Assaltaro hat geschrieben: ↑08.11.2019 13:25Gut diese Szene kommt wirklich erst in Band 3. Von drei sehr dicken Büchern.[...]Ich wollte da jetzt nur nicht die Handlung von zwei dicken Büchern aufrollen.
Das sei ihm zugute gehalten - aber ohne Kontext wirkt das Ganze wie gesagt etwas merkwürdig.
Wie gesagt: Auf mich eher selbstmitleidig als ehrlich bekümmert. Vielleicht auch in der Tat frustriert, weil seine Bemühungen immer wieder scheitern... man weiß es nicht. Also, ich nicht.
Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass es mehr als nur einen Grund gibt, warum so etwas
im Spiel gefühlt nie oder insgesamt eher selten vorkommt.
Zum Thema "Genderklischees" möchte ich anmerken, dass natürlich die
Charaktere denen nicht unterliegen müssen - wir Spieler*innen das aber ja durchaus tun. Und ein Mann sieht vielleicht einen "harten Kämpfer" vor seinem inneren Auge anders reagieren als eine Frau. Wie realistisch seine Einschätzungen dabei sind, hängt sicher davon ab, inwiefern er selbst schon Grenzerfahrungen gehabt hat - ansonsten dürfte sein Bild eben in genau derselben Art und Weise durch einen Mix von eigenen Erfahrungen und Film, Funk und Fernsehen (und Computerspiele) geprägt sein wie der einer Frau. Also durchaus auch ein wenig medienverzerrt.
Der zweite Punkt sind "absolut gefühlskalte" Spieler. Diese Problematik ist, wenn sie zu Konflikten führt, mE eher eine Frage kollidierender Spielstile als "fehlender innerer Werte". Für nicht wenige Spieler ist auch ein RPG ein Spiel, mit Regeln und Mechaniken, die man zum eigenen Vorteil nutzen kann. Und das, was in der Handlung passiert, ist Teil des Spiels. Dieses Spiel kann immersive Erfahrungen ermöglichen,
muss es aber nicht. Man kann es auch einfach spielen und nur an den regeltechnischen Erfolgen Spaß haben.
Und in einem Spiel, in dem Kämpfe und das Töten von Gegnern zum Ablauf gehört, tötet man halt unter Umständen Gegner. Und es kann spieltechnisch im Sinne eines höheren Gewinns von Vorteil sein, mehr Gegner zu töten als anders zu überwinden. Sieht man die Sache rein gamistisch (ich hoffe, ich benutze das Wort richtig) - ist dies in dem Moment die bessere Lösung, solange die Spielregeln nicht Nachteile bei "unmoralischem Verhalten" vorsehen. Und solange es eine bessere Lösung gibt, werden Spieler mit dieser Herangehensweise an das Spiel sie ohne Gewissenbisse nutzen.
Für die sind die Gegner dann in der Tat nur Staffage, und laufen möglicherweise vor ihrem inneren Auge mit Punkteständen über dem Kopf herum.
Für andere Spieler sind sie dagegen virtuelle Mitspieler.
Hier und anderswo wird regelmäßig erbittert darüber gestritten, was besser oder schlechter ist. Das möchte ich hier ausdrücklich nicht. Aber wer das Spiel als reines Spiel spielt, wird Gegner nach meinem Dafürhalten in der Regel mit weniger Bedauern töten als jemand, der sich selbst als kleines Rädchen der Spielwelt sieht.
In einem Punkt sind sich die meisten Spieler, welches Spieltyps auch immer, in ihrer Distanzierung allerdings dann wieder einig: Es lässt sich doch seltenst ein Spieler nach einem Kampf ermattet zurücksinken und spielt die
psychischen Folgen seiner eigenen Verletzungen - bzw. der Verletzungen seines oder ihres SCs - auch nur annähernd so aus, wie sie realistischerweise bei ihm oder ihr selbst zu erwarten wären...
Und das ist ja an sich auch völlig in Ordnung.
Ich habe in der Regel Leute gespielt, die eher nicht so gern kämpfen und schon gar nicht gerne töten. Aber in einer Welt, in der der Getöte-Werden eine realistische Option ist, ist es (für mich) das Selber-Töten eben auch. Leute, auch noch
Kämpfer, die bei jedem Toten in Tränen ausbrechen müssen, kommen mir da ein wenig
lebensfremd vor.
So jemanden kann es sicher geben, klar - aber der zieht sich auf Dauersicherlich eher in ein Noioniten-Kloster oder den Tsa-Tempel oder in die Einöde zurück, als ausgerechnet als Kämpfer oder Abenteurer durch die Lande zu ziehen, wo ihm so etwas immer wieder mal passieren kann...
Hier mal ein paar Beispiele, wie verschiedene meiner Charaktere damit umgegangen sind:
ein ehemaliger Fassadenkletterer (bei AD&D, Ansatz extrem gamistisch, wenig Rollenspiel, entsprechend oft Kämpfe und getötete Gegner) fasste sein Dilemma in folgendem Satz zusammen, wenn mal wieder einer ihm seine Reputation absprechen wollte: "Ehrbar? - Ich habe noch keinen Menschen getötet, ehe ich "ehrbar" wurde!"
Der Thorwaler (wie meisten anderen meiner Charaktere) sah das sehr pragmatisch: "Je nun, schön isses nicht, aber kann passieren." Der versuchte das in der Regel zu vermeiden, aber wenn das nicht klappte, etwa weil der Gegner partout kämpfen
wollte - war's halt so. Dann hatte er darum auch kein schlechtes Gewissen.
Ich denke, so oder ähnlich sehen das recht viele andere Spieler bzw. deren Charaktere auch.
Für einen weiteren - einen Ardariten - habe ich mir da mal mehr Gedanken drüber gemacht, weil der eben Profikämpfer
war. Der konnte ja von vornherein nie davon ausgehen, dass es nur im Notfall zu Kämpfen kommen würde, also
musste ich drüber nachdenken, wie er dazu wohl steht.
Der hatte bei normalen Kämpfen im Rahmen seiner Ordensverpflichtungen oder auch bei Duellen selbstredend null schlechtes Gewissen, ohne ein emotionsloser Klotz zu sein. Er schützte Tempel oder andere Rondrianer oder wie auch immer jedenfalls die Schutzwürdigen, und das Töten gehörte einfach auch dazu.
Er hatte aber durchaus ein kleines Dilemma im Hinterkopf, weil er - selbst von einem Rittergut mit Landwirtschaft stammend - die Niederschlagung eines Bauernaufstandes nebs Hinrichtung der Rädelsführer in Arivor, woran er irgendwann am Anfang seiner Laufbahn beteiligt gewesen war, insofern als ungerecht empfunden hatte, als er recht sicher war, dass die Ordensoberen selbst durch ihr rücksichtsloses Verhalten den Aufstand erst angefacht hatten.
Natürlich war das Verhalten der Ordensleute nach dem Aufstand rechtens gewesen... aber das davor fand er fragwürdig, und die wegen einer Dürre ausgehungerten Bauern waren ja auch nicht wirklich ernsthafte "Gegner". Hätte er da schon sowas wie zu sagen gehabt, hätte er diese Situation sicher anders gelöst, und obwohl klar war, dass er selbst zu keiner Zeit diese Möglichkeit gehabt hatte, hatte er ein schlechtes Gewissen deswegen. Keines, das so groß war, dass es sein ganzes Leben bestimmt hätte - aber schon eines, das Einfluss auf seine späteren Entscheidungen hatte.
Heulend zusammengebrochen ist aber auch er bisher noch nicht.
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"