Interessantes Thema.
Im letzten von mir geleiteten und auch weitgehend zusammengestümperten AB (Ist Jahre her, war sogar noch DSA 3) war der Gegenspieler ein (vom Glauben ab-)gefallener Geweihter.
Dieser war nach einem traumatischen Ereignis zu dem Schluss gekommen, dass es die Götter, wenn es sie denn gab, an sich einen Furz bzw. gar nicht interessierte, was die Menschen oder auch ihre Geweihten so trieben, und es im Grunde völlig egal wäre, was gut und richtig sei.
Der verbrachte also seine Zeit damit, planmäßig gegen jedes einzelne Gebot seiner Gottheit zu verstoßen, vordergründig, weil es eh keinen Unterschied machte, unterschwellig aber eher, um eine - irgendeine - Reaktion "von oben" zu provozieren.
Aus verschiedenen "hoch komplexen" (okay, das AB hatte seine Schwächen--- aber immerhin habe ich mir Gedanken um das Thema gemacht
) Gründen, deren Ausführung hier zu weit führen würde, erhielt er aber keine.
Also trieb er es doller und doller, bis er schließlich den ultimativen Plan fasste, um "der ganzen Welt" oder wenigstens seiner ehemaligen Kirche zu zeigen, was für ein Dummfug es war, den Göttern zu folgen und diese zu unterstützen.
An der Stelle kamen die Helden ins Spiel, deren Aufgabe es erstens war, diesen seinen Plan zu bemerken und zweitens, ihn aufzuhalten und ihn unschädlich zu machen.
Frage: Warum hat die Kirche ihn nicht schon längst selbst aus dem Verkehr gezogen?
Hat sie versucht, aber nicht geschafft. (Auch dafür gab es in der Vorgeschichte Gründe).
Wieso wurden gerade die Helden angeheuert? Das passte... auch hier gab es eine Vorgeschichte zwischen Heldengruppe und Kirche (es existierten wechselseitige Verpflichtungen), und die Gruppe konnte etwas, was Kirchenvertreter selbst nicht leisten konnten und durften.
(Interessanterweise stellten sich auch hier einige Mitspieler/Charaktere die Frage, wieso die Götter selbst nicht eingreifen. Dabei hatten sie das ja quasi indirekt getan, indem Kirche und Gruppe zum richtigen Zeitpunkt nach längerer Zeit mal wieder aufeinandertrafen.)
Dabei war es gar nicht so schwer, diesen im Kopf quasi die ganze Zeit Amok laufenden, aber dabei sehr kaltblütig und planvoll vorgehenden Typen spielerisch darzustellen
Das kam offenbar so gut herüber, dass die Mitspieler vor dem noch deutlich mehr Manschetten hatten, als ich zu hoffen gewagt hatte.
))
Allerdings hatte ich gewisse Probleme, ihn wertetechnisch so auszugestalten, dass er tun konnte, was er sollte und das "Versprechen" seiner Darstellung auch eingelöst hat.
Wir haben so gespielt, dass tatsächlich nicht nur die Charaktergestaltung, sondern auch alles andere ausgewürfelt wurde, auch die Aktionen des Gegenspieler . - Das war der Athmosphäre teils nicht wirklich zuträglich, aber ohne das wäre es leicht auf die Ein-Mann-Schau eines supercoolen Schurken hinausgelaufen (die Gefahr bestand durchaus), und so hatte das Ganze durchaus seine komischen Momente.
Warum ich fand, dass der hier unbedingt mit aufgeführt werden muss:
Meine Vorstellung war, dass er nicht in dem Sinne "böse" war. Er war durchaus sehr auf sein Ziel fixiert, und verfolgte seine ehemalige Kirche mit regelrechtem Hass und Verachtung. Er hatte sich aber nicht etwa Blakharaz zugewandt (was wohl aufgrund der Umstände auch sehr gut gepasst hätte) - Dämonen fand er genauso nutzlos und vermutlich letztlich unzuverlässig wie Götter.
Wenn der auch schon als Geweihter einen inhärenten Charakterfehler hatte, war es Hochmut und eine viel zu große Überzeugung von seiner eigenen Wichtigkeit. Dadurch fiel er in der Krise quasi komplett auf sich selbst zurück.
Und damit ging ihm letztlich tatsächlich jeder moralische Maßstab verloren. Er handelte nur nach der Maxime "Was nützt mir/meinem Ziel und was nicht."
Das so auszufüllen fand ich auch als "Darstellerin" mal nicht uninteressant. Und es ergab in der Summe tatsächlich bisher den für die Gruppe gefährlichsten Gegenspieler, weil er schlicht keine Skrupel hatte, offene Chancen gegen sie auch zu nutzen.
Und
ich sie damit auch nicht haben durfte.
Edit: Der Vollständigkeit halber anzuführen:
Ganz auf meinem eigenen Mist gewachsen ist dieser Über-NSC nicht. Vorbild war ein Charakter aus einem Buch (hier: Der Gegenspieler in "Tod und Teufel", von Frank Schätzing), den ich zwar im Original im Auftreten recht gelungen fand, aber nicht in der "inneren" Ausarbeitung. Sprich, ich wollte
diese Außenwirkung mit einer aventurisch-konsistenten und mich auch überzeugenden Hintergrundgeschichte - und dann mal gucken, was passiert.
Ich fand es durchaus lohnend, und meine Spieler dankenswerterweise auch. Probleme in der Umsetzung machte eher der extrem verwickelte Plot im Verbund mit Spielabständen von mehreren Monaten durch extrem weit auseinanderliegende Wohnorte. (Es war dann leider auch unser letztes Abenteuer.)
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"