Ich denke dieser Thread berührt eine ganze Reihe von Problemen:
Da ist zum einen die häufige Inkonsistenz zwischen der Anwendung von SC gegenüber NSC und umgekehrt. Ein Probelm, dass es sich mit anderen sozialen Proben teilt.
Zweitens: Die Mächtigkeit von sozialen Fertigkeiten ist ein weiteres Problem, dass er sich mit anderen sozialen Fertigkeiten teilt. Während ein vollendeter Schwertmeister maximal die Option hat jedes Gegenüber umzubringen, kann der vollendete Sozialcharakter jeden NSC umbiegen und so quasi jedes Abenteuer und jede Spielwelt "zerlegen". Es gibt ja schon x-Threads dazu, wie man eines Meisterhandwerkers in Überreden Herr wird. Und im Prinzip gilt das genauso für Betören. Ich interpretiere diese "Jeden NSC mit einer Probe ins Bett bringen"-Diskussion mal dahingehend, dass dahinter letzendlich genau diese Angst des SL steht.
Drittens habe ich oft das Gefühl, dass es einigen Spielern (und SL) schwerfällt soziale Aspekte mit abstrakten Regeln abzuhandeln. Sie wollen tatsächlich out-game Überredet/betört/überzeugt werden, bevor es ihnen realistisch erscheint, das der SC/NSC ingame dasselbe Schicksal erleiden könnte.
Generell finde ich, dass das "ist nicht realistisch möglich"-Argument reichlich angreifbar ist. Es gab vor einiger Zeit einen Fall wo in den USA einer Frau der Prozess gemacht wurde, weil sie ihren Freund zum Selbstmord überredet hat. Das ist nach DSA-Regeln selbst mit Magie in der Regel nicht möglich (jaja ich weiß, Thomeg und der Ork und die Erweiterung des Imperavi).
Und das ist kein Einzelfall. Es gab mehrere Sektenführer, die ihre Gefolgschaft zum Selbstmord überredet haben.
Es gibt das Phenomen der sog. Lover-boys: Männer die gezielt junge Frauen in sich verliebt machen, um sie dazu überreden sich zu prostituieren, um ihren "Freund" finanziell zu unterstützen.
Es gibt unzählige irdische reale Fälle, wo Menschen jenseits aller Vernunft zu Dingen verführt oder überredet wurden. Da aventurisch den Effekt zu begrenzen auf: "NSCs handeln nur rational vernünftig" und lassen sich nur betören/überreden wenn ihenen keinen Schaden entsteht finde ich irgendwie schade. Es ist, wie wenn man sagt: du kannst ja kämpfen, aber deine Waffe macht keinen Schaden mehr. Irdische wissenschaftliche Untersuchen besagen, dass unsere Entscheidungen zu 80-90% emotional getroffen werden. (Wobei ich ganz sicher die absolute Ausnahme bin: Meine Entscheidungen sind immer zu 100% rational begründet, nur die Leute um mich herum, die eine andere Meinung vertreten als ich, die sind alle total irrational
)
Ich denke das hier auch noch ein anderer Effkt reinspielt: Am Tisch ist oft klar, dass ein Charakter eine geheime Agenda hat. Das beeinflusst unsere Wahrnehmung, wie plausibel es ist, sich zu manipulieren zu lassen.
Das Vierte ist, dass ich den EIndruck habe, dass es eine Unterschiedliche Interpretation gibt, wie lange die Handlung andauert, die eine Betören-Probe abbildet:
Bei einigen Posts habe ich den Eindruck, der Schreiber versteht darunter eine Handlung die Ingame nicht länger andauert als der Würfelwurf outgame. Diese finden es dann unrealistisch, wenn in diesem Augenblick Entscheidungen enormer Tragweite fallen. Andere bilden mit dem Würfelwurf eine Prozess ab, der insgesamt eine Woche dauert und intensives werben umfasst (das nicht ausgespielt wird) und finden es dann unrealistisch warum eine Woche intesives Werben, unterlegt durch einen entsprechenden TaP*-Wert nicht zu entsprechenden Ergebnissen führen soll. Oder auch ein Abend flirten (insgesanmt vielleicht 2-3 Stunden) nicht zu einem romantischen wenn auch etwas unvernünftigen Abschluss kommen soll.
Auf ihre Weise habe beide Seiten recht. Ich kann eine Beziehung in der Downtime, der ich am Spieltisch nicht viel Zeit einräumen will mit einer Probe abhandeln, die dann eben den Ingame Zeitraum von 1 Woche entspricht. Genauso kann ich eine abenteuerrelevante Begegnung sehr detailiert auspielen, wo dann bereits das erste Erregen der Aufmerksamkeit durch eine Geste oder einen Blick mit der Probe bewertet wird. Da wirkt es natürlich extram seltsam wenn der NSC den SC dann bei den Haaren ins Nebenzimmer schleift weil er nach dem ersten Blick gleich jetzt sofort Sex braucht.
Insofern glaube ich nicht, dass eine Pauschalisierung ala "Nach einer gelungenen Betören-Probe hat mein SC Recht auf Sex mit den NSC" oder auch andersherum "Ein Charakter kann nicht jeden NSC mit einer gelundene Betören-Probe Ins Bett kriegen" dem Umgang mit Betören gerecht wird. Insgesamt glaube ich, dass dem Thema etwas weniger Polemik mit Extrem-Aussagen gut tut. Letzendlich ist vieles situationsabhängig und ich möchte das auch situationsabhängig in Proben umsetzen. In einigen Situationen geht es vielleicht nur um den momentaten Effekt: Die Wache soll abgelenkt werden, man möchte sich ein Geschenk erschnorren, vielleicht eine Information herauslocken.
In anderen Fällen will ich vielleicht eine langfristige emotionale Bindung erzeugen. das kann ich anders abbilden. Und für das Gefühl des Verliebseins gibt es zwischen "nur Momentan" und "lebenslang" natürlich noch viele Zwichenstufen: E.g. Sie sinkt um 1 pro Tag/Woche wenn nicht in die Beziehung weiter investiert wird.
Und natürlich können Umstände wie verheiratet, Partner anwesend, Gefahr des sozialen Abstiegs, etc. eine Rolle spielen. Da schwarz-weiß in "hat keine Auswirkungen auf die Probe"/"kann nicht gehen" zu unterteilen, finde ich ein bisschen grob. Die Standardmethode damit umzugehen sind Probenerschwernisse (Und da gibt es natürlich auch nicht nur 0 und unendlich): Irgendwo liegt die Kompententz eines SL doch auch darin, eben diese Erschwernisse maßvoll abzuschätzen.
Zu der Machtfrage: Ich denke das Ziel von Betören ist immer, die Gefühle des Anderen zu wecken. Wenn dies geschieht, weil man selbst verliebt ist und man diese Zuneigung gerne erwiedert sehen würde, wird dies allgemein als romantisch schön und moralisch gut angesehen. Wenn man die Zuneigung einseitig beim Anderen wecken will, um sich einen Vorteil zu verschaffen, ohne dass man selbst verliebt ist, gilt dies als moralisch schlecht. Ich sehe jetzt bei der Definition von Betören keine Beschränkung auf moralisch gute Intentionen.