Erfahrungsbericht:
Ich habe selbst sowohl positive als auch negative Besipiele von CG bisher erlebt. Negativ waren dabei v.a. Männer mit bemerkenswert tiefer Stimme, die hervorragend einen Zwerg darstellen konnten, bei denen man sich die Magierin aber einfach nicht vorstellen konnte. Schlecht gemacht haben sie dabei nichts, nur halt so gesprochen wie immer und sich verhalten wie immer. Da war nichts weibliches im Verhalten der Chars, was ich völlig in Ordnung finde. Nerviger war da eher die vom Mann gespielte Kriegerin BGB Baderin, die unbedingt mit meiner Hexe shoppen gehen, ihr immer die Haare machen wollte usw. Da das zur BGB Baderin allerdings passt, will ich aber nicht behaupten, der Char sei nicht gut rüber gebracht. Nervig war mehr, dass sie sich mit meiner Hexe anfreunden wollte und die wollte gar keine Freunde haben. xD
Also ich habe CG nie so gespielt erlebt, dass es wirklich störend war.
Nebenbei: Kann es sein, dass Männer öfter Magierinnen spielen als Kriegerinnen? Würde mich nicht überraschen, wenn da das irdische Bild von überlegener Manneskraft unsere Fantasystereotype derart beeinflusst, dass fähige Magierinnen einfach logischer erscheinen als fähige Kriegerinnen. NSC-Kriegerinnen sind ja in ihrer Darstellung auch meist weniger muskulös (und mehr sexy) als Krieger.
Zu den positiven CG-Beispielen, die ich bislang erlebt habe: Ich habe da vermutlich das große Glück, schon seit Jahren immer wieder mit einem Mann zu spielen, der nicht nur schwul ist, sondern auch regelmäßig professionell als Drag Queen auftritt. Der hat Erfahrung im Einfühlen in weibliches Fühlen, Denken und Handeln. Im Rollenspiel hat er meistens weibliche Charaktere gespielt und die waren immer absolut glaubwürdig in ihrer Weiblichkeit. Der Spieler ist eher von der ruhigen Sorte und hat die Drag-Queen-Dive nur sehr selten in dann passenden Momenten durchscheinen lassen. Natürlich half es, dass der Spieler von Natur aus eher weiche Gesichtszüge und keine sehr tiefe Stimme hat. Man würde ihn ohne Schminke trotzdem nie für eine Frau halten, aber sich dazu eine Frau vorzustellen ist eben einfacher als bei den oben genannten Männern mit Bass-Stimme.
Aufgrund dieser Erfahrungen dachte ich lange, CG sei eine Kunst, die nur wenige beherrschen und andere sollten vielleicht lieber die Finger davon lassen - es sei denn kurzfristig mal zur Belustigung. Ich hatte selbst nur für ein Abenteuer mal CG gespielt. Das kam so, dass ich zuvor schon für eine von mir gespielte Magierin den NSC-Ehemann erstellt hatte und dann Lust bekam, ihn zu spielen. Als er dann zum Einsatz kam, habe ich OT ein großes Theater drum gemacht, einen Mann zu spielen. Ich habe mir vorne Socken in die Hose gesteckt, um wie ein Mann zu sitzen und zu laufen. Ich habe in einem Buch davon gelesen, dass Frauen das taten, die sich als Männer ins Militär eingeschlichen hatten. Weiß nicht,ob das viel gebracht hat. Ich glaube, meinen (männlichen) Mitspielern war das v.a. peinlich.
Im Spiel selbst habe ich aber glaube weniger den Mann raushängen lassen. Da habe ich mich v.a. darauf konzentriert, dass der Char Skalde war. Er hat sich einmal mit einem anderen SC geprügelt. Das war vielleicht typisch männlich, aber v.a. war es typisch thorwalsch und beide waren Thorwaler. Meine langjährig gespielte Thorwaler Piratin hätte genauso gehandelt (und fester zugeschlagen). Also ich glaube, allzu schlecht habe ich es nicht gemacht. Es ist aber schwer, da eine ehrliche Rückmeldung von Freunden zu bekommen. Gut möglich, dass alle froh waren, als das AB rum war.
Jetzt habe ich aber seit einiger Zeit noch ein positives CG-Beispiel erlebt. Es handelt sich da um eine Magierin (ta-dah), die von einem Mann gespielt wird. Ich war anfangs misstrauisch, aber ich hatte tatsächlich nie Probleme, mir diesen Char als weiblich vorzustellen! Anders als bisher spielen wir in dieser Runde online und sehen unsere Mitspieler nicht. Tatsächlich weiß ich gar nicht, wie dieser Spieler aussieht. Ich weiß, dass er sehr sicher nicht schwul ist. Er hat zumindest eine Frau geheiratet und ein Kind gezeugt. Ich kenne nur seine Stimme. Die ist schon männlich, aber nicht unbedingt der tiefste Bass. Er verstellt sie zusätzlich noch etwas höher für IT-Rede. Oft meistert er auch und spielt die Magierin dann parallel zu diversen NSC und ich höre immer, wann er sie spricht. Wie muskulös oder bärtig er ist, keine Ahnung. Also... mit einer nicht zu tiefen Stimme und ohne Bild des Spielers im Kopf, dafür mit Bild des SC beim Spielen ständig vor Augen - so ist es gar kein Problem, den SC weiblich zu sehen. Das Verhalten des Chars passt auch dazu, könnte aber auch problemlos ein männlicher Magier sein. Eitelkeit haben die ja z.B. alle oft und eine gewisse Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft steht ja den meisten Helden gut. Also - so meine Erkenntnis: Man muss nicht homosexuell oder gar Drag Queen sein, um sich im Rollenspiel überzeugend als anderes Geschlecht auszugeben. Und: Ohne Sichtkontakt zum Spieler und mit SC-Bild vor Augen geht es vermutlich leichter.
Das sind so Gedanken, die ich mir vor kurzem beim Lesen dieses Threads gemacht hatte. Und dann habe ich - angeregt durch diesen Thread - beschlossen, meinen neuesten Char CG zu spielen, also als Mann. Diesmal etwas ernsthafter ohne Socken in der Hose. Wir spielen da jetzt auch online, allerdings mit Freunden, mit denen ich sonst jahrelang schon Tischrunden gespielt habe. Einer der Mitspieler ist eben jener Drag-Queen-Darsteller, der diesmal völlig überraschend einen Mann spielt. Bei ihm fühlt sich das mehr wie CG an. Ich bin gespannt.
Entschieden habe ich mich jetzt dazu einerseits wegen dem, was ich hier gelesen habe: Dass es eine bereichernde Erfahrung sein kann. V.a. habe ich aber festgestellt, dass der Char, wie ich ihn bzw. ursprünglich sie erstellt hatte, zwei Risiken barg:
1) Bestand die Gefahr, dass ich trotz anderer Werte und anderer Vor- und Nachteile arg in die Spielweise meiner langjährig gespielten Hexe verfalle, da sie sich als unkämpferische High-SO-SC in der Gruppenrolle recht ähnlich werden können.
2) Bestand die Gefahr, dass ich in das langweillige, typisch weibliche Klichee des verwöhnten Prinzesschens verfalle.
Das Klichee ist angedacht als Teil des SC, aber soll nicht alles ausmachen. Ich glaube, indem ich den SC jetzt männlich gemacht habe, wird er individueller. Und da dieses typisch weibliche Klichee immer noch drin steckt, wird der SC auch sicher keine Karrikatur männlicher Stereotype - aber eben auch keine Karrikatur weiblicher Stereotype. Ich hatte kurz überlegt, ob ich ihn homosexuell sein lasse. Seine verweichlichte, hochemotionale und schöngeistige Art scheinen das nahe zu legen (ebenso wie die Pärchenbilder zur Figur, die ich als Charvorlage verwende), aber ich habe mich dagegen entschieden. Das wäre schon wieder zu viel Klichee. Gerade in Aventurien bietet es sich doch an, dem Bürschen ein kräftiges Weibsbild an die Seite zu stellen. Vorerst will ich Romantik oder Sexualität aber ganz ausklammern. Erstmal konzentriere ich mich darauf, männlich Emotionalität (Nachteil Heulsuse) und Schöngeistigkeit (liebt Musik, singt gerne) darzustellen. Falls mir hier jemand Tipps dazu geben mag, wäre ich dafür dankbar.
Der erste Spielabend verlief schon recht gut. Meine Stimme habe ich jetzt nicht verstellt. Ich denke, sie ist tief genug. Beim Singen achte ich darauf, nicht hoch zu singen. Ich habe aber eh einen Frauen-Tenor. Das sollte schon gehen. Bisher gerate eigentlich nur ich noch mit den Pronomen durcheinander, weil ich den SC ja ursprünglich weiblich konzipiert hatte. Das ist mir aber noch nicht im Spiel passiert. Selbst der SL, der am Spieltisch bei CG immer Probleme hat, die korrekten Pronomen zu benutzen, hatte online damit jetzt keine Schwierigkeiten.