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[Engors Dereblick] Rezension: Bis ins Mark

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Hans
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[Engors Dereblick] Rezension: Bis ins Mark

Ungelesener Beitrag von Hans »

Vorbemerkung: Das Rittertum ist – gerade im mittleren Bereich Aventuriens – eines der prägenden Elemente des Settings, sei es, dass … Mehr

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Jadoran
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[Engors Dereblick] Rezension: Bis ins Mark

Ungelesener Beitrag von Jadoran »

Ich habe es mir sorgfältig durchgelesen, und in der Endpunktzahl bin ich von Engor nicht weit weg. Da meine Überlegungen sich an Spielleiter wenden, die das Abenteuer ggf. leiten wollen, enthält das Folgende notwendigerweise Spoiler.

Erscheinungsbild, Schreibstil und Struktur sind gelungen und flüssig, im Rahmen des zur Verfügung stehenden Platzes sind Handelnde und ihre Motivationen sowie die Schauplätze detailliert genug, um das Abenteuer mehr oder weniger vom Blatt zu leiten. Es gibt unterschiedliche Entwicklungspfade, den Helden wird kaum eine Handlungsweise vorgeschrieben, außer natürlich, dass sie sich auf das Abenteuer einlassen, was nicht zuviel verlangt ist.

Es gibt aus meiner Sicht allerdings ein paar Kritikpunkte:

- Die Helden sollen eine deutlich an Zahl und Erfahrung überlegene Kämpferschar verfolgen und stellen. Anzahl der Helden x 3 Gefolgen des Antagonisten, samt und sonders kampfstarke, motivierte Veteranen. Beim ersten Angriff ist es dergestalt auch dramaturgisch nicht möglich, die Angreifer zu stoppen, und die Helden dazu zu bringen, auf das Sammeln eines Aufgebotes zu verzichten, ist ein großes Manko, weil das Abenteuer hier im Prinzip mit „Geht grad nicht“ argumentiert.
- Die Helden können nur verfolgen, nicht die größere Gruppe, die auf bessere Wege angewiesen ist, ausmanövrieren
- Die anheuerbaren Verstärkungen am Wegesrand müssen von den Helden selbst bezahlt werden, das sind für Helden ziemliche Summen. Die Räuber der Nachtigall sind zudem selber gesuchte Verbrecher, auch wenn sie von einer schönen, charmanten jungen Frau geführt werden, im Wald leben und mit Bögen schießen und „doch nichts Böses tun“. (Der Hinterhalt ist zudem extrem offensichtlich: Baumstamm quer auf dem Weg in einem Wäldchen, einsame Gestalt darauf. Hallo!)
- Die Helden haben außer der durchaus angebrachten Nothilfe keinerlei Rechtsbasis. Den Ritter auf seinem Rachetripp zu verfolgen ist abseits der Verteidigung der Ritterin im Rahmen des Gastrechtes einfach nur Vigilantentum.
- Das Ganze ist ein wenig moralinsauer. Auch wenn es vielleicht funktioniert, weil es so klischeehaft aufgezogen ist, so sind die Rollen zu klar verteilt für die Komplexität, die das Abenteuer vorgeblich aufgreift: Nämlich die Vergangenheitsbewältigung und die Kompromisse zwischen Gerechtigkeit und der Wiederherstellung des Friedens. Der Rachetripp-Ritter (ein Mann) ist ganz klar im Unrecht und greift eine hübsche Frau in ihrem Zuhause, vor den Augen ihrer Kinder an, und auch das zweite zu verteidigende Opfer ist eine Frau, deutlich zu alt zum Kämpfen (über sechzig!), von deren dunkler Vergangenheit die Helden nichts wissen dürften. Zudem gibt es da natürlich wieder ein Blutbad an völlig Unschuldigen. Außer „Gerechtigkeit statt Recht!“ hat der Antagonist kein Motiv, handelt also rein ideologisch, und mit der Mordbrennerei setzt er sich vollkommen ins Unrecht, ohne jeden Grund zur Abwägung. Die Gegend, in der er seine Rache abzieht, sind erblühende Landschaften im Frieden.

Würde der Antagonist ehrenhafter vorgehen – etwa seine Opfer in einem Hinterhalt stellen und dann zum Zweikampf fordern, hätten er und seine Gefolgen belastbare persönliche Gründe, etwa den Verlust von Familienmitgliedern und/oder Lebensgrundlage, etwa wenn eine Rostritterin jetzt auf dem Gut von einem der Rächer sitzt, nachdem sie für den Tod von dessen Familie verantwortlich war - und die Helden das rechtzeitig erführen - dann wäre da Raum für Sympathien der Helden. So bleibt der Antagonist zu holzschnittartig fanatisch, und das Abenteuer bleibt ein bloßes: „Wir rennen dem Bösen hinterher und hauen ihn tot.

Wenn die Spieler nicht besonders taktisch denken, das Abenteuer einfach als Verfolgungsjagd verstehen, mit einem saftigen Endkampf auf dem morschen Dach eines alten Tempels... (Wobei: Warum um Himmels Willen sollte ein schwer gepanzerter Ritter mit einer Nahkampfwaffe auf ein morsches Dach klettern anstatt im Kreise seiner Getreuen zu kämpfen, die ihm den Rücken decken? Noch dazu in einem alten Traviatempel? Na egal, ist dramatisch und spannender so, und wenn er zu gut würfelt, kann er einbrechen, ohne dass die Helden ein Deus-Ex Gefühl beschleichen muss, von daher ist das nur ein kleines Detail, an dem man sich nicht stören muss.) Also wenn die Spieler die Thematik ignorieren und einfach das Abenteuerproblem lösen wollen, dann wird „Bis ins Mark“ für sie wahrscheinlich recht spannend und erfüllend sein. Für ein Heldenwerk-Abenteuer von sechzehn Seiten ist das auch gut genug. Aber es bleibt damit in meinen Augen deutlich hinter dem eigenen, hoch moralischen Anspruch zurück. Als Kurzabenteuer für zwischendurch: 4 von 5 (1 Punkt Abstrich wegen schlechter Abbildung der Logistik und dem Verhindern des Sammelns eines Aufgebotes anstatt des Zusammenklaubens von Zufallssöldnern und Wegelagerern – also des „Untersagens“ vernünftiger Planung). Als Abenteuer, dass die Thematik der „Heilung alter Wunden“ behandelt, würde ich auf eine Wertung verzichten und sagen: Zu propagandistisch.

Wie ich es anders gemacht hätte: Damit der Antagonist in den Augen der Spieler „eventuell auch etwas Recht haben könnte“, müsste er am Anfang Gelegenheit bekommen, von einer guten Seite präsentiert zu werden. Die Helden müssten zudem vorher etwas über die Vergangenheit der späteren Opfer erfahren. Denn wenn es erst einmal los gegangen ist, bleibt keine Zeit für Vergangeheitsrecherche, dann reagiert das Adrenalin der Verfolgungsjagd. Der Antagonist müsste stärker darauf bedacht sein, Kollateralschäden zu vermeiden. Die Helden sollten nach seinem ersten Angriff zur Verfolgung offiziell legitimiert werden.
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