Das Grimorium Cantiones war sicher der am sehnlichsten erwartetste Band des Rohals Erben Crowdfundings und auch ich konnte es kaum abwarten ihn in den eigenen Händen zu halten (oder als PDF zu lesen). Nachdem ich es jetzt die letzten 4 Wochen lang studiert habe, aber leider noch nicht dazu gekommen bin es auch am Spieltisch auszuprobieren, möchte ich das Buch mit 4/5 Sternen bewerten. Einen Punkt ziehe ich für die sehr unausgereiften "Regeln" zum Reversalis ab. Besonders loben möchte ich das die Community beim Balancing mit einbezogen wurde.
Meine Kritik lässte das physische Buch außen vor, denn ich besitze noch nur die PDF.
Das Positive zuerst:
- Das Buch sieht meiner Meinung nach hübsch aus, wie bei DSA5 zu erwarten.
- Es ist sehr übersichtlich gestaltet und man sucht nicht lange nach bestimmten Inhalten. Allerdings denke ich, dass das Regelwiki noch immer das bessere Nachschlagewerk ist, wenn es sicher auch nicht so atmosphärisch ist.
- Die Inhaltsdichte ist sehr hoch. Ja viele Regeltexte etc. konnten zwar aus AMA 1-3 kopiert werden, aber ich denke man sollte hier auch den Aufwand der Überarbeitung bedenken. Die 60€ für das Buch und 30€ für die PDF sind hier sicher sehr gerechtfertig und meiner Meinung nach sogar ein ziemlicher Preisleistungsschnapper. Das wird sich aber bestimmt ändern, sobald die Informationen im Regelwiki ein Update bekommen.
- Die Redaktion hat sich getraut einzugestehen, dass die meisten der Zauber aus dem GRW und später auch AMA 1-3, um es überspizt zu sagen regeltechnisch einfach schlecht designt sind. 7 Jahre lang hat die Spielerschaft gejammert, dass die Abschwächung der Magie von DSA4 auf DSA5 zu sehr über die stränge geschlagen ist, doch dies hat nun ein Ende, denn gefühlt 99% aller Änderungen an Zaubern sorgen dafür, dass sie stärker werden.
Mit 1100AP waren die meisten Magie Charaktere nur als Karikatur eines Magiewirkers spielbar. Zwar war es trotzdem möglich auf 1100AP auch wirklich mächtige Konzepte zu bauen (Stufenzauber, Kraftfoki, etc.), dies bedurfte aber eines sehr tiefen Verständnisses aller Regeln, sodass es jedem normalsterblichen Spieler verwährt war einen passablen Magiewirker zu spielen, wenn er nicht zuvor einen Bachelor in Regelkunde abgelegt hatte. Mindestens 80% aller Zaubersprüche und Rituale waren nach Berücksichtigung von variablen und fixen AP kosten (Steigerungsfaktor des Zaubers und Tradition+Vorteil), sowie Asp. Kosten regeltechnischer Junk verglichen mit den profanen equivalenten. Als Anfänger, der dies nicht wusste, konnte es also gut mal passieren, dass man 10h in den Bau eines neuen Charakters investierte, nur um dann nach der ersten Session festzustellen, dass der Chrakter nach 6 Jahren Akademiestudium nicht ansatzweise mit "Alrik Bauernschlau" mithalten kann der dank fehlender Tradition tatsächlich noch AP hatte, um Wissenstalente zu steigern.
Dies ist jetzt anders. Mittlerweile bieten die meisten Zauber (auch Fluff-Zauber) ein gutes Verhältnis aus AP, Asp und Zeitkosten zum erzielten Effekt. Diese Änderung steigert den Spielspaß enorm und macht das Spiel grade für Anfänger viel zugänglicher. Außerdem ist es der Redaktion hoch anzurechnen, dass sie sich diesen Schritt getraut haben. Immerhin haben sie so ihren Kritikern indirekt recht gegeben, dass Magie-Wirker regeltechnisch unverhältnismäßig stark durch hohe AP, Asp und Zeitkosten, sowie regiede unflexible Wirkungsweisen von Zaubern beeinträchtigt wurden.
- Die Einbindung der Community in das Regeldesign durch ausgiebige Feedbackrunden macht sich meiner Meinung nach sehr bezahlt gemacht. Viele der Regeln haben Hand und Fuß und auch nach vielen Stunden des Suchens leißen sich nur sehr wenige Regellücken finden, welche sich z.B. für Powergaming ausnutzen lassen oder unlogisch sind. Meiner Meinung nach sollte sich die Einbindung der Community auf diese Weise ruhig für die Überarbeitung aller DSA5.0 zu DSA5.1 Regeln gerne weiterhin so durchsetzten. Hier nochmal ein ganz großes Dankeschön an Zoe und alle anderen aus der Redaktion, die dies möglich gemacht haben!
Das Negative:
- Regeln zum Reversalis sind so unvollständig, dass ich mich frage, warum sie überhaupt Teil des Buches geworden sind. Hier hat man sich keinen Gefallen getan sie zu inkludieren. Ja ich verstehe, dass hier das ultimative Nachschlagewerk für Zauber in DSA5 geschaffen werden sollte, welches alle Regeln beinhaltet, aber die Regeln zum Reversalis sind so halbgar und lassen so viel Raum zur Interpretation, dass die Bezeichnung "Regel" fast schon nicht mehr angemessen ist. Ich als Kunde gebe das Geld für ein Regelbuch aus, weil ich so schnell und unkompliziert mit meinen Freunden spielen kann. Unklare Regeln sorgen in meiner Runde schnell für Diskussionen und machen das Spiel aus meiner Sicht sogar mehr Kaputt, als keine Regeln.
Es wäre aus meiner Sicht hier besser gewesen den Reversalis nicht im Grimmorium Cantiones zu integrieren und ihn lieber einige Wochen/Monate später in einem gesondertem kleinen Band herauszubringen, der dann auch gerne nochmal extra kostet, dafür aber inhaltlich durchdacht ist.
Hier ein Beispiel warum ich kein Fan vom aktuellen Reversalis bin. Ein "Eigene Dummheit" Zauber, welcher zuerst in der Zauberwerkstatt in ein Ritual umgewandelt und danach reversalisiert und mit Zaubererweiterungen kombiniert wird sollte es erlauben für die nächsten 60 Tage eine Erleichterung von bis zu +6 auf alle Fertigkeitsproben mit einer Teilprobe auf KL zu erhalten. Selbiges ist übrigens auch mit allen anderen Eigenschaftswerten möglich. Die Combo kostet zwar ~140AP je Eigenschaftswert und ist sicher nichts für Start-Charaktere, aber im allgemeinen schafft der Reversalis in seiner jetzigen Form einfach Probleme die es nicht geben müsst. So bin ich z.B. auch kein Fan vom Reversalisierten Fulminictus, da sich die eine Schmerz-Stufe leicht umgehen lässt und so sehr viel sehr schnelle Heilung im Kampf möglich ist.
Aber naja hier wird man vermutlich viel Hausregeln müssen, was ja sicher auch von den Autoren so gedacht war, aber als Kunde bin ich eigentlich nicht bereit einen Autoren dafür zu bezahlen mir zu sagen ich sollte mir die Regeln einfach selbst ausdenken. Dazu sage ich "Danke für fast nichts!".
- Die Bilder sehen zumindest in der PDF oftmals etwas fehl am Platz aus.