So, ich habe mich hier nun auch einmal angemeldet, um meine Meinung über DSA kundzutun. Beginnen wir also gleich mit dem neuesten Buch: Rabenerbe.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass die folgende Rezension fiese Spoiler enthalten wird. Wer diese nicht lesen möchte, sollte direkt zum allgemein gehaltenen Fazit am Ende springen. Außerdem möchte ich gleich zu Beginn klarstellen, dass ich von Natur aus ein sehr kritischer Mensch bin, der die verschiedensten Filme und Bücher zu Tode rezensieren kann, wenn man ihn lässt. Es könnte also im folgenden Beitrag durchaus zu so genanntem 'nitpicking' kommen.
Also gut. Direkt am Anfang oute ich mich direkt einmal als Al'Anfa-Fan, ein Aspekt, der diese Kritik sowohl negativ als auch positiv beeinflussen wird. Damals blätterte ich in der Geographia Aventurica, fand ein Bild zu Amir Honak und dachte mir: Der sieht interessant aus. Ich bestellte mir sowohl IdDM als auch Rabenblut, um über meine neue Lieblingsregion grundlegend informiert zu sein. Doch während ich IdDM restlos begeistert wieder zuklappte, fiel meine Meinung zu Rabenblut deutlich negativer aus. So viele Änderungen, so viele tote Meisterpersonen und vor allen Dingen: Oderin. Leider kam danach nicht mehr allzu viel zum neuen Al'Anfa, dass mich von Oderins Militärherrschaft hätte überzeugen können, daher wandte ich mich zunehmend anderen Regionen zu. Dann aber erfuhr ich von der geplanten Kampagne und von den vorausgehenden Büchern und war sofort wieder Feuer und Flamme. Rabenerbe war gleich bestellt, wurde sehnlichst erwartet und an einem Tag gelesen... doch beim Zuklappen blieb nichts als ein "Meh".
Vorneweg: Am Schreibstil gibt es nichts zu bemängeln. Manchmal wurde die Autorin mit den Beschreibungen der Landschaft etwas ausschweifend, doch nie so sehr, dass es stören würde. Rechtschreibfehler gibt es, auch dank eines Lektorats, so gut wie keine.
Der Plot: Es gibt vier grundlegende Handlungen, die sich auf viele Personen verteilt durch das ganze erste Buch ziehen:
- Der Rabenbund: Zu geheimen Sitzungen treffen sich immer wieder enttäuschte Granden (darunter Shantalla Karinor und Gilia Bonareth) mit enttäuschten Boronis (unter der Führung des ewig unzufriedenen Brotos Paligan), die planen, die Oberhäupter Amir Honak und Oderin du Metuant zu ermorden und zumindest ersteren zu ersetzen
- Der Feldzug: Oderin du Metuant plant, das Kemireich für die Prinzessin Rhonda Setepen zu erobern. Doch dafür fehlt ihm Borons Segen, die der Patriarch ihm partout nicht geben will
- Der Meuchler: Said, der Bastardsohn Aurelian Bonareths und ausgbildeter Meuchler des zweiten Finger Tsas, will das Erbe seines Vaters antreten. Mit seinen Bemühungen verärgert er Emilia Bonareth, die seine Schwester Inion zur Strafe als Hure in die Arena schickt
- Der Familienstreit: Goldo Paligan beschafft seinen entfernten Verwandten Esmeraldo Paligan aus Sylla, um ihn gegebenenfalls durch Amato zu ersetzen
Ganz schön viele Handlungsfäden? Finde ich auch.
Der Rabenbund ist durchaus ein interessanter Punkt, der so ja auch schon lange angedeutet wurde (Ich meine, wie viele Jahre hockt Brotos jetzt schon nichtstuend in der Stadt des Schweigens herum?). Leider kommt er viel zu kurz. Wir bekommen ein Treffen durch Shantallas Augen mit, wo uns die Ziele des Bundes ausführlich vorgekaut werden. Mitglieder werden, außer dem oben genannten, nahezu keine genannt. Dann wird die Versammlung noch einmal durch Said gesprengt und geflüsterte Worte von Amato belauscht. Letzterer berichtet dies Amir Honak, der aber nur seinem neu entdeckten Hobby nachkommt: Nichtstun. Das wär's.
Enttäuschend für einen Plot, der so viel mehr hätte geben können. Wie ist der Bund entstanden? Was hat das Fass für Brotos zum Überlaufen gebracht? Warum hat die Hand Borons, die das Labyrinth (welches für die Treffen genutzt wird) ihr zweites Zuhause nennt, dem Patriarchen nichts vom Rabenbund erzählt? Alles Fragen, die ich gerne beantwortet sehen würde, die aber größtenteils nicht einmal angeschnitten werden.
Nummer zwei: der Feldzug. Noch ein verschenkter Plotpunkt. Das, was die Haupthandlung hätte definieren sollen, verschwindet nach den ersten Seiten weit im Hintergrund. Rhonda Setepen trifft zwar ein, spricht aber keinen Ton. Oderin und Amir benehmen sich wie kleine Kinder und wollen nicht miteinander verhandeln. Und Esmeraldo tat bisher auch nichts, außer es sich in der Villa Paligan gutgehen zu lassen. Schade.
Den Familienstreit finde ich dagegen sehr interessant. Ein intriganter Esmeraldo, der sich über den weichen Amato lustig macht, hatte etwas. Genauso kann ich die Entscheidung Amatos nachvollziehen, kein Schoßhündchen mehr sein zu wollen. Leider schwächelt diese interessante Idee etwas an der Einseitigkeit Esmeraldos, auch machtgieriger Grande Nummer 543 genannt.
So... und nun zu Said und Inion, die ich für die uninteressantesten Charaktere in der Geschichte Al'Anfas halte, Said mehr als Inion. Wie kommt der Junge eigentlich auf die absurde Idee, im Alleingang! auf einer Feier! dem Familienoberhaupt! einen Dolch! an die Kehle setzen und dann zu verlangen, in ebenjene Familie aufgenommen zu werden? Daraufhin lässt er sich auch noch offensichtlich übertölpen und muss aus diesem schwer bewachten Anwesen fliehen, was ihm natürlich gelingt. Kommt er danach zur Vernunft? Nein, denn jetzt möchte er sich seinen Namen mit Gewalt erkämpfen. Zumindest vom Wesen her wäre er wohl ein guter Grande.
Warum ich den Plot nun so schrecklich finde? In meinen Augen ist er unnötig. Saids Part in der wichtigen Geschichte hätte problemlos erneut von den Rebellen übernommen werden können, als Charakter ist er extrem unsympathisch und zuletzt: Er stiehlt wertvolle Seiten, die man viel besser für die oben genannten und viel zu kurz gekommenen Plots hätte nutzen können. So bleibt mir nur zu sagen: Wann immer sein Name aus Überschrift erschien, seufzte ich und blätterte kurz vor, um zu sehen, wie lang ich ihn denn ertragen müsste.
Zusammenfassend kann ich also feststellen: Interessante Ideen, teilweise gute Umsetzung, aber Seitenklau durch den, meiner Meinung nach, überflüssigen Charakter Said.
Die Personen:
Said, Meister der Flucht
Meine Meinung zu ihm dürfte ja größtenteils schon klar sein. Er ist egoistisch, machtgierig und will sein Ziel um jeden Preis erreichen, egal, wie viele Menschen er dabei verletzt (Beispiel: Rurescha). Insgesamt erscheint er mir mehr wie ein Kind, dass trotzig auf den Boden stampft und "Ich will aber" schreit. Kinder von Sklaven bleiben Sklaven, hat ihm das niemand gesagt? Seine Ansprüche beruhen auf nichts außer einer wagen Vermutung über die Motive seines toten Vaters. Toll, Said, wirklich toll.
Inion, Damsel in Distress
Jedes Buch hat sie, so auch dieses. Jeder kennt sie, die holde Dame, die es um jeden Preis zu retten gilt. Bei uns heißt sie Inion, aber unschuldig ist sie wohl schon lange nicht mehr. Zur Strafe für die Taten ihres Bruders wurde sie in die Arena geschickt, um die Gladiatoren nach ihrem Sieg zu erfreuen. Sie wird verschlossen, ängstlich und leblos. Eine gute Idee, die ich mochte, die mir aber zu oft erwähnt wurde. Wir wissen es, Inion geht es schlecht, sie leidet und vertraut nicht einmal dem einen netten Gladiatoren, an den sie gerät.
Shantalla, die Verführerin
Die Perspektive Shantallas mochte ich zugegebenermaßen sehr gern, denn sie ist sowohl eine intrigante Grandin, die stets auf ihren Vorteil bedacht ist, als auch die freundliche, zuvorkommende Dame, die sich als Vertraute anbietet. Eine sehr vielschichtige Person, von der ich sehr gern mehr lesen würde.
Amato Paligan, der ewig Schüchternde
Zwölf Jahre sind es Rabengeflüster, und Amato hat sich nahezu gar nicht verändert. Das ist nicht unbedingt schlecht, denn seine schlichte, nachdenkliche Art ist sehr sympatisch, aber unglaubwürdig, denn wie schaffte es so, in der Stadt der Intrigen zu überleben? Durch Oderins Schutz? Trotzdem bleibt er die Person, aus dessen Sicht ich am liebsten lese, denn Amato scheint überall mitzumischen. Man hätte ihn problemslos zu Hauptperson des Buches machen können, ohne diesem dabei zu schaden.
Esmerado Paligan, polititische Position unklar
Dieser Herr wird uns auf den ersten Seiten als Hauptperson vorgestellt, der intrigante Grande, der alles opfert, um an die Macht zu kommen. Es stellt sich nur die Frage nach seiner Loyalität. Ist er auf Oderins Seite? Oder auf Shantallas? Oder Goldos? Es wird nicht klar, denn nach der Hälfte des Buches verschwindet Esmeraldo nahezu gänzlich aus der Liste der erzählenden Personen.
Emilia Bonareth, Wir-brauchen-unbedingt-noch-das-einseitige-Grandenklischee
Ja, das war es auch eigentlich schon. Emilia ist reich, verwöhnt, brutal und dumm. Toll. Wie sympathisch. Hier brauchte man wohl einfach ein böses Gegenstück zu Said, das nicht über diese ihr zugedachte Rolle hinauskommt.
Das sind wirklich sehr viele Personen. Neue Gesichter wie Emilia und Esmeraldo bleiben flach, Oberhauptcharakter Said schwächelt merklich in dieser Rolle und Amato und Shantalla leben davon, bereits in vorangegangenen Publikationen beschrieben worden zu sein. Mir persönlich macht das allerdings weniger aus, als es sollte, denn ich mag die differenzierten Meinungen, die sich daraus ergeben. Doch für Andere könnte dieser Wust an beschreibenden Personen sehr schnell unpersönlich vorkommen.
Nebenpersonen:
Amira Honak: Kommt nicht vor. Daher hätte gerade sie nach ihren Debakeln in Rabenblut und AfG noch mal einen ordentlichen Auftritt gebraucht.
Rurescha: Saids Sidekick, die ihn am Ende vollkommen unüberraschend verrät. Warum blieb sie überhaupt bei ihm? Was will sie überhaupt mit ihm? Es ist doch vollkommen klar, dass er entgegen seiner Versprechungen nicht von seinem Vorhaben ablassen wird.
Gilia: Ganz nett. Die Macht hinter Emilias Thron. Aber wieso ist sie jetzt auch Amirs Schwester? Wie Malane? Könnte mir mal jemand einen Stammbaum zeichnen?
Ismene: Sehr angenehme Person, die Amato mütterlich unter die Arme greift. Daumen hoch.
Reto: Ist weg. Er entscheidet nach zwölf Jahren plötzlich, dass es nun Zeit ist zu gehen. Hilfreich für Amatos Entwicklung, aber traurig. Ich mochte ihn.
Die Cavalliera: Ist dauerbekifft. Interessant, was noch daraus werden könnte.
Rezzan Zornbrecht: Mein neuer Lieblingscharakter. Die burschikose Art und das Hilfsangebot an Amato machen ihn mir sehr sympathisch. Da ihm mit dem Namen Zornbrecht der Bösewicht schon auf den Leib geschneidert wurde, warte ich jetzt nur noch auf die Enthüllung seines Verrats.
Der Albernier: Reto 2.0. Der knurrige Gladiator aus dem Mittereich mit dem Herz aus Gold.
Alena: Ihre direkte Art macht sie dem Leser sehr sympathisch. Daumen hoch.
Goldo: Sehr alt geworden, aber ansonsten genau wie immer.
Das ganze Buch über stellte sich mir besonders eine Frage: Konnte es mich von Oderins neuem Al'Anfa überzeugen? Kurz: Jein. Der Charakter Oderin leidet wie viele andere Personen an zu wenig Platz, um sich zu entfalten und Stärken wie Schwächen zu offenbaren. Er soll ein schlechter Diplomat sein? Merkt man nicht. Oderin darf einmal auf den Tisch hauen und eine faustschwingende Rede halten, aber das war es auch
leider schon. Da hätte ich weitaus mehr erwartet.
Die größte Enttäuschung habe ich mir allerdings für den Schluss aufgespart: Amir Honak. Mein einstiger Lieblingscharakter verkommt weiterhin zum nichtstuenden 0815-Kirchenoberhaupt. Dabei hatte mich gerade seine Menschlichkeit, darunter sein Jähzorn aber auch seine Hilfbereitschaft sowie sein Humor, überhaupt gereizt, mich näher mit ihm zu beschäftigen. Davon ist nichts mehr übrig. Lethargisch schließt er sich in seinem Tempel ein und brütet über Worte Borons, die er schon ewig hört aber nicht deuten kann. Zweifelt er deswegen? Nö, denn irgendwann wird's ihm sicher klarwerden. Also Amato zu ihm kommt und von dem wahrscheinlichen Verrat berichtet rastet Amir nicht etwa aus, wie es seine Werte und vorangegangenen Beschreibungen vermuten ließen, nein, er sagt: "Du wirst das schon richten." Das war's.
Wieso musste man einen interessant beschriebenen Charakter, mit dem man sich identifizieren konnte, durch dieses entrückte Etwas ersetzten? Gerade seine Schwächen machten Amir interessant, aber jetzt ist er ja für "fleischliche Gelüste nicht mehr zugänglich." Und damit ist er, wie ich es leider zugeben muss, schlicht uninteressant geworden.
So, der Text ist doch etwas länger geworden, als ich gedacht hätte. Kommen wir also schleunigst zum Fazit.
Das Buch krankt vor allem an zwei Dingen. Erstens hat es keinen wirklichen Höhepunkt oder Abschluss, da es ja noch einen zweiten Band geben wird. Und zweitens versucht es zu viel auf zu wenigen Seiten, womit alles eher halbherzig wirkt. Ist es deshalb schlecht? Nein, denn das Feeling Al'Anfas wird noch immer wunderbar übermittelt, die meisten Personen sind zumindest interessant genug, um weiterhin über sie lesen zu wollen und es
gibt ja einen zweiten Teil, der die Geschichte beendet.
Daher von mir drei Sterne, aus denen zwei werden, wenn der Nachfolger es nicht noch rausreißt.