Mithrandir hat geschrieben: ↑08.02.2019 20:37
Das DSA sehr "mittelreichzentrisch" ist, ist wahr. Das war für mich aber immer "by Design" so, weil viele eben gerne "Fäntelalter" spielen wollen. Ein DSA mit dem Hauptfokus auf Thorwal, Al'Anfa oder da tulamidische (und womöglich noch mit einem "bösen Mittelalterland") würde sich höchstwahrscheinlich nicht so gut verkaufen und nicht so gut etabliert haben.
Ich glaube nicht, dass es das ist, worum es S7evin geht. Sicher würde ein Spiel mit Fokus auf dem Miniwatu-Königreich oder den Goblins sich nicht verkaufen. (Eins mit Wikingerfokus hingegen würde ich nicht so direkt ausschließen.)
Aber vergleiche bitte mal, wie die Völker in den Spielhilfen beschrieben werden. Gibt es in einer Mittelreich- oder Flusslande- oder auch Bornland-Spielhilfe Zitate von reisenden Hesindegeweihten aus Khunchom, al'anfanischen Kaufleuten oder zwergischen Wandergesellen, die die aus ihrer Sicht komischen Sitten, das miese Wetter, fade Essen oder sonst irgendwas beschreiben? Eher nicht, oder?
Aber wenn du in eine Beschreibung der Tulamiden, Novadis, Ferkinas, etc schaust, dann werden sie aus mittelreichischer Sicht, oft in Zitaten von mittelreichischen (oder auch horasischen) Autoren, als fremd und anders beschrieben.
Der Held ist ein Mittelreicher.
Es gibt Abenteuer in Al'anfa für mittelreichische Heldengruppen, und es wird darauf eingegangen, was ein Mittelreicher dort wahrscheinlich alles falsch machen oder fremdartig finden wird. Weil der Standard-Held eben ein Mittelreicher ist. Genau dadurch wird dieser Standard immer wieder verstärkt und bestätigt, und Helden mit anderem Hintergrund weniger attraktiv gemacht.
Denn der Spieler eines Al'anfaners liest ja sogar in den vermeintlich neutralen Hintergrundtexten (nicht nur in Zitaten aventurischer Autoren) von der bösen, verhassten Sklaverei und der "Pestbeule des Südens".
Genauso wie ein Goblin-Spieler in den vermeintlich neutralen Hintergrundtexten vom verzweifelten Abwehrkampf der Elfen gegen die goblinischen Horden liest (während die Elfen das Stammland der Goblins eroberten), oder davon, wie die edlen Theaterritter das Bornland für die Erstbesiedelung eroberten und sicherten. (Erstbesiedlung bedeutet eigentlich, dass da vorher noch gar niemand wohnte.)
Edit: Für die Box "Stolze Schlösser, dunkle Gassen" wurden, soweit ich mich erinnere, mal eben ca ein Dutzend neue Heilige erfunden, als Schutzpatrone für die Zünfte. Darunter vielleicht ein Zwerg, aber kein Tulamide. Es ist das gleiche wie S7evin bei den Kirchenoberhäuptern bemängelt, und bei Handelshäusern findet man wieder das gleiche. Der mittelländische Kulturkreis steht im Fokus und wird gepäppelt, und die Randkulturen gehen unter. Dadurch werden sie immer irrelevanter und unattraktiver.
S7evin hat geschrieben: ↑08.02.2019 00:31
An dieser Stelle möchte ich für Unheil über Arivor eine Lanze brechen. Die Horaten haben ohnehin zu viele Städte, speziell verglichen mit den Tulamiden. Es erschliesst sich mir nicht, warum die Güldenländer, die ja Zuzüger sind, eine so grosse Bevölkerung aufbieten, während die Sumerer, die ja "zuerst" da waren, viel weniger zahlreich sind.
Ja, das habe ich mich auch immer gefragt. Vor allem auch, warum sich die dämlichen Urtulamiden im Osten und Süden mit den Echsen und der Riesin Männertod gehauen haben, wenn das Land direkt nördlich und westlich des Raschtulswalls, darunter das liebliche Yaquirtal, frei und unbesiedelt gewesen sein sollte.
Möglicherweise gibt es dazu in der Dunkle-Zeiten-Box und/oder der Historia Setzungen; die kenne ich nicht.
Mein Vorschlag wäre gewesen, dass Tulamiden auch weiter westlich wohnten, die sich (wie später auf Maraskan) mit den güldenländischen Einwanderern mischten, eingemeindet und in der Geschichtsschreibung totgeschwiegen wurden, wie später die Herkunft des guten Kaisers Raul. Da hätte man zumindest die nötigen Zahlen für die rasche Expansion.
Jadoran hat geschrieben: ↑08.02.2019 21:53
DSA wird in Deutschland von dort Lebenden für großteils auch dort lebende Kunden gemacht. Deren durchschnittliche Fäntelaltervorstellung soll durchs Mittelreich abgebildet werden, damit sie sich da reindenken, drin wohl fühlen und damit identifizieren können. (deswegen ist das MR mittlerweile auch frei von jeglicher Diskriminierung) Danach sind dazu die "Lieblingsurlaubsländer" drum herum gekommen.
Das stimmt zumindest nicht ganz. Zumindest in der Frühzeit spielte es auch eine große Rolle, ob ein Autor eine Region bzw ein Volk mochte oder nicht, und einige wurden ja direkt als Gegner aufgebaut und entsprechend niedergeschrieben. Das Bornland und Thorwal kommen besser weg als Al'anfa, Elfen besser als Orks. (Und Orks waren doch in anderen Spielen schon länger spielbar, oder? Shadowrun?)
Das hat sich lange so gehalten, tut es vielleicht noch immer, und ich finde schon, dass man das unsympathisch finden darf. Das liegt ja gar nicht am Mittelreich selber, sondern mehr daran, wie Autoren wegen dieser Mittelreich-ist-toll-Tradition auf andere Regionen/Kulturen schauen.
Assaltaro hat geschrieben: ↑08.02.2019 21:57
Wenn ich das hier so lese denke ich es ist ganz gut, dass sich der Metaplot meist auf übernatürliches Böse wie Borbarad, danach schwarze Lande etc. beschränkt. Auch wenn immer vielen eine so klare schwarz/weiß Zeichnungen, wo klar erkennbar ist, wer die Bösen sind, langweilig erscheint. Ich denke gegenteilige Kampagnen mit Kriegen zwischen den menschlichen Kulturen würde den Streit ihr noch mehr anfachen, da einer verlieren muss.
Und wenn man in einem Konflikt um rein weltliche Interessen mal auf die Schwarz-Weiß-Malerei (Al'anfa böse, Novadis gut; Orks böse) verzichten würde? Ich würde nicht vorab ausschließen wollen, dass es spannend und bereichernd sein könnte.
S7evin hat geschrieben: ↑08.02.2019 22:04
Dass niemand einen Al'Anfaner oder einen Novadi spiel will, eben aufgrund der innerweltlichen Darstellung, ist in meinen Augen ein Zeichen dafür, dass die Designer zumindest in diesen Regionen kläglich versagt haben.
Ich habe lange mit viel Vergnügen einen Al'anfaner gespielt. Zeitweise hatten wir auch einen Novadi in der Gruppe.
Leicht nervig kann es sein, wenn Mitspieler irgendwann damit ankommen, der Held müsse doch mit der Zeit einsehen, dass Sklaverei böse sei. (Während Leibeigenschaft natürlich okay ist - weil in den Spielhilfen so beschrieben.)
Ich empfehle dann gern die Kiminalromane um Decius Caecilius Metellus jr. von John Maddox Roberts, wo die absolute Normalität von Sklaverei in der antiken Welt gut rauskommt, wie ich finde.
https://de.wikipedia.org/wiki/John_Maddox_Roberts#SPQR