Herr der Welt hat geschrieben: ↑11.11.2018 21:11Ungelesener Beitrag von Herr der Welt » 11.11.2018 21:11
Ich bin mir nicht sicher, wie gut bei den DSA-Amazonen ein Trophäenfetisch zur Wirkung kommen soll. Ist das Fetischobjekt dabei die Amazone als NSC (erobert durch einen männlichen SC als Imagination des Spielers) oder die Amazone als SC (als Imagination eine dominante Frau zu sein)?
Das Problem liegt in der Pflicht der Amazonen, sich absolut der Sache der Amazonen zu verschreiben: auf Kosten ihres individuellen Begehrens. Der klassische Konflikt zwischen Neigung und Pflicht. Dieses Problem greift (wenn wir schon beim Thema Amazonen sind) Kleists "Pentesilea" auf, in der die gleichnamige Amazonenkönigin aus dieser Ordnung ausbricht. Die brutal entfesselte Weiblichkeit, mit der sie dort nicht nur ihren geliebten Feind auf dem Schlachtfeld (und nirgendwo sonst kann sie ihm begegnen) überwindet und buchstäblich verzehrt, sondern so auch den gesamten Amazonenstaat gefährdet, hat die Zeitgenossen des frühen 19. Jh. noch sehr verstört. Bei den DSA-Amazonen wäre die Entsprechung Gilia (Pentesilea ist die Tochter Hippolytes), die ob der Liebe zwar ebenso der Totalität der Amazonen entsagte, sich aber letztlich gänzlich von dieser vereinnahmen ließ. Die archaischen und blutigen Riten gehören ebenso zu dieser symbolischen Ordnung wie der Kindsmord. Ich denke, dass der Ausbruch aus dieser Ordnung - und vielleicht weniger ihre Fetischisierung - mindestens teilweise Motiv jedes Amazonen-SC ist, der ja die heimische Burg hinter sich lassend zwangsweise herausgerissen wird.
Im Übrigen glaube ich, dass sowohl das Steichen des Kindsmordes (als den radikalsten Signifikanten des Amazonenkultes), als auch die Setzung, Amazonen lebten überwiegend lesbisch (ist das überhaupt so?), eine die eigentliche Problematik nivellierende Harmonisierung bedeuten, welche die Amazonen erzählerisch (und meines Erachtens auch spielerisch) uninteressanter machen.
Danke für die Frage, ich gehe gerne darauf ein.
Mit der von mir erwähnten Punkt 1 Fetischisierung gehe ich tatsächlich von "Der Widerspenstigen Zähmung aus". Die Amazonen im Abenteuerkomplex sind trotz ihrer offensichtlichen Kraft und Macht aus irgendeinem Grund immer Opfer und Hilfebedürftig gewesen, statt Auftraggeber und mächtig. Hinzu kommt, ihre absolut überwiegende Nutzung als Meisterperson sowohl in Empfehlungen, als auch in besagten Abenteuern.
Man wollte also von Alveraniarer Seite her "Begegnungen" schaffen. Der Großteil dieser Begegnung geht jedoch von Hilfeleistung und Eroberung der "eigentlich starken" Frauen aus.
Hier wird das Inzentiv klar auf die Hilflosigkeit der mächtigen Kriegerin im Vergleich zum Heldenhaften des Abenteurers gesetzt. Eine klassische "Damsel in Distress"-Situation, welche die Emanzipation der an sich autark funktionierenden Königinnenreiche abhängig macht vom, wie auch immer gearteten, Einsatz der Heroen aus der Fremde, welche zumeist männlich besetzt sein dürften. Der Spieler darf hier die Dankbarkeit, wie auch immer geartet, der Geretteten erwarten, welche Ihn bei Einlass in ihr Heiligtum (Amazonenburg) sogleich auch mit ihrer sexuellen Unbefangenheit (Oberkörperfreies Training auf Kurkum) als auch dem alltäglichen Ausdruck gleichgeschlechtlicher Liebe nicht nur anziehen, sondern in die klassische Missionierungssituation bringen.
Das Szenario wird zum "Alle Amazonen sind lesbisch, nur meine nicht", wie im Amazonen Einzelabenteuer deutlich angeschnitten wird. Hier ergibt sich die Möglichkeit zur Beilage, die natürlich im Sinne des Spielers zum starken, weiblichen Nachwuchs führt. Die wenigsten Meister werden sich die Mühe machen, den Spieler mit einem männlichen Erben zu konfrontieren.
So wird sinnbildlich nicht nur die Welt der Amazonen vom erobernden Heroen gerettet, auch ihr weiterbestand wird ob seiner aktiven Lenden gesichert.
Hier zeichnet sich klar eine Fetischisierung ab.
Aus Sicht des männlichen Spielers mit einer offensichtlich weiblichen Amazonenheroine kann sicher auch eine gewisse Sexualisierung angenommen werden. Ähnlich der Kritik an Lara Croft in den frühen 90ern, welche klar mit ihrer Aufgabe nicht zu vereinbarende Kleidung und sekundäre Geschlechtsmerkmale aufwies, die Heroin zum indirekten Objekt der Begierde zu machen, muss auch hier die Frage gestellt werden, ob eine perfekt austrainierte "Göttin auf Dere" nicht die eigenen sexuellen Wünsche mehr widerspiegelt, als die in der Beschreibung formulierten Attribute.
Der Spieler kann hier nur durch einer klaren Auseinandersetzung mit dem Hintergrund des bespielten Volkes und einer überzeugenden Darstellung punkten.
Hier sind die Eingaben weiblicher Spieler und Spielleiter ebenfalls wichtig, um zu eruieren, wie diese mit den amazonischen Charakteren umgehen, und inwiefern sie sich durch die Darstellung in Regelwerken und Abenteuern identifiziert sehen. Es gab an anderer Stelle ja bereits Hinweise auf eine Problematik, die aus dem Spiel mit weiblichen Charakteren für Frauen erwuchsen. Die Amazone bietet hier natürlich ein Spielangebot, daß dem unterschwelligen Chauvinismus im männlichen Rollenspiel auf Augenhöhe entgegensteht und somit eine erhebliche Reibungsfläche bietet. Was sich ja auch in der vorliegenden Diskussion mehr als nur einmal gezeigt hat.
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Wechsel des Themenblocks:
Die Auseinandersetzung mit Kleist´s Penthiselea gefällt mir an dieser Stelle sehr gut, da die ihr innewohnende Weibliche Urkraft im ständigen Widerspruch zu ihren zarten Gefühlen steht. Penthiselea als Inbegriff der "Kampflesbe" verzehrt ihre geheime Begierde, die nur in der körperlichen Auseinandersetzung mit Achill Erfüllung finden darf.
Das Thema wurde tatsächlich von DC sehr gut in der Beziehung von Selina Kyle, aka Catwoman und Bruce Wayne aka Batman aufgenommen. Catwoman und Batman sind hoffnungslos ineinander verliebt, jedoch vom Schicksal dazu verurteilt miteinander zu kämpfen, während Bruce Wayne und Selina Kyle sich gerne verlieben würden, aber wissen daß sie des Nächtens erbitterte Gegner sind. Ihrer beiden Wunsch nach Nähe kann nur im Kampf ausgelebt werden, und durch das Feuer ihrer Leidenschaften bringen Sie sich gegenseitig mehr als einmal an den Rand der Vernichtung.
Das hier aufgezeigte Motiv hat DSA leider verfehlt zu addressieren, da Lindion Dunkelhaar, ausgerechnet als Waldelf, hier mehr denn je die Rolle des männlichen Eroberers zukommt, der durch seine Begierde sogar die Thronfolge der Amazonen bedroht, da Gilia ihm hoffnungslos verfällt und ihre, von Geburt an gelehrte, Liebe und Treue zum eigenen Volk verrät. Hier zeigt sich wieder das Motiv der Zähmung der Widerspenstigen, welches in Erzählungen sinnvoller Weise konsequent zum Untergang der Kurkumer Amazonen hätte führen müssen. Was es ja in gewisser weise auch tut, da Gilia erst im Nachhinein von den Konsequenzen ihres Tuns erfährt. Es lässt sich nur mutmaßen wie ein Kurkum unter Thesia Gilia gegen den schwarzen Heerwurm gestanden hätte.
Gilia als gefallene Amazone, die durch göttliche Inspiration zurück zum Thron geführt wird (und eine herausragende Ayla zu Donnerbach), hadert mit ihrem Schicksal, nachdem sie neben ihrer angestammten Familie auch noch Lindion verliert, und muss sich ihren Platz unter den Amazonen erst wieder verdienen. Wir sehen hier eine düstere und nachdenkliche Königin, die verloren hat, was sie liebt, jedoch versucht die Lücke, die ihre Mutter hinterlässt bestmöglich zu füllen.
Auch hier wird die Chance verpasst Gilia über das Strahlen ihrer angeborenen Fähigkeiten und Herkunft zu definieren, sondern man macht, in meinen Augen, den Fehler sie über den Verlust von Mutter und Geliebten zu erzählen. Der Charakter als solcher mag hierdurch vielleicht dramatischer erscheinen, für das Bild der unabhängigen Frau, die Nichts benötigt, als die Liebe zu Rondra und die Kameradschaft ihrer Genossinnen ist es jedoch ein Todesstoß.
Hier wäre vielleicht eine Kleistsche Auseinandersetzung mit Xeraan oder einem seiner Hauptleute die interessantere Wahl gewesen. Für ein Volk, welches der griechischen Mythologie entstammt, wäre hier mit einem griechischen Drama im Motiv der Fragestellung "Wie kann ich dich nur lieben, wenn ich dich doch töten muss?" wesentlich zielführender gewesen.
Frei nach der zeitgenössischen Philosphin PiNK: "Wo sich Feuer im Begehren zündet, sich brennend Herz und Seele findet. Und nur das Brennend Herz allein, kann, darf und muss das End´ nicht sein. So sei die Liebe auch dein Fluch, so steh´doch auf... versuch´, versuch!"