Ungelesener Beitrag
von Gecq » 21.12.2013 12:33
Ich will da jetzt nichts schönreden. Wir sind uns der Problematik durchaus bewusst gewesen, nicht zuletzt, weil wir die Welt ja selbst schon lange bespielen. Ich spiele zum Beispiel einen weiblichen Charakter, allerdings bin ich selbst männlich und damit ist das jetzt nicht vergleichbar mit Deiner Position.
Wir haben nach intensiven Diskussionen zwei Entschlüsse gefällt:
Wir wollen das Setting nicht im Kern verändern. Das Pantheon und seine Priester (-innen) setzen gewissermaßen die patriarchalische Struktur fest.
Wir haben uns aber auch entschlossen, die konkreten Ausformungen der Kultur so stark zu variieren, dass genügend Freiräume für das Spielen weiblicher Figuren - und auch für NSCs - entstehen.
Zu unseren Intentionen diesbezüglich haben wir im Settingband schon einiges geschrieben. Im Regelband widmen wir ein umfangreiches Kapitel einerseits der Frage, wie man tharunische Charaktere, die systemkonform agieren, überhaupt spielen kann, und ein großer Teil dieses Kapitels geht auf weibliche Figuren ein.
Es ist nicht nur möglich, weibliche Brigantai zu spielen, auch wenn ich persönlich speziell diese Rolle für reizvoll halte - wegen des eingeschriebenen Oppositionscharakters.
Es ist aber genauso möglich, systemkonforme Frauen mit großem Einfluss zu spielen, z. B. in Kuum, wo die Frauen die Organisation der Gesellschaft nach innen bestellen. Eine der mächtigsten Personen im ganzen Reich ist beispielsweise die Kuumjacha, die Stellvertreterin und Zeremonienmeisterin des Reichsherrschers.
In Thuara haben ausschließlich Frauen das Privileg, Runensteine zu benutzen. Sie sind also die einzigen magiekundigen Charakere in ganzen Reich. Ich will nicht unterschlagen, dass der Auslöser für diese Ausformung wiederum ein patriarchalischer Reflex der Azarai war, aber die aktuelle Realität im Reich prägt das nichtsdestoweniger.
In Ilshi Vailen wird die Geschlechterordnung neutralisiert durch ein rigides Kastensystem. Hier gibt es also auch mächtige Schwertmeisterinnen und Fürstinnen und quasi keine Diskriminierung. In diesem Sinne kommt das Reich Ilshi Vailen der Geschlechterneutralität am nächsten. Natürlich tun sich auch in Vailen gesellschaftliche Abgründe auf, allerdings nicht im Geschlechterverhältnis.
Im Reich Lania kommt den Frauen eine Art gelebtes Lady-Ideal entgegen. Das schließt also Waffentätigkeit aus, aber politisch interessante Figuren mit großem Einfluss ein.
Im Zentralreich Tharun schließlich, das eine Art Melting Pot aller Kulturen darstellt, ist in der Folge so ziemlich jede Figur auch in weiblicher Besetzung denkbar.
Das sind nur ein paar Beispiele für die angesprochenen Variationen. Für die nicht genannten Reiche bieten wir darüber hinaus eine ganze Reihe Ideen für weibliche Charaktere an, die die Geschlechterordnung in der einen oder anderen Weise unterlaufen und die das Führen von Waffen und auch die Schwertmeisterschaft inkludiert. Das ist zwar konkret keine Gleichberechtigung, bietet aber je nach Vorlieben mitunter reizvolles Potenzial für SCs und NCSs.
Das alles heißt natürlich nicht, dass man ein patriarchal geprägtes Setting nicht trotzdem doof finden und auch ablehnen kann. Ich bin ein Fan der absoluten Geschlechterneutralität in Aventurien. Ich finde sogar, dass das eine wichtige Kerneigenschaft ist, die noch viel zu wenig Beachtung und Ruhm findet. Das Spiel in Aventurien ist aber spätestens am Spieltisch den gleichen sexistischen Mechanismen ausgesetzt, die in der irdischen Gesellschaft leider wirksam sind.
Ein anderer Ansatz, wie in Tharun, der nicht versucht, zu behaupten, als gäbe es kein Sexsimusproblem, sondern der im Gegenteil auch versucht, diese Strukturen sichtbar zu machen, zu verdeutlichen und zu thematisieren und dann konkrete Umgangsformen damit vorzuschlagen, kam uns sinnvoll vor und ist vielleicht auch eine Prüfung wert.