Das Grundkonzept des Abenteuers finde ich hochinteressant, leider krankt es IMO an einigen Stellen.
1) Die Besiedelung: Aventurien im Allgemeinen und das Dominium Donnerbach im Speziellen ist nicht eben dicht bevölkert. Das Dominium hat eine Fläche von etwa 5000 Rechtmeilen (100 Meilen vom Donnerbach bis zum Mandlaril, 50 Meilen von den Salamandersteinen bis zum Neunaugensee), auf der etwa 6000 Menschen leben, davon 3000 in Donnerbach-City. Das macht eine Bevölkerungsdichte von 1,2 Personen pro km². Zum Vergleich: Sibirien bringt es auf 2,9. Davon zu sprechen, dass dieses Land komplett aufgeteilt ist und ein siedlungswilliger Ritter eher in der unwirtlichen Landschaft im Osten als im Dominium einen Platz findet, erscheint mir durchaus gewagt.
Aber okay, das ist die Prämisse, ohne die gibt es halt kein Abenteuer, insofern kann man da mal ein Auge zudrücken.
2) Die Anwerbung: Mit den drei möglichen Dienstherren hat man einen sehr coolen Kunstgriff geschafft, wie man einander unbekannte Einsteigerhelden mit unterschiedlichen Hintergründen vom geldgeilen Streuner bis zum edlen Ritter ins Abenteuer bugsiert. Der Haken daran: Wenn sich die Ritter etwa eine Woche später in Folge eines Streits aufspalten, gibt es eigentlich keine Motivation für die Heldengruppe, es ihnen nicht gleichzutun.
3) Die Proben: Hier scheint es desöfteren am Verständnis für die Probenmechanik von DSA zu mangeln. Ein Großteil der Proben des Abenteuers sind mit Zuschlägen von +2 bis +5 versehen, erleichterte Proben sind sehr selten. Für Einsteigerhelden ist das gerade bei Proben, die nicht ihrem Fokus entsprechen, ziemlich brutal, wenn man die Faustregel "Zuschlag + 7 = nötiger Talentwert, um es halbwegs sicher zu schaffen" berücksichtigt. Alle zusammen:
Eine Probe +0 ist nicht einfach.
Auf der anderen Seite gibt es dann NSCs wie die Uhdenberger Erzbarone, deren wichtigste Talente im Bereich zwischen 5 und 11 liegen. Ok, wie können die sich jetzt bitte in dem doch recht rauen Klima Uhdenbergs auf ihren Posten halten?
4) Die Aufbauregeln: Es ist schön, dass es endlich mal ein Siedlungsabenteuer gibt, wo auch wirklich das Siedeln als Spielinhalt steht, statt nur Plots der Marke "Während die Siedler den richtigen Platz für eine Siedlung suchen/die ersten Gebäude hochziehen/die Felder bestellen/die Motte errichten, sind die Helden damit beschäftigt, ein nahes Goblinlager auszuheben/einen Schatz zu suchen/einen Drachen zu retten/eine Jungfrau zu töten".
Leider hakt es bei der Ausformulierung der Regeln. So wird bei den Gebäudetypen erwähnt, dass die benötigten Baumaterialien durch Innenwände und Zwischendecken pauschal um 1/3 erhöht werden. So weit so gut, aber ist diese Erhöhung jetzt schon in den gelieferten Werten mit drin oder nicht? Und wieviele Menschen können sich jetzt in eine Kate und wieviele in ein Großhaus zwängen?
Auch die Nahrungsbeschaffung ist nicht ganz unproblematisch: Beim Ackerbau wird leider nicht erwähnt, wieviel Zeit so ein Feld während des Wachstums benötigt. Braucht das die komplette Aufmerksamkeit eines Bauers, so wird dieser seine Siedlung tatsächlich mehr Nahrung kosten, als er ihr einbringt. Details dazu
hier. Hat das Dorf hingegen ein paar Schafhirten in seinen Diensten, brechen goldene Zeiten an - ein einzelner Schafhirte mit Viehzucht 10 und einer fünfzigköpfigen Schafherde kann täglich 25 Rationen in Milch und Käse erzeugen.
Immer diese überpowerten Schafhirten.
Insgesamt drängt sich mir hier der Gedanke auf, dass man sich zwar einiges an Gedanken gemacht, aber das ganze nicht in einem Planspiel mal durchsimuliert hat. Dann hätte man aus meiner Sicht lieber abstrahieren sollen, statt mit konkreten Größen zu arbeiten - auf diese Weise rechnet es sich leichter und Fehler fallen weniger auf.
5) Das Finale des ersten Kapitels: Das mag jetzt eher eine Kleinigkeit sein, aber irgendwie kommt mir das nicht schlüssig vor. Die Anweisung Thalias bei dem Angriff der Schattenwölfe lautet, die Dorfbewohner aufzusuchen und ihnen aufzutragen, sich in ihren Hütten einzuschließen? Hat man nicht gerade ein Vierteljahr damit zugebracht, für genau solche Aktionen eine Motte zu konstruieren?
Zudem brechen dann später die Superwölfe auf ungeklärte Weise das Tor der Motte auf. Wäre da eine Bauernkate nicht noch ein viel einfacheres Fressen?
Insgesamt handelt es sich aber um ein interessantes Abenteuer, das ich an einen anderen Ort verlegt und mit einigen Änderungen versehen definitiv mal leiten werde.