Aryador hat geschrieben: ↑21.11.2022 15:24
das, was die PnP-Szene als Rollenspiel beschreibt, sind jeweils unterschiedliche Dinge, die allenfalls Überschneidungen haben, wie ähnliche Regelsysteme oder gemeinsame Welten. (Gemeinsame Welten haben aber auch Film, Buch und Spiel.)
Und Regelsysteme mit Stats findet man auch in reinen Tabletops wie Warhammer.
Gamer bezeichnen etwas als "Rollenspiel", wenn darin feste Werte vorkommen, wenn ein Level-Aufstieg möglich ist, wenn es Kämpfe gibt, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das sind zwar alles Aspekte, die auch im Pen&Paper vorkommen, aber der aus meiner Sicht wichtigste Aspekt fehlt: Tatsächlich eine Rolle zu spielen. Das ist zwar in einigen Computer-RPGs möglich, aber es ist aus meiner Erfahrung selten definitorischer Kernbestandteil, zumal eine der wichtigsten Möglichkeiten fehlt: Sprache, Gestik, Mimik, sowie auch eine Hintergrund-Story, die über den Wertekasten hinausgeht.
Womit wir wieder beim Thema sind, dass PnP im Grunde zwei verschiedene Genres sind, die man einfach zusammengeworfen hat.
Interessanterweise ist die tatsächliche (im wörtlichen Sinne) Rollenspielerfahrung meist viel intensiver, wenn es um ein anderes Gaming-Gerne geht, nämlich das Adventure. Hier schlüpfen Spieler tatsächlich in eine Rolle, häufig mit Hintergrundstory und die Figur ist oft zentraler Dreh- und Angelpunkt der Spielerfahrung. Dafür fehlen dann oft Aspekte wie Kampf, Levelaufstieg, Fertigkeiten, etc., weswegen dann Gamer bei Spielen, die beides aufweisen, davon sprechen, das sei "eine Mischung aus Adventure und Rollenspiel".
Was hierbei interessant ist, ist, dass die Offline-RPGs deutlich eher der "Rollenspiel-Erfahrung" gerecht werden als MMORPGs. Ich erinnere mich noch daran, welche Hoffnungen ich damals (also 2004) in WoW gesetzt habe und wo ich im Endeffekt dann doch eher enttäuscht war, dass es so gar nicht dem entsprochen hat, was ich mir ausgemalt hatte - was zunächst mal irgendwie kontraintuitiv ist, da man davon ausgehen würde, dass eine geteilte Welt mit tausenden von Mitspielern eher die Rollenspiel-Erfahrung ermöglichen würde als eine, in der man selbst der einzige Teilnehmer ist, der nicht KI-gesteuert ist.
Assaltaro hat geschrieben: ↑22.11.2022 08:28
Irgendwie versteh ich da deinen Punkt nicht warum man in einem Adventure näher dran ist eine Figur mit Hintergrund zu spielen als in einem RPG, wenn ich da bei RPG an Witcher, Final Fantasy, Persona, Tales of Reihe oder etwas exotischer Legend of Heroes Trails of… denke
Witcher und FF (die anderen Titel kenne ich persönlich nicht) sind das, was Aryador als "Mischung aus Adventure und Rollenspiel" bezeichnet hat.
Hierzu muss man sagen, dass da auch einiges an Entwicklung stattgefunden hat: Die ganzen westlichen CRPGs der 80er und 90er Jahre waren ganz anderer Machart als das, was später kam.
Ich würde folgende Varianten identifzieren:
1.
Klassisches CRPG (Nordland-Trilogie, alle ADnD-Adaptationen von SSI, Bard's Tale etc.): Man bastelt sich nach eigenem Gusto eine Gruppe zusammen nach den zugrundeliegenden PnP-Regeln, aber es ist im Grunde genommen komplett egal, welche Zusammenstellung man spielt, da die Charaktere reine Dummys ohne Persönlichkeit sind, die weder untereinander noch mit der Welt wirklich interagieren.
2.
Japanisches CRPG (Final Fantasy etc.): Hier war es genau andersrum: Man kriegt alle Charaktere inklusive des Protagonisten vorgegeben; dafür hatten sie dann auch so etwas wie eine eigene Persönlichkeit.
3.
Modernes CRPG (der meiste Kram von Bioware): Eine Synthese aus 1 & 2 - man darf sich den Protagonisten selbst aussuchen inklusive Klasse, Persönlichkeit und Elementen des Hintergrunds (wobei die Ausgestaltungsoptionen allerdings sehr eingeschränkt sind), aber die Gruppe ist ähnlich wie unter 2 von den Designern erstellt. In Baldur's Gate konnte man sich noch aussuchen, wie die Zusammensetzung der Gruppe war, aber spätestens ab Knights of the Old Republic hatte man immer alle Gefährten im Schlepptau.
(Witcher ist insofern ein Sonderfall, da man hier nur einen einzelnen Protagonisten führt, der mit Name, Hintergrund etc. bereits vorgegeben ist; und darüber hinaus auch keine Gruppe hat.)