@ChaoGirDja : Ich glaube, wir reden da grade an einander vorbei und meinen das gleiche.
RvB hat geschrieben: ↑29.03.2023 15:40
Die dreiköpfige Echse von Nabuleth hat geschrieben: ↑28.03.2023 23:14
Aus der Ehe für Alle folgt aber keine gänzliche Gleichstellung von Adoption und leiblicher Abstammung in einer Gesellschaft mit Erbadel.
Das würde ich auch so sehen, ja.
Es ist ja bekannt, dass in Aventurien sogar ziemlich üblich ist, dass er Adel Zweckehen eingeht. Ziel davon ist ja, gemeinsame Nachkommen zu haben, die dann mit beiden Herkunftsfamilien verbandelt sind. Auch WdV schreibt ja bei Homosexualität, dass es im Adel in sofern problematisch ist, als dass ggf. erwartet wird, eine heterosexuelle Ehe mit leiblichen Nachkommen zu haben, um die Erbfolge zu gewährleisten. Das ist die Pflicht gegenüber der Familie (und zur Not muss man sich einen Lover nebenher nehmen). Daraus folgt ja, dass man NICHT so einfach zwei adlige Frauen (oder zwei Männer) miteinander verheiraten und einfach Kinder adoptieren kann. Wenn das ginge, könnten sie auch ihrem Herzen folgen und die Erbfolge einfach durch Adoption regeln. Geht ja wohl aber nicht.
Aus fehlender Homophobie folgt eben nicht zwangsläufig fehlende Cishetnormativität. Wenn wir einfach mal realweltliche Zahlen für die jüngeren Alterskohorten als Grundlage annehmen, die tatsächlich weitgehend ohne normalisierte Homophobie aufgewachsen sind, dann stellen Cishets immer noch ne sehr deutliche Mehrheit in Aventurien und allein schiere Masse suggeriert eben einen Normalzustand, der dann schnell normative Kraft entfaltet und bspw. als Default setzt, dass arrangierte Ehen trotz der Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Ehe der Normalfall sind.
Auf diese Weise kann man dann eben handwedeln, dass die tatsächlichen Familienstrukturen bei DSA oft andere sind, als es eine strikte Extrapolation aus dem religiösen Background vermuten lassen würde (auch, wenn die realweltliche Erklärung eben irdische Heteronormativität ist). Das Setting hat da einfach ein gewisses Maß an
wiggle room, der diese Widersprüche abmildert. Einerseits eben eine permissivere Sexualmoral, andererseits die dynastischen Zwänge der Akkumulation und Sicherung von (insbesondere Grund-)Besitz.
Wobei Akkumulation von Besitz unter dynastischen Gesichtspunkten auch bedeuten kann, dass man eine zu weite Zersplitterung des Erbes verhindern will. Gerade bei großen Ländereien wird das schnell ein Problem. Irdisch war das ein Grund für den Zölibat - die RKK wollte ihre Kirchenfürstentümer nicht auf die Erben der Bischöfe aufteilen, also hat sie einfach verunmöglicht, dass die legitime Erben zeugen können (Bastarde sind ein anderes Thema und Literatur aus dem MA erweckt oft den Eindruck, dass sich entweder niemand groß an den sexuellen Eskapaden von Priestern und Mönchen gestört hat oder dass das zumindest eine gängige Form von Humor war, sie als von Affäre zu Affäre hüpfende Schwerenöter darzustellen).
Und irdisch haben dann auch viele Vermögende Spätgeborene eben nicht verheiratet, sondern ins Kloster geschickt. Das ist in Aventurien keine Lösung, auch eine Aldare, die im Konvent der Madaschwestern unter den Mitschwestern ihre große Liebe gefunden hat und damit das liebgewonnene Klischee sapphischer Nonnen nach Aventurien gebracht hat, war weiter dynastischen Zwängen unterworfen und musste sich deshalb mit einem Drachen einlassen.
Stattdessen haben wir in Aventurien die Option, durch andere Ehen, die nicht unter Travia geschlossen werden und damit keine für den Adel legitimen Erben produzieren können, bestimmte Kinder gezielt von der Erblinie auszuschließen. Es gibt ja auch mindestens ein kanonisches Beispiel, in dem sich eine Fürstin und ein Fürst bewusst für den Rondrabund entschieden haben, damit ihre Ehe nur eine militärische Allianz ist, die keins ihrer Kinder aus ihren früheren, verwitweten Ehen benachteiligen und nicht zu einer Union der Fürstentümer führen wird. Sowas ist selbstverständlich auch mit gleichgeschlechtlichen Ehen denkbar - wenn die drittgeborene Tochter, bei der man sich eh gefragt hat, wie man die unterkriegt, ihre Gefährtin aus dem Rondrakloster heiraten will, ja dann soll sie doch. Das ist für alle Beteiligten komfortabler.
Hina hat geschrieben: ↑30.03.2023 00:54
Zur Klarstellung: Keinesfalls plädiere ich für „Homophobie“ in Aventurien
Interessante Anführungsstriche. Hast du Probleme mit dem Begriff?
die erschiene mir ebenso ein irdisch-moderner Fremdkörper wie gleichgeschlechtliche Ehe. Eher will ich nahelegen, dass der Idee der gleichgeschlechtlichen Ehe ein völlig anderes, notwendigerweise postmodernes Ehe-, Familien- und Menschenbild zugrundeliegt
Ich sehe das eben nicht als notwendigerweise postmodern. Wie gesagt, ich betrachte deine Vorstellung als unhinterfragte Projektion realweltlicher geschichtlicher Entwicklung auf ein fiktives Setting, das in mehreren entscheidenden Punkten durch Kulte mit einer vom Christentum drastisch abweichenden Sexualmoral geprägt wurde und darum zwangsläufig anders in vielen dieser Fragen ist, als es irdische Gesellschaften mit vergleichbarem materiellem Entwicklungsstand wären. Für mich ist die Vorstellung eines nicht durch die Rahja-Kirche mitgeprägten Aventurien immersionsstörend, weil da ein wesentlicher Teil des Settings geretconned wird. Es ist so dermaßen DSA, dass Gläubige des selben Pantheons aus 12 verschiedenen Ehen wählen können, dass ich es störend fände, ihnen ganz irdisch eine einzige Ehe aufzudrücken.
Jetzt kann man natürlich wie Madalena darüber schlicht hinwegsehen, wie ich das auch selbst als SL bis zu einem gewissen Grad bei der Frage der Geschlechtergleichheit pflege, und dagegen ist absolut nichts einzuwenden.
Ich spiele in mehreren Runden mit Madalena und ich habe in keiner den Eindruck, dass wir über irgendwas mehr "hinwegsehen" müssen als andere Gruppen. Irgendwas muss man natürlich immer handwedeln, es ist halt DSA. Aber wir haben natürlich auch eine andere Perspektive auf sichtbare, offene Queerness, weil das für uns nicht dieser diskussionswürdige "Fremdkörper" ist wie offenbar für dich, sondern weil es unser Alltag ist und unsere Empfindung
von Normalität. Uns fehlen diese heteronormativen Reflexe.
der Mangel einer Ehe für alle ebensowenig Diskriminierung für Spielerhelden bedeuten muss wie der Mangel von Mobiltelephonen
Das bedeutet sofort eine Diskriminierung, wenn die Spielerheld:innen heiraten wollen. Das Argument läuft übrigens entlang der klassischen homophoben Sophisterei, dass Queers ja keine Möglichkeit zur Eheschließung bräuchten.