Bevor ich anfange, das Abenteuer zu bewerten, möchte ich zunächst etwas Selbstkritik vorausschicken: Ich habe es damals gemeistert, und ich habe es im Rückblick nicht allzu gut gemacht, das ärgert mich jetzt noch. Ich weiß noch, wie ich das Abenteuer gelesen habe und mir fest vorgenommen hatte, offen zu sein mit dem festgelegten Plot zu brechen und den Helden ganz neue Freiräume zu bieten, weil ich da große, spannende Möglichkeiten sah - und wie ich an diesem Vorsatz kläglich gescheitert bin. Im Endeffekt fehlte mir einerseits der Mut, radikal etwas zu ändern. Andererseits bietet das Abenteuer dafür aber auch null Unterstützung, und es hat eben nicht jeder die Zeit, das ganze Abenteuer umzuschreiben - wenn die Helden einmal eine nicht vorgesehen Ausfahrt auf der politischen Autobahn nehmen, kann man das Abenteuer halt in weiten Teilen nicht mehr verwenden.
Im Endeffekt war es (glaube ich) total frustrierend für die Helden.
* Da stehen ein paar böse Trollstelen rum, die Leben aussaugen und mit denen Rhazzazor was böses vorhat. Machen kann man aber nix dagegen, obwohl der Magier sich eingehend mit den Dingern beschäftigt hat.
* Der Konflikt zwischen Rohaja und Answin, der - Überraschung! - darauf hinaus lief, dass die beiden sich die Köpfe einschlagen. Meine Helden haben mehrfach versucht, die beiden zu einem Zweckbündnis, oder zumindest einem Waffenstillstand zu bringen, aber das war vom Abenteuer ja nicht vorgesehen. Und als die beiden am Ende doch über ihren Schatten sprangen, um gemeinsam gegen den Schwarzen Drachen zu kämpfen, wurde dies (verständlicherweise) mit einem "Ach, jetzt auf einmal doch?" quittiert.
* Silpion. Die Helden kamen von ihrem Himmelfahrtskommando (das ohne weitere Ausarbeitung sehr langweilig ist) zurück, und hatten den sehr klugen Gedanken, das unter all diesen Entbehrungen erbeutete Schwert nur in die Hände von Rohaja persönlich zu geben. Aber nein, da musste der Holzhammer "ich seid so erschöpft, und Leomar nimmt euch das Ding ab bevor ihr damit sinnvoll verfahren könnt" her. Immerhin ist es mir in Gestalt Leomar gelungen, die Helden nachträglich einigermaßen davon zu überzeugen dass er Answin das Schwert in besten Absichten für das Reich überreicht hatte.
Ragnar Schwefel hat geschrieben, ein Loyalitätswechsel der Helden war nie vorgesehen. Bäh. Da ist doch jede Menge verschwendetes Potenzial: Wofür ein graues Aventurien, wo gut und böse verschwimmen und Gewissens- und Loyalitätskonflikte entstehen, wenn die Helden auf diese Zweifel gar nicht eingehen dürfen? Davon abgesehen fahren die Helden keineswegs eine klare, einheitliche Linie: Sie sollen loyal zu Rohaja sein, aber dann doch bitte nicht so loyal, dass sie nicht auch mit Answin zusammen arbeiten und eine ganze Zeit mit ihm abhängen können, sich dann aber doch wieder auf ihre Seite schlagen, und ihr auch treu zur Seite stehen als am Ende ein Geheimnis rauskommt, dass ihre Loyalität zu ihr in ihren Grundfesten erschüttern könnte.
Was man dem Abenteuer vielleicht nicht direkt ankreiden kann, mir aber doch sehr sauer aufgestoßen ist: Erst nachdem wir das Abenteuer abgeschlossen hatten, las ich die Thronfolgeregelungen in HdR. Und daraus ergibt sich nunmal, dass Brin (im Widerspruch zur Aussage aus RdK, er sei ein "legitime[r] Nachfolger von kaiserlichem Blut" (S. 99)) und seine Sippschaft von Rechts wegen nie, nie, nie etwas auf dem Thron verloren hatten, während Answin einen ganz konkreten Anspruch auf die Krone hatte. Man mag argumentieren, dass Answin durch seine Missetaten und sein Scheitern den Anspruch verwirkt habe (Stichwort: "Kaiserheil"), aber ein fragwürdiger Anspruch ist immer noch hundert Mal mehr als Rohaja je hatte. Als meine Helden ihre Rechts- und Staatskunde bemühten, konnte ich ihnen die Aussage aber nicht liefern, da gemäß RdK Bastardkinder ja erbberechtigt sind. Die Aussage aus HdR hat im Endeffekt die ganze RdK in einem ganz anderen Licht dastehen lassen. Mit diesem Wissen wäre es keineswegs so undenkbar, dass die Helden sich am Ende auf die andere Seite stellen.
Dass die Helden sich genauso verhalten, wie im Abenteuer vorgesehen, ist durchaus denkbar. Besser gesagt: Es ist einer unter vielen denkbaren Verläufen, und dass die Helden immer haargenau den festgelegten Pfad beschreiten, erfordert entweder eine Menge Glück - oder eine Menge Gängelei. Tun die Helden es aber auch nur einmal nicht, wird das Abenteuer gesprengt.
Viele Dinge wirkten auch völlig überzogen und unlogisch. Die Stelen, der Jahrhundertwinter und so, als ein Beispiel. Oder dass mit ein paar Heiligen Fingerknochen mal eben der Eingang ins Totenreich zerstört werden sollte - ja neee, ist klar! Bei so einem fundamentalen Angriff auf seine Macht war Boron natürlich präsent, indem er "Licht aus Borons Hallen" (aka absolute Finsternis) schickt. Das bewirkt dass die Boronskrieger blind sind, während die Untoten im Dunkeln sehen können. Toll gemacht, Boron! Auf welcher Seite stehst du eigentlich?
Oder die Belagerung von Rommilys, wo die Helden irgendwann feststellten: Ach, das sind ja viel weniger als wir, wir haben Mauern und die sitzen im Schnee, ist ja gar nicht so schlimm.
Ansonsten sind mir noch mehrere "Kinoszenen" in Erinnerung geblieben, wo die Helden im Endeffekt nur Zuschauer waren, während der vorgeschriebene Lauf der Dinge voranschritt. Kann man mal machen, für meinen Geschmack war es aber zu oft der Fall. Oder wo man die Helden eben mit Gewalt davon abhalten musste, einzugreifen (Beispiel: Zweikampf zwischen Answin und Hal).
Ich habe jetzt die Schwächen genannt, die mir am stärksten aufgefallen sind. Es gäbe noch mehr zu kritisieren, aber das wurde ja bereits gründlich durchgekaut. Um dann auch mal ein paar positive Aspekte heraus zu greifen:
* Die Beschreibung Answins und seiner Motivation als geläuterter Sünder, der aber im Endeffekt eher wider Willen zurück in seine alte Rolle gedrängt wird, hat mir sehr gut gefallen. Auch wenn, die gesagt, vielleicht mal irgendwo hätte erwähnt werden können, dass ihm die Rolle von Rechts wegen sogar zustand (oder jedenfalls irgendwann zugestanden hatte). Sehr gut ausgearbeitet, aber leider wurde nicht das ganze Potenzial ausgeschöpft.
* Die Rettung Rohajas zu Beginn des Abenteuers hat mir eigentlich auch sehr gut gefallen. Klar kam dabei mal wieder der arg überstrapazierte Stab des Vergessens zum Einsatz, aber diesmal in genau dem Sinne, den er seit DSA-Gedenken immer schon hatte, von daher fand ich es ok.
* Die Dreikaiserschlacht fand ich auch sehr schön, vor allem dass Hals Auftauchen dann eine epische Wendung brachte. Sehr schön auch, dass die Gegenseite zunächst versuchte, die "Illusion" aufzulösen - hat meinen Spielern ein nettes Grinsen beschert. Schade ist halt, dass Hal erst weinerlich war, und dann sehr schnell wieder das Zeitliche segnete.
* Nahemas Rolle fand ich auch sehr passend. Man mag sie vielleicht hassen, aber sie ist nunmal mit der ganzen Geschichte um die von Gareths eng verwoben, und ihre Rolle als Drahtzieherin im Hintergrund gefällt mir. Auch den Spielern (denen ich über ihr Heldenwissen hinaus nach Ende des Abenteuers noch Infos dazu habe zukommen lassen) hat das ganze gut gefallen. Klar, mit einem Beigeschmack von "Dieses Miststück!", aber das ist ja auch genau das Gefühl dass jedes Auftreten von Nahema begleiten sollte.
OK, wie man sieht, muss ich bei der Hälfte der von mir als positiv bewerteten Dinge trotz allem einen Wermutstropfen anhängen - sehr bezeichnend. Alles in Allem bleibt das Abenteuer eines mit ungeheurem Potenzial, das der Spielleiter aber in Eigenarbeit heben muss. Beim nächsten Mal würde ich es sicher anders machen.
Ich gebe dem Abenteuer - in Anerkennung des schlummernden Potenzials - 2,49 Punkte, also abgerundet zu 2.
Jede kann maskierte Superheld*in sein. Ihr müsst gar nicht 24/7 bereit stehen oder euer Leben in die Waagschale werfen. Die Maske reicht schon!