, dass hier der Untergang des Abendlandes beschworen wird?
Was wurde ersatzlos gestrichen? Wie viele Bücher umgeschrieben? Wem IT eine politisch korrekte Agenda gegeben und wem OT der Mund verboten?

Und: Was habe ich mit dieser Frage herausgefordert? Oder bezog sich das gar nicht auf mich?

Wenn nicht, auf wen dann und wie war es gemeint?
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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Ungelesener Beitrag von chizuranjida »

Wolfio hat geschrieben: 28.09.2020 20:53 Rassismus, Sexismus, Genderismus und Co sind eben auch die Grundlagen für verschiedenste Abenteuer- und Kampagnenplots, in denen genau darauf eingegangen werden kann. Dann muss eben die einzige Tochter des Grafen aus Andergast, wo Frauen nicht herrschen dürfen/sollen, einen Ehemann finden, denn die Helden für sie suchen müssen.
Sehe ich auch so. Deswegen finde ich es grundsätzlich schade, Konflikte einfach wegzuschreiben.
Es gab ja auch lange Diskussionen um die gleichgeschlechtliche Ehe in Aventurien, die lange ein Alleinstellungsmerkmal Maraskans war, dann aber auf einmal in ganz Aventurien üblich und anerkannt und sogar von der Traviakirche abgenickt, die sich in früheren Regelwerken noch eindeutig dagegen gestellt hatte.
Das alles einfach per Retcon, ohne dass eine inneraventurische Entwicklung gezeichnet worden wäre, wo man die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe hier und da in Aventurien durch Rahja- oder Tsakirche, einflussreiche Einzelpersonen oder sonstwie zu Abenteuern hätte verarbeiten können. Das ist für mein Empfinden ein Verlust.

Und so würde ich es auch als Verlust sehen, wenn urplötzlich kein Aventurier mehr rassistisch drauf wäre. Da ginge Konfliktpotential verloren.

Wichtig ist mir der Unterschied zwischen Rassismus der Aventurier untereinander, und im Regelwerk eingebautem.

Wenn die Stadtgardistin in Perricum am Hafen den schwarzen Al'anfaner anspricht: "Du gutt Matrose oder du bös Menschenfresser von den Waldinseln? Du hier nix fressen Mensch, verstehen? Hier Mittelreich. Hier nix fressen Mensch, hier wir ess gutt Schlotzstollen. SCHLOTZSTOLLEN." Das ist inneraventurischer Rassismus.
(Hier könnte der humoristische Korgeweihte aus diesem Thread Humoristischer Kor-Geweihter seinen Einsatz haben: "Ich bös Menschenfresser. Ich ganz bös Menschenfresser.") :P

Aber Regel- und Hintergrundbände sollten nicht mit der Vorstellung drangehen, zB wie in DSA2 ein Moha-Held habe entlaufener Sklave zu sein, oder solche Sachen.

Ich sage nochmal, wenn die Redaktion jetzt darauf achten will, dass in Al'Anfa kein Rassismus herrscht und dass dort auch farbige Aventurier (und grüne Uthurier) frei herumlaufen und zu Macht und Einfluss gelangen können, dann ist das nicht neu. Damit wird nur endlich umgesetzt, was schon immer in den Hintergrundbänden stand.
Es wird nur jetzt endlich darauf geachtet, das auch in anderen Texten umzusetzen und den Spielern so bewusst zu machen.

Damit nimmt man niemandem irgendwas weg wie bei den gewaltfreien veganen Tischrunden. Es wird nur auf etwas hingewiesen, was oft übersehen wurde. Und das finde ich persönlich gut.
Ylara Windmut hat geschrieben: 28.09.2020 21:17 Anderes Sterotyp: Asiaten sind allesamt dermaßen intelligent, das sie mit etwas übung alles Perfektionieren. - Sind Maskaraner den wirklich zu überausgeschickt in allem was sie tun?
Sicher sind Maraskaner überaus geschickt. Sie sind nur keine Asiaten. :)
Firuna Tannhaus hat geschrieben: 28.09.2020 18:31 Echte Gleichstellung zeichnet sich für mich nicht dadurch aus, dass die Verteilung 50:50 ist. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass es allen 100% egal ist, ob da auch mal ein Ungleichgewicht herrscht,
Schon. Und dass ich in 4 Büchern über Kulturen mit Gleichberechtigung nachgesehen habe und in allen die Männer überwiegen belegt so an und für sich, dass das reiner Zufall sei?
"Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Al'Anfa wieder eins drauf kriegen wird."
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Wolfio hat geschrieben: 28.09.2020 16:35Warum muss in einer mittelalterlichen Fantasywelt etwas aufgebrochen werden, was man zurecht in diesem Spiel thematisieren kann?
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Die Frage warum kann ich dir beantworten, Aventurien bietet die Möglichkeiten dunkelhäutige Helden zu spielen, was ja was gutes ist, allgemein, aber insbesondere für Leute die selbst dunkelhäutig sind weil sie das nachvollziehbarerweise oft einfach wollen. Ich habe jetzt ein paar Abenteuer geleitet und gelesen in denen dunkelhäutige Menschen eine Rolle spielen, und bisher traten sie meistens als A) Wilde B) Sklaven C) Entlaufene/Befreite Sklaven auf, dabei bietet Aventurien auch genug Möglichkeiten dunkelhäutige Menschen darzustellen die Teil einer zivilisierten Gesellschaft sind. Was das mit mittelalterlich, Fantasy oder dem Thematisieren von Sklaverei zu tun hat musst du mir aber erklären.
Wolfio hat geschrieben: 28.09.2020 16:35Streichen wir doch dann auch gleich Magie, Dämonologie und Co. Die Anzahl der Menschen, die sich davon nämlich gestört fühlen, dürfte die Zahl der im anderen Fall betroffenen um ein Vielfaches übersteigen. Streichen wir das nun auch? Und mit welchem Recht bzw auf welcher Grundlage?

Ich finde das Lustig-Machen über die Streitenden Königreiche als ewige Streithammel und Hinterwäldler auch nervig bis angreifend, u.a. weil es meine Lieblingsregion ist und ich durch sie zu DSA kam. Ich bin da sicher nicht alleine. Streichen wir da nun das Setting?
Machen wir dann gleich mit den Achaz weiter? Die sehen Menschenopfer nämlich als total dufte an. Streichen wir die doch auch gleich.

In aller Liebe und Freundlichkeit: Wenn euch etwas in DSA als Setting nicht passt, dann ändert es in EURER Runde oder thematisiert es in eurer Runde. Aber nen absoluten Safespace für jede Schneeflocke schaffen, ist einfach nich die Aufgabe der Redax oder der Autoren. Rollenspiel ist dafür da, um der Realität zu entfliehen ODER (!!!!!!) um Themen der Realität in einem anderen Medium zu thematisieren und zu analysieren.
Ich wollte mal dran erinnern, dass es für genau diese Bestrebungen, alles was "offensive" ist zu streichen, bereits einen extra Begriff gibt.
Und dass die ersten großen Bücherverbrennungen des 21 Jhd. genau diese Argumentation zur Grundlage hatten. "Der Autor ist X-phob, deswegen verbrennen wir ihre Bücher".
Wie stellst du von "Klischees aufbrechen" die Verbindung zu Achaz streichen und Bücher verbrennen her?
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 28.09.2020 17:51Klar, kann sein - aber dann stellt sich wieder die Frage: Warum sind sie das?
Weil die meisten Rollenspieler männlich sind. Weil das Hobby eben eher Männer/Jungs anspricht als Frauen/Mädchen. Daran hat sich auch nichts geändert, der Anteil der Frauen ist vielleicht gestiegen, aber die meisten Rollenspiel bzw. DSA Enthusiasten sind nach wie vor Männer, das heisst auch in Zukunft werden wir tendenziell mehr männliche Autoren haben. Und damit werden wohl auch in Zukunft tendenziell mehr männliche Charaktere geschrieben, wobei dass ja keinen stören sollte, schließlich ist auch die Mehrheit der Konsumenten männlich.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 28.09.2020 17:51Im übrigen kannte ich zu meiner relativen Jugendzeit gar nicht mal so wenige Autorinnen, die sagten: "Ich schriebe lieber über Männer. Frauengeschichten sind doof!"

Kann man so hinnehmen - oder man fragt sich, warum zu Geier wir das alle einfach fraglos so glauben!
Ich persönlich spiele nur ungern weibliche Charaktere und schreibe ungern aus ihrer Perspektive (was ich aber als SL beides öfter machen muss), ich finde die Qualität meiner Arbeit leidet nicht darunter dass es statistisch etwas weniger weibliche als männliche NSCs gibt, eher im Gegenteil. Für andere mag das anders sein, aber es ist für mich niemals ein Qualitätsmerkmal, ausser natürlich die weiblichen Charaktere sind ermüdend zu lesen weil man sofort erkennt dass ein männlicher Autor in ihnen bestimmte persönliche Ideale integriert hat, oder weil er irgendwelche Fantasien projeziert. Andersherum ist es mir bisher nicht untergekommen, gibt es aber sicher auch.
Ylara Windmut hat geschrieben: 28.09.2020 21:17People of Color bedeutet _nicht_ dass der Mensch zwangsläufig "Schwarz" ist.
Stimmt, People of Color bedeutet farbige Menschen, so gut ist mein Englisch noch.
Ylara Windmut hat geschrieben: 28.09.2020 21:17Sind Maskaraner den wirklich zu überausgeschickt in allem was sie tun? Sind es die realen Japaner? Beides kann man klar verneinen, aber dennoch bestehen diese Sterotypen.
Der Maraskaner definiert sich nicht zuletzt durch seinen Glauben an die Schöpfergottheit Rur, das Wissen und die Erkenntnis über die zwei wahren Götter, die absolut vollkommene Form des Weltendiskus und die zweifelsfreie Schönheit der Schöpfung Rurs prädestinieren ihn dazu dem Festenländer in jeder Geistesangelegenheit überlegen zu sein. Deshalb ist es wohl kein Stereotyp sondern die Wahrheit, dass der Maraskaner überaus geschickt ist, in allem ist das er tut! Er ist klüger, den er ist wissend. Er ist mutiger, den er weiss um seine Wiedergeburt. Er ist schöner, den er erkennt die Schönheit in allem. Und er ist schneller, den er überspringt beim zählen die meisten Zahlen. Nur ein Asiate, das ist er nicht.

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Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Ich habe jetzt ein paar Abenteuer geleitet und gelesen in denen dunkelhäutige Menschen eine Rolle spielen, und bisher traten sie meistens als A) Wilde B) Sklaven C) Entlaufene/Befreite Sklaven auf, dabei bietet Aventurien auch genug Möglichkeiten dunkelhäutige Menschen darzustellen die Teil einer zivilisierten Gesellschaft sind.
Danke sehr. Genau das fände ich gut. Damit verliert doch keiner was, sondern man gewinnt noch was dazu!
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Wie stellst du von "Klischees aufbrechen" die Verbindung zu Achaz streichen und Bücher verbrennen her?
Das frage ich mich auch schon lange.
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Rhonda Eilwind hat geschrieben: ↑
28. Sep 2020, 17:51
Klar, kann sein - aber dann stellt sich wieder die Frage: Warum sind sie das?

Weil die meisten Rollenspieler männlich sind. Weil das Hobby eben eher Männer/Jungs anspricht als Frauen/Mädchen. Daran hat sich auch nichts geändert, der Anteil der Frauen ist vielleicht gestiegen, aber die meisten Rollenspiel bzw. DSA Enthusiasten sind nach wie vor Männer,
Ja, ok, da hast du sicher Recht - zu meiner aktiven Zeit war das natürlich auf jeden Fall so, und ich denke immer noch, die Männer überwiegen.

Ich kam nur kurz durcheinander - ich verfolge gerade in einer anderen Community eine ähnliche Diskussion (was ein Grund ist, warum ich mich hier gerade wieder eingeklinkt habe), und da meinte jemand (übrigens eine Frau): "Na, dass auf die Frage "Was ist dein Lieblings-Filmheld oder dein Lieblings-Roman-Protagonist" (gemeint sind aber explizit Männer und Frauen)fast nur Männer genannt werden und Frauen nicht mitgedacht werden, liegt auch daran, dass die Protagonisten überwiegend Männer sind!" - ME beißt sich da die Katze in den Schwanz.

Aber aufs RPG hast du absolut Recht, da ist ein Grund sicher, dass die ausführenden denkenden Autoren auch fast alles Männer sind. Aber es zieht sich - teils wie gesagt mit der oben von mir genannten Begründung - ja auch noch durch andere Felder der Literatur usw.
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Stimmt, People of Color bedeutet farbige Menschen, so gut ist mein Englisch noch.
Ich konnte mich nur noch dunkel erinnern, dass wir es in Englisch in der Schule mal als damals relativ neue Bezeichnung für "Schwarze Menschen" gelernt haben, die ja gar nicht immer schwarz wären. - Aber vermutlich habe ich den Rest - dass es nämlich auch noch andere relativ dunkelhäutige ("nicht weiße") Leute betrifft - entweder damals nicht verstanden oder einfach vergessen. Dabei ist es eigentlich vollkommen logisch.
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 ich finde die Qualität meiner Arbeit leidet nicht darunter dass es statistisch etwas weniger weibliche als männliche NSCs gibt, eher im Gegenteil. Für andere mag das anders sein, aber es ist für mich niemals ein Qualitätsmerkmal,
Es stört mich nicht. Da geht es mir wie - PoC - ich bin schon ziemlich lange dran gewöhnt, dass es flächendeckend so ist. ;)

(Wobei man fairerweise sagen muss: In Schul- Bilder- und auch Jugendbüchern scheint es deutlich fairer verteilt zu sein, mittlerweile, und das relativ unverkrampft. - Vielleicht mittlerweile sogar mit einem leichten Überhang an Mädchen-Literatur, weil Mädchen halt immer noch insgesamt etwas lieber lesen als Jungs. - Kann ich aber nichts zu sagen, weil ich keine Töchter habe und meine Söhne keine Mädchenbücher lesen wollen.)
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27
Er ist klüger, den er ist wissend. Er ist mutiger, den er weiss um seine Wiedergeburt. Er ist schöner, den er erkennt die Schönheit in allem. Und er ist schneller, den er überspringt beim zählen die meisten Zahlen. Nur ein Asiate, das ist er nicht.
Ja, schade aber auch... :ijw:

Vielen Dank für deine Ausführungen.
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Gut, ich antworte dir mal recht ausführlich. Ein großes SORRY für die Admins, die das alles durchgucken müssen ;)

Warum muss in einer mittelalterlichen Fantasywelt etwas aufgebrochen werden, was man zurecht in diesem Spiel thematisieren kann?
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Die Frage warum kann ich dir beantworten, Aventurien bietet die Möglichkeiten dunkelhäutige Helden zu spielen, was ja was gutes ist, allgemein, aber insbesondere für Leute die selbst dunkelhäutig sind weil sie das nachvollziehbarerweise oft einfach wollen.
Warum ist das etwas "gutes"? Wäre es "schlecht" oder "böse" wenn man es nicht könnte? Es gibt unzählige Fantasy- und Nicht-Fantasysettings, in denen das nicht der Fall ist, einfach, weil es keine dunkelhäutigen Menschen gibt oder asiatische oder oder oder. Ob es so eine Möglichkeit gibt, ist weder "gut" noch "schlecht". Es ist eine künstlerische Entscheidung, die man einfach so akzeptieren sollte. Wenn alle Mittelländer grüne Haut und alle Tulamiden violette Haut hätten, wäre das genau so legitim und zu akzeptieren, als bei allen anderen Farben. Das Setting sieht es so vor, also ist das einfach so. Ganz neutral.
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Ich habe jetzt ein paar Abenteuer geleitet und gelesen in denen dunkelhäutige Menschen eine Rolle spielen, und bisher traten sie meistens als A) Wilde B) Sklaven C) Entlaufene/Befreite Sklaven auf, dabei bietet Aventurien auch genug Möglichkeiten dunkelhäutige Menschen darzustellen die Teil einer zivilisierten Gesellschaft sind.
Mag jetzt banal klingen: Aber dann spielst du bzw liest du die falschen Abenteuer. Al-Fessir aus dem AB "Der Händler" ist explizit ein Novadi, der Garethi kaum spricht. Der ist nichts von den drei Sachen. Er ist sogar der moralisch deutlich bessere NSC. Der Greif war einer DER wichtigsten NSC des Mittelreichs und Utulu. Bei den Waldmenschen steht es ähnlich. Der Vorsteher des Rahja-Tempels in Gareth ist z.B. ein Waldmensch. Der wurde sogar schon 3x zum Geliebten der Göttin erwählt. Etc.
Hier mag es einfach mal helfen, andere ABs zu lesen. Zudem sind Waldmenschen und Utulus nun einmal (wie von anderen schon erwähnt) selten. Selbst wenn es im Horasreich vllt 100 Utulus oder Waldmenschen geben sollte, dann müssen die erstmal in einem AB vorkommen, damit man sie bemerkt. Und wenn die dann als "Wilde", "Ex-Sklaven" oder "Sklaven" gesetzt werden, liegt das weniger an Aventurien, als an Autoren, die mal wieder die Regionalbeschreibung für Lava gehalten haben.
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Was das mit mittelalterlich, Fantasy oder dem Thematisieren von Sklaverei zu tun hat musst du mir aber erklären.
Einen Teil der Erklärung siehst du oben, einen anderen liefere ich dir jetzt: In einer mittelalterlichen Welt sind Reise und Bevölkerungsaustausch immer eine Sache für sich. Deswegen finde ich auch Asiaten, Dunklehäutige oder noch schöner Inder in "Robin Hood" Verfilmungen schwierig. Vor allem in höheren Positionen. Wenn dann der Hauptmann der Königsgarde Englands ein zu damaliger Zeit "Sarazene" oder "Maure" ist... passt halt nur bedingt ins Setting. Wenn, braucht es eine Erklärung.

Und genau da liegt halt auch in DSA der Hase im Pfeffer: Wenn thematisiert wird, warum XY in einer Region verbreitet ist, etwa "bronzefarbene Haut wie ein Waldmensch" bei den Al'Anfanern. Oder Exilmaraskaner in Festum oder Gareth, etc.
Nun bieten sich solche Welten aber eben auch genau dafür an, solche Dinge zu thematisieren. Warum gibt es Sklaverei? Warum sehen die Menschen in Region A das als böse, in B aber als völlig ok? Es gab real z.B. ganze Zivilisationen, die ohne Sklaverei kaum eine "Hochkultur" entwickelt hätten. Sowas muss man eben dann in Regionalbeschreibungen thematisieren und nicht streichen.
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Wie stellst du von "Klischees aufbrechen" die Verbindung zu Achaz streichen und Bücher verbrennen her?
Die Grundidee von "Klischees aufbrechen" ist, dass es Dinge gibt, die moralisch als verwerflich zu sehen sind, weswegen man sie nicht "weitertragen" sollte. Hier hast du nun 2 Optionen: Du baust weiterhin diese Klischees ein, thematisiert dies aber entsprechend. Die andere Option ist, du streichst den entsprechenden Part. Menschenopfer, Sklaverei, Sexismus und Rassismus hatten wir ja als "verwerflich" gesetzt. Wir streichen dies also.

Aber wie komm ich davon nun zu Bücherverbrennungen: Hier hilft ein Blick auf Twitter und den Universitätsdiskurs: verschiedenste Gruppen haben dazu aufgerufen, Texte von Goethe und Co wegen ihren "sexistischen, antiquierten Frauenbildern aus den Schulbüchern zu streichen".
Auf Twitter gab es nun wiederholt den Aufruf, Bücher von J.K.Rowling zu verbrennen, weil deren transphob wahrgenommene Äußerungen so ein Tabubruch dargestellt habe. Tatsächlich gab es mehrere "ehemalige Fans", die daraufhin ihre alten Harry Potter-Bücher verbrannt haben, eben mit der Begründung, dass Rowling nicht "Klischees aufbrechen" wollte, bzw sich nicht dem Zeitgeist fügen wollte.
Und sorry, aber das ist die logische Konsequenz, wenn Ulisses hier nicht den Forderungen nachgibt, weswegen es für den Verlag so schwierig ist. Es endet ja heutzutage nicht mehr damit, dass die Personen einfach keine DSA-Bücher mehr kaufen. Du willst als Verlag nicht derjenige in der Branche sein, der "Sexismus, Rassismus und rechtes Gedankengut fördert", egal ob das nun stimmt oder nicht.
Timonidas hat geschrieben: 28.09.2020 23:27 Weil die meisten Rollenspieler männlich sind. Weil das Hobby eben eher Männer/Jungs anspricht als Frauen/Mädchen. Daran hat sich auch nichts geändert, der Anteil der Frauen ist vielleicht gestiegen, aber die meisten Rollenspiel bzw. DSA Enthusiasten sind nach wie vor Männer, das heisst auch in Zukunft werden wir tendenziell mehr männliche Autoren haben. Und damit werden wohl auch in Zukunft tendenziell mehr männliche Charaktere geschrieben, wobei dass ja keinen stören sollte, schließlich ist auch die Mehrheit der Konsumenten männlich.
Das halte ich für einen Zirkelschluss. Ob die Mehrzahl der Nutzer männlich oder weiblich ist, hat mit der Geschlechtlichkeit von beschriebenen NSCs nur bedingt etwas zu tun. Wie andere bereits erwähnt haben, gibt es einfach sehr persönliche Vorlieben, was die Wahl des Protagonisten der eigenen Geschichte angeht. Das kann mit dem eigenen Geschlecht übereinstimmen, muss es aber nicht. Hier wäre tatsächlich mal eine größere Studie interessant, wie hier die Verteilung in der Literatur ist, auch nach Genre getrennt. Ich hatte mal eine Hausarbeit recherhiert, die sich mit dem Thema im Ansatz beschäftigt hat. Von den 7 Autoren und Autorinnen bekam ich weitgehend die selbe Antwort (u.a. Lena Falkenhagen): Das Geschlecht ist den meisten egal. Es ist ein Konzept, dass sie darstellen wollen und daran orientiert sich dann, ob der Protagonist männlich, weiblich oder nichts davon ist. Und ja, auch hierbei spielen Klischee und Stereotyp als Kern-DNA von Phantastik und Fantasy sicher eine Rolle. Die Rolle des Kämpfers und Verteidigers der Gruppe fällt eben doch oftmals dem Mann zu. Kann man doof finden... oder akzeptieren, dass es den Autoren so besser gefällt.

Zumal auch hier dazukommt: Ob da nun im Spiel ein Alrik oder eine Alrike vor mir steht... ist mir als Spieler und Sl gleichermaßen egal. Mein SC wird evtl anders auf die Person reagieren, aber auch nur, weil Männer und Frauen eben unterschiedlich sind. Auch in DSA.

[quote="Rhonda Eilwind" hat geschrieben: 29.09.2020 00:03 Im übrigen kannte ich zu meiner relativen Jugendzeit gar nicht mal so wenige Autorinnen, die sagten: "Ich schriebe lieber über Männer. Frauengeschichten sind doof!"

Kann man so hinnehmen - oder man fragt sich, warum zu Geier wir das alle einfach fraglos so glauben!
Weil wir jedem Kpnstler die freie Wahl lassen, was ihm/ihr Spaß macht zu beschreiben? Ich mein... ich spiel auch lieber DSA als SR, weil ich das Setting doof finde. Das wirst du mir doch auch glauben, statt es zu hinterfragen und mich unbedingt von SR überzeugen zu wollen ;)
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 00:03 und da meinte jemand (übrigens eine Frau): "Na, dass auf die Frage "Was ist dein Lieblings-Filmheld oder dein Lieblings-Roman-Protagonist" (gemeint sind aber explizit Männer und Frauen)fast nur Männer genannt werden und Frauen nicht mitgedacht werden, liegt auch daran, dass die Protagonisten überwiegend Männer sind!" - ME beißt sich da die Katze in den Schwanz.
Ich bin mir nicht sicher, ob man solche Personen überhaupt ernst nehmen kann oder sollte. In Konsequenz würde das ja bedeuten, dass bei tatsächlicher 1:1-Verteilung die Vorlieben bei "Lieblingscharakter aus Belletristik" ebenfalls eine gleiche Verteilung zustande kommen müsste. Oder zumindest annähernd. Daran habe ich doch sehr große Zweifel. Ich lese z.B. sehr gerne Bücher mit weiblichen Protagonisten, wenn die Geschichte spannend und die Idee/Konzeptidee gut ist.
Tatsächlich dürfte die Verteilung viel eher daran schwächeln, dass die irrige Idee, dass Frauen/Mädchen sich doch nicht mit Jungs/Männern identifizieren sollen müssen. Dadurch wird das überhaupt erst ein Problem. Inwieweit die wissenschaftlich belegte Tatsache mit hineinspielt, dass Frauen sich eher für Menschen, Männer hingegen für Dinge interessieren (wohlgemerkt: Im Durchschnitt), wäre auch zu fragen. Dass vor allem die Romantasy (Romantik-Fantasy) weiblich dominiert ist, mag da zumindest einen Ansatz bieten. Wie stark sich Lieblingscharakter und Wunschpartner dann noch überschneiden... sicher auch nochmal eine Frage, die man klären müsste.

Wichtigster Aspekt ist und bleibt aber sicher: Wie ist der Charakter insgesamt konzipiert und in welchem Kontext agiert die Figur.

Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 00:03 Aber aufs RPG hast du absolut Recht, da ist ein Grund sicher, dass die ausführenden denkenden Autoren auch fast alles Männer sind. Aber es zieht sich - teils wie gesagt mit der oben von mir genannten Begründung - ja auch noch durch andere Felder der Literatur usw.
Womit die Aussage doch eigentlich widerlegt ist, oder? Ich meine: Selbst wenn 50% Männer und 50% Frauen für DSA zuständig wären, würde sich doch trotzdem keine 50:50-Verteilung bei wichtigen NSCs ergeben.
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Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 01:52 Und wenn die dann als "Wilde", "Ex-Sklaven" oder "Sklaven" gesetzt werden, liegt das weniger an Aventurien, als an Autoren, die mal wieder die Regionalbeschreibung für Lava gehalten haben.
Ja, korrekt. Aber genau darum geht es doch u.a. - oder nicht?
Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 01:52 Die Grundidee von "Klischees aufbrechen" ist, dass es Dinge gibt, die moralisch als verwerflich zu sehen sind, weswegen man sie nicht "weitertragen" sollte.
Das sehe ich nicht so. Für mich ist die Grundidee von Klischees aufbrechen erstmal, dass Klischees immer nur der erste Schritt sein können. Egal um welche Klischees es sich handelt. Wirklich interessant wird es oft erst, wenn es noch mindestens einen Schritt weiter geht.

Wenn man ein Klischee ausmoralischen Gründen brechen möchte, dann evtl. deswegen, weil man die Folgen davon, dass man es weiterträgt, für schlimmer hält als die Folgen davon, dass man es beibehält. D.h., man verwirft es nicht aus Prinzip, "weil man es für verwerflich hält" und nicht sein kann, was nicht sein darf, sondern man hält es für verwerflich, weil man meint, dass es mehr real vorhandenen Personen schadet (oder diesen schlimmer schadet) als es anderen real vorhandenen Personen nützt.

Bleibt die Frage, wieviel Schaden ein klischeebehaftetes Spiel im RL anrichten kann.

Ich kann nur noch mal betonen, was @chizuranjida schon mehrmals betont hat: Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen IT-Rassismus und OT-Rassismus. IT-Rassismus (der ja beliebig ausgestaltet werden kann) macht das Spiel interessanter, OT-Rassismus macht es u.U. ärmer.

Wo kommen die beiden nun zusammen?

Genau da:
Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 01:52 Sowas muss man eben dann in Regionalbeschreibungen thematisieren und nicht streichen.
Ich frage ich immer noch, ob die Sklavenhaltung in Südaventurien wirklich gestrichen werden soll. War da ernsthaft jemals die Rede davon?

Oder sollte sie nur umgestaltet werden?

Es war ja gestern die Rede von "cancel culture" - so, wie ich das sehe, hat doch außer denen, die eben dieses befürchten, von canceln noch gar keiner gesprochen? - Auch das Sklavenjäger oder -händler als Heldentyp wird nicht "gestrichen", sondern ist einfach nur nicht mehr in der Einsteigerbox drin, sondern erst in einer Regionalbeschreibung, oder habe ich das falsch verstanden?

Na, wie dem auch sei... Im Grunde geht es doch speziell bei Al'Anfa (wenn man mal von den gstern diskutierten Umarbeitungen für den USA-Export absieht), erstmal darum, das Setting sehr deutlich so zu beschreiben, wie es schon seit längerem gedacht war, aber von den Spielern bisher häufig nicht umgesetzt wurde. Nämlich so, dass es kein wirkliches an die Hautfarbe geknüpftes Statusgefälle in Al'Anfa gibt, wohl aber in einigen tulamidisch geprägten Staaten. Heißt: Es gibt immer noch dunkelhäutige Sklaven, aber eben auch mindestens ebenso viele hellhäutige und evtl. noch grüne und gelbe. ;)

Dadurch verliert das Setting eigentlich nichts. Sondern es kommt etwas hinzu.

Geschrieben war das schon länger. Umgesetzt wurde es bisher anscheinend zu wenig. Warum ist das so?

Da sehe ich zwei mögliche Gründe und Lösungsansätze:

a) Es war nicht deutlich genug beschrieben - das kann man ändern.

Dem einen oder anderen, dem das vorher entgangen war, kommt das dann, will mir scheinen, wie ein regelrechter Umsturz vor. "Das war doch vorher nicht so! - Immer dieses politisch-korrekte Getue!"

b) Es stand alles schon da, aber die Spieler haben es nicht registriert, weil es den Klischees in ihren Köpfen widerspricht. Und das ist der Punkt, wo OT der "strukturelle Rassismus" ins Spiel kommt, der keinem bewussten Gedanken entspringt, sondern den Klischees, die unsere Kultur über die Jahrhunderte so transportiert hat, dass wir sie gar nicht unbedingt bemerken... und die wir auch nur ungern aufgeben, weil sich dadurch ja irgendwie Grundannahmen unseres Weltbildes ändern. (Wie bei einem Haus. Bauarbeiten an den Außenmauern gehen ja noch, aber ans Fundament will keiner ran... :ijw: )

Den hat glaube ich jeder (ich jedenfalls ganz sicher) - aber den zu ändern und dadurch dazu beizutragen, dass das Setting wie gewünscht funktioniert, das geht eben nur, wenn man ihn OT anspricht.
Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 01:52 Womit die Aussage doch eigentlich widerlegt ist, oder? Ich meine: Selbst wenn 50% Männer und 50% Frauen für DSA zuständig wären, würde sich doch trotzdem keine 50:50-Verteilung bei wichtigen NSCs ergeben.
Nein?

Würde es das nicht?

Im Grunde vermutlich nicht. Muss es ja an sich auch nicht, weil es in Aventurien ja in vielen Landstrichen egal ist, wer welchen Posten besetzt. Wegen Gleichstellung und so. Die Verteilung könnte 50:50 sein, 90:10 Männer zu Frauen oder eben umgekehrt...

Interessant wird es dann bei der Frage, welche Konstellation die Spieler OT als problematisch empfinden und welche voll ok.
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 10:34 Ja, korrekt. Aber genau darum geht es doch u.a. - oder nicht?
Nein, das heißt vielmehr, dass man die meist noch recht neuen Autoren mehr an die Hand nehmen müsste. Das darf aber eben auch in die Richtung gehen, dass man Sexismus und Rassismus durch Regionen oder Kulturen im AB oder der Regionalspielhilfe erklärt, ohne etwas dagegen zu machen. z.B. wären Amazonen ohne die Diskriminierung von Männern wohl kaum denkbar.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 10:34 Das sehe ich nicht so. Für mich ist die Grundidee von Klischees aufbrechen erstmal, dass Klischees immer nur der erste Schritt sein können. Egal um welche Klischees es sich handelt. Wirklich interessant wird es oft erst, wenn es noch mindestens einen Schritt weiter geht.

Wenn man ein Klischee ausmoralischen Gründen brechen möchte, dann evtl. deswegen, weil man die Folgen davon, dass man es weiterträgt, für schlimmer hält als die Folgen davon, dass man es beibehält. D.h., man verwirft es nicht aus Prinzip, "weil man es für verwerflich hält" und nicht sein kann, was nicht sein darf, sondern man hält es für verwerflich, weil man meint, dass es mehr real vorhandenen Personen schadet (oder diesen schlimmer schadet) als es anderen real vorhandenen Personen nützt.
Das nimmt aber halt an, dass Klischees und ismen im Rollenspiel eine Auswirkung auf die reale Gesellschaft haben. Dafür sehen ich die Reichweite von PnP zum einen, die Möglichkeit zur Auswirkung auf der anderen als zu gering. Bei PC-Spielen und Filmen gab es ja eine sehr ähnliche Diskussion. Eben, ob Gewaltspiele in Ego-Perspektive zu mehr Gewalt führen. Wissenschaftliche Studien haben dies nicht nur widerlegt, sondern gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. (Die Diskussion geht btw sogar bis aufs Theaterwesen in der Antike zurück. Katharsis des griechischen Theaters als Stichwort).
Entsprechend ist genau das Rollenspiel der Ort, an dem Klischees, Steroetypen und Ismen ihren Platz haben und das zu recht. Eben auch als Kontrast zur gewünschten Realität.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 10:34 Ich frage ich immer noch, ob die Sklavenhaltung in Südaventurien wirklich gestrichen werden soll. War da ernsthaft jemals die Rede davon?

Oder sollte sie nur umgestaltet werden?

Es war ja gestern die Rede von "cancel culture" - so, wie ich das sehe, hat doch außer denen, die eben dieses befürchten, von canceln noch gar keiner gesprochen? - Auch das Sklavenjäger oder -händler als Heldentyp wird nicht "gestrichen", sondern ist einfach nur nicht mehr in der Einsteigerbox drin, sondern erst in einer Regionalbeschreibung, oder habe ich das falsch verstanden?

Na, wie dem auch sei... Im Grunde geht es doch speziell bei Al'Anfa (wenn man mal von den gstern diskutierten Umarbeitungen für den USA-Export absieht), erstmal darum, das Setting sehr deutlich so zu beschreiben, wie es schon seit längerem gedacht war, aber von den Spielern bisher häufig nicht umgesetzt wurde. Nämlich so, dass es kein wirkliches an die Hautfarbe geknüpftes Statusgefälle in Al'Anfa gibt, wohl aber in einigen tulamidisch geprägten Staaten. Heißt: Es gibt immer noch dunkelhäutige Sklaven, aber eben auch mindestens ebenso viele hellhäutige und evtl. noch grüne und gelbe.
Die Argumentation ist hier (glaube ich), dass ein Erweitern von bestimmten Dingen, zu einer Relativierung und damit Verwässerung führt. Die Unterdrückung einer Bevölkerungsgruppe oder Spezies durch eine andere hat eine gänzlich andere Wirkung, als wenn diese einfach alle betrifft oder statt Spezies/Kultur plötzlich Zugehörigkeit zu einer Schicht an die Stelle tritt.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 10:34 b) Es stand alles schon da, aber die Spieler haben es nicht registriert, weil es den Klischees in ihren Köpfen widerspricht. Und das ist der Punkt, wo OT der "strukturelle Rassismus" ins Spiel kommt, der keinem bewussten Gedanken entspringt, sondern den Klischees, die unsere Kultur über die Jahrhunderte so transportiert hat, dass wir sie gar nicht unbedingt bemerken... und die wir auch nur ungern aufgeben, weil sich dadurch ja irgendwie Grundannahmen unseres Weltbildes ändern. (Wie bei einem Haus. Bauarbeiten an den Außenmauern gehen ja noch, aber ans Fundament will keiner ran... )
Da zwei Probleme: Zum einen gibt es keinen strukturellen Rassismus im Rollenspiel, da es ja keine Institutionen gibt, die kontrollieren und überwachsen, wie Runden spielen oder wie verschiedene Verlage/Systeme diese Umsetzen und ob überhaupt.
Zum anderen bilden Klischees eben die DNA der Phantastik und Fantasy. Sie hat und muss gar nicht den Anspruch erheben, dass sie gegen solche Klischees vorgeht. Eher das Gegenteil. Sie sind eher der Spiegel für die Gesellschaft, wenn man ihr solch einen Einfluss denn unbedingt zuschreiben will. Im IT ist Rassismus, Sexismus, etc ja tatsächlich "in Ordnung" und vollkommen ok. Da nun zu fordern, dass dies doch bitte geändert oder überdacht werden soll, ist schon etwas... schwierig.
Ich meine... wir fordern von der Krimibranche doch auch nicht, dass Gewalt gegen Frauen und/oder Kinder und die Stereotyp-Figur der "Eifersüchtigen Ehefrau als Mörderin" überdacht oder gestrichen werden. Ansprüche der realen Gesellschaft kann und sollte man nicht an die Gesellschaftsideen in Fiktion anlegen.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 10:34 Nein?

Würde es das nicht?

Im Grunde vermutlich nicht. Muss es ja an sich auch nicht, weil es in Aventurien ja in vielen Landstrichen egal ist, wer welchen Posten besetzt. Wegen Gleichstellung und so. Die Verteilung könnte 50:50 sein, 90:10 Männer zu Frauen oder eben umgekehrt...

Interessant wird es dann bei der Frage, welche Konstellation die Spieler OT als problematisch empfinden und welche voll ok.
Tatsächlich kann sich die Redax hier durchaus hinstellen und sagen: Wenn euch nicht passt, dass Engasal rein männliche Thronfolge hat, dann ändert es. Es wird IMMER Spieler geben, die sich an irgendwelchen Besetzungen stören oder dies als problematisch empfinden. Darauf kann man schlicht keine Rücksicht nehmen, weil sonst das eigene Weltkonstrukt an Konsistenz und Konsequenz verliert.
Denn auch wenn es eine Gleichstellung von Mann und Frau in weiten teilen gibt, hat es doch eine Auswirkung, ob da nun Alrik oder Alrike auf dem Thron hocken. Das mögen Genderstudies und Co gerne ableugnen, aber nachweislich gibt es einen Unterschied in Biologie und Psyche bei Mann und Frau. Das kann an gesellschaftlicher Prägung liegen, aber selbst da scheint der Faktor eher untergeordnet zu sein.
Tatsächlich scheint die Gesellschaftliche Stellung von Mann und Frau sogar das Gegenteil zu verstärken. Je gleichberechtigter Mann und Frau sind, desto stärker bilden sich die klassische Aufgabenverteilung in der Bevölkerung ab. Was ich durchaus faszinierend finde (Studie war glaub zur Rollenverteilung in Schweden, wo die Gleichberechtigung von Mann und Frau tatsächlich fast 100% umfasst)


Aber Thema Skalverei: Was tatsächlich in Aventurien fehlt oder nur begrenzt drin ist: Kriegssklaven. Über weite Teile der menschlichen Geschichte war die Versklavung von im Krieg besiegten ein Standard. Da Aventurien recht klein ist (wie weit man das als Problem sehen oder angehen kann... schwierig), und tatsächlich recht friedlich ist, entfällt das oftmals.
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Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 00:03Ich kam nur kurz durcheinander - ich verfolge gerade in einer anderen Community eine ähnliche Diskussion (was ein Grund ist, warum ich mich hier gerade wieder eingeklinkt habe), und da meinte jemand (übrigens eine Frau): "Na, dass auf die Frage "Was ist dein Lieblings-Filmheld oder dein Lieblings-Roman-Protagonist" (gemeint sind aber explizit Männer und Frauen)fast nur Männer genannt werden und Frauen nicht mitgedacht werden, liegt auch daran, dass die Protagonisten überwiegend Männer sind!" - ME beißt sich da die Katze in den Schwanz.

Aber aufs RPG hast du absolut Recht, da ist ein Grund sicher, dass die ausführenden denkenden Autoren auch fast alles Männer sind. Aber es zieht sich - teils wie gesagt mit der oben von mir genannten Begründung - ja auch noch durch andere Felder der Literatur usw.
Ja wobei sich das meist ähnlich begründen lassen würde, den wen mich jemand nach meinem lieblings Filmheld fragt dann denke ich nicht an romantische Filme oder Familiendramas sondern an Science Fiction, Fantasy oder epische Historienfilme. Und diese drei Genres sind eben genau die in denen männliche Autoren, Konsumenten, und auch Protagonisten, in der Mehrheit sind. Und es ist ja nicht so als ob hier nicht schon einiges sich verändert hätte, aber das ist eben ein langsamer Prozess, einer der noch darunter leidet dass viele ihn erzwingen wollen.
Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 01:52Warum ist das etwas "gutes"? Wäre es "schlecht" oder "böse" wenn man es nicht könnte? Es gibt unzählige Fantasy- und Nicht-Fantasysettings, in denen das nicht der Fall ist, einfach, weil es keine dunkelhäutigen Menschen gibt oder asiatische oder oder oder. Ob es so eine Möglichkeit gibt, ist weder "gut" noch "schlecht". Es ist eine künstlerische Entscheidung, die man einfach so akzeptieren sollte. Wenn alle Mittelländer grüne Haut und alle Tulamiden violette Haut hätten, wäre das genau so legitim und zu akzeptieren, als bei allen anderen Farben. Das Setting sieht es so vor, also ist das einfach so. Ganz neutral.
Du greifst hier wieder Zusammenhänge aus der Luft die keinen wirklichen Sinn ergeben. Natürlich ist es etwas gutes dass man dunkelhäutige Menschen spielen kann, weil man, wenn man will, einen spielen kann. Sei es weil man selbst dunkelhäutig ist und sich mit dem Rollenspiel leichter tut, sei es weil man die Kultur in ihrer klischeehaften Darstellung cool oder interessant findet, oder weil man einfach Bock dazu hat. Nur weil etwas gut ist, muss die Abwesenheit von diesem noch lange nicht schlecht sein. Dass man in Aventurien "Fantasy Afrikaner" spielen kann ist etwas gutes, dass man keine Fantasy Asiaten spielen kann ist deshalb nicht schlecht, auch wenn es schade ist. Schade für diejenigen die gerne sowas spielen würden.
Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 01:52Mag jetzt banal klingen: Aber dann spielst du bzw liest du die falschen Abenteuer. Al-Fessir aus dem AB "Der Händler" ist explizit ein Novadi, der Garethi kaum spricht. Der ist nichts von den drei Sachen. Er ist sogar der moralisch deutlich bessere NSC. Der Greif war einer DER wichtigsten NSC des Mittelreichs und Utulu. Bei den Waldmenschen steht es ähnlich. Der Vorsteher des Rahja-Tempels in Gareth ist z.B. ein Waldmensch. Der wurde sogar schon 3x zum Geliebten der Göttin erwählt. Etc.
Hier mag es einfach mal helfen, andere ABs zu lesen. Zudem sind Waldmenschen und Utulus nun einmal (wie von anderen schon erwähnt) selten. Selbst wenn es im Horasreich vllt 100 Utulus oder Waldmenschen geben sollte, dann müssen die erstmal in einem AB vorkommen, damit man sie bemerkt. Und wenn die dann als "Wilde", "Ex-Sklaven" oder "Sklaven" gesetzt werden, liegt das weniger an Aventurien, als an Autoren, die mal wieder die Regionalbeschreibung für Lava gehalten haben.
Kann sein dass ich die falschen Abenteuer gespielt habe. Aber ich sprach auch von einer Tendenz, deine anekdotischen Gegenbeispiele widerlegen da erstmal garnichts.
Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 01:52Die Grundidee von "Klischees aufbrechen" ist, dass es Dinge gibt, die moralisch als verwerflich zu sehen sind, weswegen man sie nicht "weitertragen" sollte. Hier hast du nun 2 Optionen: Du baust weiterhin diese Klischees ein, thematisiert dies aber entsprechend. Die andere Option ist, du streichst den entsprechenden Part. Menschenopfer, Sklaverei, Sexismus und Rassismus hatten wir ja als "verwerflich" gesetzt. Wir streichen dies also.
Falsch. Klischees aufbrechen hat nichts mit moralischer Verwerflichkeit zu tun. Das Klischee ist das schwarze Menschen in einer pseudohistorischen Welt Wilde, Sklaven oder entflohene Sklaven sein müssen. Das ist völlig frei von einer moralischen Bewertung. Viele Autoren, sicher nicht alle, tendieren also dazu solche Rollen an schwarze (oder "braune") Charaktere zu vergeben, weil es in ihrem Kopf besser passt. Das Klischee aufbrechen bedeutet hier öfter darauf hinweisen dass in Al'Anfa auch viele hellhäutige Menschen versklavt werden und dass auch schwarze (oder "braune") Menschen ebenfalls in höhere Gesellschaftsschichten aufsteigen können weil Sklaverei in Al'Anfa nicht auf Rassismus basiert. Da wird garnichts gestrichen.

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Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 11:10 im IT ist Rassismus, Sexismus, etc ja tatsächlich "in Ordnung" und vollkommen ok. Da nun zu fordern, dass dies doch bitte geändert oder überdacht werden soll, ist schon etwas... schwierig.
Nein - das ist in dem Moment nicht schwierig, sondern legitim, wo die '-ismen' OT dazu führen, dass das Setting gegen die Absicht der Autoren IT eben anders interpretiert wird, als es gedacht war.

Keiner der Befürworter hier hat sich - wenn ich es noch richtig überblicke - komplett gegen IT-Rassismus ausgesprochen.

Es ging nur darum, dass er der sich evtl. anders ausdrückt, als es oft dargestellt wird.

Du hast vollkommen Recht - die systematische Unterdrückung einer Volksgruppe A ist etwas anderes als ein Klassensystem ohne Hautfarbenbezug B. Was aber, wenn die einen B gedacht haben, die anderen aber A spielen, weil keine Ahnung... "muss im Kopf halt so"?

Dann liegt ein Missverständnis vor und das kann man aufklären.

Damit wird der IT-Rassismus nicht grundsätzlich abgeschafft, und der OT-Rassismus sicherlich auch nicht.

Wenn dann aber die Spieler schreiben: "Mist-PC, ich lass mir doch nichts vorschreiben, der Hintergrund war immer anders" - auch wenn es nachweislich nicht stimmt - eben weil sie OT-Klischees im Kopf haben und auf diese nicht verzichten mögen - dann wird es irgendwie schwierig.

Denn im Grunde trifft dann genau dein Satz zu:
Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 11:10 Tatsächlich kann sich die Redax hier durchaus hinstellen und sagen: Wenn euch nicht passt, dass Engasal rein männliche Thronfolge hat, dann ändert es. Es wird IMMER Spieler geben, die sich an irgendwelchen Besetzungen stören oder dies als problematisch empfinden. Darauf kann man schlicht keine Rücksicht nehmen, weil sonst das eigene Weltkonstrukt an Konsistenz und Konsequenz verliert.
Nichts anderes passiert hier doch gerade!

Ist das nun problematisch, oder ist es das nicht?
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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Wolfio hat geschrieben: 29.09.2020 11:10 Das nimmt aber halt an, dass Klischees und ismen im Rollenspiel eine Auswirkung auf die reale Gesellschaft haben. Dafür sehen ich die Reichweite von PnP zum einen, die Möglichkeit zur Auswirkung auf der anderen als zu gering. Bei PC-Spielen und Filmen gab es ja eine sehr ähnliche Diskussion. Eben, ob Gewaltspiele in Ego-Perspektive zu mehr Gewalt führen. Wissenschaftliche Studien haben dies nicht nur widerlegt, sondern gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. (Die Diskussion geht btw sogar bis aufs Theaterwesen in der Antike zurück. Katharsis des griechischen Theaters als Stichwort).
Entsprechend ist genau das Rollenspiel der Ort, an dem Klischees, Steroetypen und Ismen ihren Platz haben und das zu recht. Eben auch als Kontrast zur gewünschten Realität.
Moment, du vermischt hier zwei Dinge.

Das eine ist die Frage, ob das Ausleben von Phantasien in einer virtuellen Realität dazu führt, ob ich diese Phantasien auch genauso in der Realität auslebe, und zwar physisch. Das ist die Sache mit den Ego-Shootern und der Gewaltanwendung. Das andere ist die Frage, was es mit mir macht, wenn ich Dinge sehe und rezipiere. Und da, glaube ich, gibt es recht eindeutige Forschung, dass zum Beispiel das Konsumieren von Horror, Splatter oder Gewalt mich "unempfindlicher" werden lässt, solche Dinge zu sehen. Oder ob Porno-Konsum dazu führt, dass bestimmte Praktiken verbreiteter sind, weil man sie imitiert. Mit dem Kopf passiert also sehr wohl eine ganze Menge, und das ist auch sehr logisch. Und das hat in dem Fall nichts mit Katharsis zu tun.

Außerdem reden wir bei Rassismus noch von einer ganz anderen Auswirkung auf die reale Gesellschaft.

Wenn du dich mit Menschen unterhälst, die keine weiße Hautfarbe haben, werden dir zum Beispiel viele erzählen, dass sie seit ihrer Kindheit immer wieder sehr deutlich gespiegelt bekommen haben, dass sie "hier nicht hingehören, weil sie anders aussehen". Und zwar auch und gerade durch Film, Fernsehen, Spiele, kurz, durch Popkultur. Wenn im Fernseh-Bildschirm alle weiß aussehen, macht das jeden, der Schwarz ist oder einen asiatischen Hintergrund hat, noch viel mehr zum Außenseiter. Sowohl, zwangsläufig, in seiner Selbstwahrnehmung, als auch möglicherweise in der Wahrnehmung seiner Schulfreunde, die vielleicht alle auf einem Dorf leben, wo eben tatsächlich alle um sie herum gleich aussehen. Das entspricht aber dann eben nicht der Realität eine Landes, in dem 26 Prozent der Leute "Migrationshintergrund" haben, 1,5 Millionen Menschen türkische Staatsangehörigkeit besitzen, 2 Millionen Menschen eine von verschiedenen asiatischen Staatsangehörigkeiten besitzen und so weiter. Insofern hat natürlich die Art und Weise, wie sehr auch Menschen anderer Kulturen und anderer Hintergründe überhaupt auftauchen, eine "Auswirkung" auf die reale Welt. Weil es das, was dort draußen und um uns herum "normal" ist, auch tatsächlich als normal darstellen kann. Für die USA ist es immer noch nicht normal, dass eine Frau die Regierung leiten kann. Für Deutschland in den 80ern war es das auch nicht. Gab es nie. "Ja klar, kann man sich vorstellen. Aber wäre schon irgendwie seltsam, oder?" Normalität entsteht in unserem Kopf.

Jetzt kann man als Verlag sagen: Wir bringen ein Rollenspiel heraus, das in Island im 16. Jahrhundert spielt, da leben halt nur Isländer. In Ordnung.

Aber wenn man als Rollenspiel-Verlag eine Rollenspiel-Welt erschafft, die tatsächlich eine komplette Welt abbildet - und dann sind aber gefühlte 80 Prozent der handelnden Personen dort "weiß", 20 Prozent sind eindeutig Fantasy-Araber, dann gibt es noch ein paar Schwarze Sklaven... dann darf man sich als Rollenspiel-Verlag fragen: Wollen wir das so? Ist das die Vorstellung, die wir den Menschen dort draußen von einer "Welt" präsentieren möchten? Denn die Botschaft dahinter ist doch, völlig egal ob absichtlich oder unabsichtlich: Auf die weißen Typen kommt es an, die stehen im Mittelpunkt, die machen sich die Welt Untertan, die erfinden die coolen, neuen Sachen, die bringen die größten Helden und mächtigsten Zauberer hervor.

Klar kann man das machen. Verbietet niemand. Aber der Verlag darf sich selbst fragen: Ist dies das Bild, das wir zeichnen wollen? Und offenbar hat Ulisses sich entschieden: Nein, das ist nicht das Bild, das wir zeichnen wollen.

Und ich habe es an der Stelle schon ein paar Mal gesagt: Wenn anschließend Spieler sagen, mich interessiert aber Südaventurien nicht, ich will in Weiden spielen, mit meinem europäischen Setting und den hellhäutigen Typen, die da überall herumlaufen, dann ist das selbstverständlich völlig in Ordnung. Aber der Verlag hat dann nicht Mittelreich als Spitze der Zivilisation und Nonplusultra und einzig möglich zu bespielenden Schauplatz für echte Helden skizziert.

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Firuna Tannhaus
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Ungelesener Beitrag von Firuna Tannhaus »

chizuranjida hat geschrieben: 28.09.2020 22:30
Firuna Tannhaus hat geschrieben: Echte Gleichstellung zeichnet sich für mich nicht dadurch aus, dass die Verteilung 50:50 ist. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass es allen 100% egal ist, ob da auch mal ein Ungleichgewicht herrscht,
Schon. Und dass ich in 4 Büchern über Kulturen mit Gleichberechtigung nachgesehen habe und in allen die Männer überwiegen belegt so an und für sich, dass das reiner Zufall sei?
LdSB würde ich persönlich nicht zählen (52% vs. 48% ist schon sehr nah an 50:50), aber da haben wir wohl unterschiedliche Sichtweisen.

Wie dem auch sei: Ich denke, da hat @Timonidas einen Punkt, dass das an der vorwiegend männlichen Autorenschaft liegen könnte. Ich sage lediglich, dass diese Verteilung für die Welt Aventurien als nichts besonderes angesehen werden sollte. Künftige Autoren könnten ja auch mehr weibliche NSCs in den RSHs einführen. Wenn es dann mal eine Weile mehr weibliche wichtige NSCs gäbe, würde ich es wohl mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen, weil es IT genauso möglich ist wie alle anderen Verteilungen auch.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 10:34 Nein?

Würde es das nicht?

Im Grunde vermutlich nicht. Muss es ja an sich auch nicht, weil es in Aventurien ja in vielen Landstrichen egal ist, wer welchen Posten besetzt. Wegen Gleichstellung und so. Die Verteilung könnte 50:50 sein, 90:10 Männer zu Frauen oder eben umgekehrt...

Interessant wird es dann bei der Frage, welche Konstellation die Spieler OT als problematisch empfinden und welche voll ok.
Dein letzter Satz ist wohl bei dieser speziellen Fragestellung des Pudels Kern.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 29.09.2020 10:34 b) Es stand alles schon da, aber die Spieler haben es nicht registriert,
Ich würde noch um den hier mehrmals von Wolfio angesprochenen Punkt erweitern, weil der meines Erachtens tatsächlich mit reinspielt:

c) Es stand schon alles da (RSH usw.), aber die Autoren haben es für die Abenteuer weitgehend ignoriert, wodurch es sich bei den Spielern trotz aller Vorgaben verfestigt hat (an anderer Stelle im Forum wird beispielsweise über das Bild der Praios-Kirche diskutiert). Da wäre die Lösung, das die Autoren die RSHs und Zusatzwerke wie WdZ, WdG usw. zwingend lesen müssen, bevor sie schreiben. Dann würde sich sowas auch vermeiden lassen.

Mit a, b und c wird für mich ein Schuh draus. Nicht mit entweder/oder.

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Ungelesener Beitrag von Wolfio »

Aryador hat geschrieben: 29.09.2020 12:42 Aber wenn man als Rollenspiel-Verlag eine Rollenspiel-Welt erschafft, die tatsächlich eine komplette Welt abbildet - und dann sind aber gefühlte 80 Prozent der handelnden Personen dort "weiß", 20 Prozent sind eindeutig Fantasy-Araber, dann gibt es noch ein paar Schwarze Sklaven... dann darf man sich als Rollenspiel-Verlag fragen: Wollen wir das so? Ist das die Vorstellung, die wir den Menschen dort draußen von einer "Welt" präsentieren möchten? Denn die Botschaft dahinter ist doch, völlig egal ob absichtlich oder unabsichtlich: Auf die weißen Typen kommt es an, die stehen im Mittelpunkt, die machen sich die Welt Untertan, die erfinden die coolen, neuen Sachen, die bringen die größten Helden und mächtigsten Zauberer hervor.
Das ist doch aber bei DSA gar nicht der Fall. Aventurien soll keine Welt darstellen, sondern, genaugenommen, Europa plus die umliegenden Gebiete.
Wenn müsste man hier Dere als ganzes nehmen. Für Waldmenschen und Utulus ist ja sogar teilweise gesetzt, dass sie Übersiedler aus Uthuria sind. Die "Mittelländer" haben sich als Rasse deswegen so weit ausgebreitet, weil sie andere Rassen verdrängt haben. Eben durch das Bosparanische Reich. etc. Und auch dasnur, weil das Bosparanische Reich und die Entwicklung in Aventurien vom Römischen Reich und dem HRR inspiriert wurde, bis hin zu Mongol---Orkensturm, etc.
c) Es stand schon alles da (RSH usw.), aber die Autoren haben es für die Abenteuer weitgehend ignoriert, wodurch es sich bei den Spielern trotz aller Vorgaben verfestigt hat (an anderer Stelle im Forum wird beispielsweise über das Bild der Praios-Kirche diskutiert). Da wäre die Lösung, das die Autoren die RSHs und Zusatzwerke wie WdZ, WdG usw. zwingend lesen müssen, bevor sie schreiben. Dann würde sich sowas auch vermeiden lassen.
Amen.
Wobei man gegen die Spieler, die Klischees und gewisse.. Menschenbilder... in Aventurien umsetzen/sehen wollen, schlicht nichts tun kann. Wenn du nen linksextremen Spieler hast, für den jegliche Obrigkeit Verrat an der Menschheit darstellt, kannst du die Praioskirche oder den Adel noch so positiv schreiben, er wird es trotzdem anders sehen.
Wenn du nen rechtsextremen Spieler hast, kannst du noch so oft schreiben, dass Waldmenschen-Blut in Al'Anfa sogar eher Veredelung als Blutschande bedeutet... er wird das ignorieren.

Dagegen wirst du auch mit noch so viel Rücksicht, Aufklärung und Co nichts unternehmen können, warum es also versuchen. Welt beschreiben und dann muss man damit leben, was Spieler daraus machen. Einzig bei offiziellen ABs und Beschreibungen kann die Redax da etwas machen, wenn sie es nötig sieht. Der Anspruch kann hier aber halt nicht sein, Werke zu publizieren, bei denen auch IQ83-Personen jedes Detail beim erstmaligen Lesen verstehen.

Böse Menschen würden mit Blick auf die letzten Heldenwerke und einige Passagen in den Regionalbeschreibungen aber anmerken: Kontrolle, die leider nur sehr schlampig ausgeführt wird.
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Ungelesener Beitrag von Sumaro »

Ich bin zugegeben ein wenig irritiert, was man glaubt, wie viel Manpower Ulisses überhaupt in so einen Prozess stecken kann, um umfangreich umzuschreiben und gegenzulesen. Ich tippe auf sehr wenig, denn Ulisses hat nun einmal nur sehr wenige Ressourcen. Das Lippenbekenntnis zu einem solchen Projekt mit einer überzeugten Mitarbeiterin ist daher ziemlich günstig zu haben, Folgen werden sich daraus vermutlich keine ergeben. Wieso also überhaupt Gedanken daran verschwenden, was man aus Aventurien "verliert"? Ohnehin bin ich ein wenig verwundert darüber, dass überhaupt wer Verlustängste hat. Denn letztlich gibt es so viel DSA-Material, dass man ohnehin alles mögliche weiterhin spielen kann. Das DSA5-Regelwerk ist ein freies Steigerungs- und Kaufsystem, also schaden selbst wegfallende Professionen überhaupt gar nicht. Nur wer sich der Autorität der Redax überhaupt unterwerfen will, muss sich also an ein Al'Anfa anpassen, in dem vielleicht mal ein paar mehr dunkelhäutige Personen andere Rollen einnehmen als vorher.

Unstrittig finde ich dagegen, dass DSA ein ziemlich altbackenes Weltbild spiegelt. Die weißen Europäer sind die Elite des Kontinents, alle andere sind entweder Barbaren, edle Wilde oder Karl-May-Araber. Und sicherlich kann man, mit ein wenig "reinzoomen" noch mehr Facetten finden, aber letztlich ist es schon ziemlich übersichtlich welche Leistungen die dunkelhäutigeren Personen in Aventurien erbracht haben. Die Moha und Utulu schaffen es, aus ihren eigenen Kulturen heraus, nicht mal in die vage Richtung von Zivilisation (sind quasi das Urbild der halbnackten, edlen Wilden, die im Wald hocken und sich zivilisieren lassen), während die braunhäutigen Barbaren vor allem den ganzen Blut- und Vergewaltigungskult in ihrer Religion und in ihrem Auftreten abbekommen haben. Wer Conan haben möchte spielt nämlich keinen Ferkina. Die "guten" Barbaren sind auch die hellhäutigen mit den nordischen Wurzeln. Die verehren auch die richtigen Götter und bekommen auch die cooleren Zaubertricks und Gimmicks. Zivilisiert sind die Barbaren und Wilden nämlich erst dann, wenn sie die Kultur der Weißen angenommen haben (also al'anfanische Fana sind oder horasische Bürger), vorher sind sie, selbst mit viel gutem Willen, immer noch die Leute mit den absonderlichen und auswürfelbaren Bräuchen und Kulten, die weder eine Religion, noch ein Staatswesen, noch Infrastruktur oder irgendwas anderes zivilisatorisches geleistet bekommen. Einzig die Tulamiden sind etwas erfolgreicher, sie haben Städte und Straßen, aber streiten sich um die Krumen eines Kontinents, der zu 80% von Mittelländern dominiert wird. Über Krämertum und Wüstenfanatiker kommen sie dann auch nur noch selten hinaus.

Es schadet also definitiv nicht, mal einen Blick auf diese Verteilung und die Darstellung der Spielwelt zu werfen, die seit den 80ern existiert und in einem Bild des 19. Jhd. feststeckt. Veränderungen erwarte ich wenig maßgebliche, einfach weil die Spielerschaft von DSA ihre Spielwelt ohnehin schon fixiert hat und jetzt nicht so viel junges Blut, in meiner Wahrnehmung, die Community flutet, dass sich daran großartig etwas tut.
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