"Grimme Herzen" beginnt im kleinen Ort Mühlentrutz mit der Untersuchung der Morde an zwei Dorfbewohnern. Hinter den Morden steckt ein junger Adliger aus Transysylien, der von Lykanthropie befallen ist. Er und seine Schwester wollen das Leben unter Herzog Arngrimm von Ehrenstein hinter sich lassen und sind auf ihrer Flucht an die Grenze der Warunkei gekommen. Hier halten sie sich in einer Burgruine versteckt und versuchen den aktuellen Vollmond abzuwarten, bevor sie zivilisiertere Länder betreten. Die Morde an den Dorfbewohnern waren ein Versehen, das zeigt, wie gefährlich es wäre, würden die Beiden tatsächlich ihr Ziel, Warunk, erreichen. Neben den Helden sind auch die Häscher Herzog Arngrimms den Verrätern auf der Spur. In dieser moralisch grauen Konstellation liegt die wahre Anleihe an den Hexer und eine der größten Stärken des Abenteuers.
Viel Grau und moralische Dilemmata
Die Ermittlungen im Dorf und bei einem Schwarzmagier, dessen angebliche Beteiligung sich als falsche Fährte herausstellt, bringen die Helden schließlich auf die Spur des Gestaltwandlers und damit direkt in den Transysylischen Wald. Immer wieder macht das Abenteuer klar, wie gefährlich diese Bestie ist und es gibt ausreichend Hinweise für die Charaktere, wie man ihr trotzdem Herr werden kann. Das schafft die nötige Erwartungshaltung für das Finale des Abenteuers: Es geht gegen ein blutrünstiges, niederträchtiges und gefährliches Geschöpf, das keine Gnade kennt und daher auch keine verdient hat. Diese wird in der Abschlussszene dann effektvoll gebrochen, als sich der Lykanthrop liebevoller Beschützer seiner verängstigten Schwester herausstellt, der den Fluch und die Schwarzen Lande einfach nur hinter sich lassen will.
Eine zentrale Begegnung des Abenteuers ist das Zusammentreffen mit einer Truppe Transysylischer Soldaten im Wald, welche den flüchtigen Geschwistern auf der Fährte sind. Hier kommen soziale Charaktere zum Zug und die Tragweite des moralischen Dilemmas wird langsam klar. Die Soldaten sind als Diener der Schwarzen Lande alles andere als Sympathieträger, wären aber wertvolle Verbündete. Andererseits jagen sie Feinde des dunklen Herzogs Transysyliens, welche offenbar überlaufen wollen und wertvolle Informationen für den laufenden Krieg mit sich führen könnten. Ihr Anführer trägt zudem ein Silberschwert; wahrscheinlich die einzige Waffe, die dem Lycanthropen wirklich zusetzen könnte. Die Entscheidung, sich zu verbünden oder nicht, kann auch nicht lang und breit ausdiskutiert werden, schließlich sitzt man gerade mit dem potenziellen Freund oder Feind am Lagerfeuer. Richtig ausgespielt, kann diese Szene das absolute Highlight des Abenteuers werden.
Ein blutiges Finale
Das Finale des Abenteuers findet in einer alten Burgruine, wie sollte es anders sein, bei klarem Himmel unter Vollmond statt. Hier ist eine letzte Warnung für die Spieler und ihre Charaktere untergebracht: Die Helden finden die zerfetzten Leichen einer anderen Jägergruppe.
Wer seine Spieler nicht aus der Immersion reißen will, sollte bei der Beschreibung der anderen Jägertruppe übrigens ein paar Änderungen vornehmen. Diese wird nämlich vom grauhaarigen Monsterjäger "Gerbald aus Riva" angeführt. Als Schmunzler für den Spielleiter allemal eine nette Idee, ob die eigene Spielgruppe darauf steht muss jeder selber wissen.
Als Spielleiter hat man damit seine Arbeit getan und kann ruhigen Gewissens die Samthandschuhe für den Endkampf beiseitelegen. Welchem Helden hier noch nicht bewusst ist, gegen was er oder sie ins Feld zieht, der hat bereits zig Hinweise verpasst. Ohne irgendeine zumindest versilberte Klinge wird der Kampf vermutlich tödlich enden. Und das ist aus meiner Sicht in Ordnung, denn "Meisterliche" Helden sollten wissen, wie man mit solchen Gefahren umgeht.
Der Werwolf und alle dazugehörigen Spezialregeln sind im Abenteuer enthalten. Eine Karte für den Kampf fehlt jedoch. Ich unterstelle dem Autor hier durchaus Absicht, denn die unübersichtliche Ruine und ein sehr mobiler Feind laden zu einer eher cineastischen Beschreibung des Kampfes ein. Wer nicht auf einen Bodenplan verzichten will, dem kann ich guten Gewissens das von Ulisses veröffentlichte,
kostenpflichtige PDF "Die verwunschene Ruine" ans Herz legen.
Jetzt gilt es alle vorher gesponnenen Fäden zusammenzuführen und den Helden einen fulminanten Endkampf zu bereiten. Sind die Häscher aus Transysylien noch mit im Spiel, ergibt sich hier eine interessante Dreieckskonstellation, für die es keine einfache Lösung gibt. Alle Seiten haben helle und dunkle Seiten und so richtig ist niemand eindeutig im Recht.
Von Regelseite her können einzig die Spielwerte der Soldaten nicht überzeugen. Diese sind zwar brauchbar gerüstet, aber wie üblich auf die Sonderfähigkeiten aus dem Grundregelwerk beschränkt. Gegen Helden mit Erfahrungsstufe "Meisterlich" haben sie damit wenig aufzubieten. Trotzdem kann entweder der Kampf im Dunkel des Waldes, nur erhellt vom Schein des Feuers, oder ihre Beteiligung am Endkampf, zu einem memorablen Erlebnis werden.
Am Ausklang des Abenteuers habe ich nur einen Kritikpunkt und das ist, dass es am Ende doch eine scheinbar perfekte Lösung gibt. Das will nicht recht zum moralischen Grau des Abenteuers passen. Durch die eventuelle Ansteckung eines Helden an Lykanthropie, die bis zum ersten Ausbrechen noch heilbar ist, oder die Überführung des Geschwisterpaars nach Warunk, sich zudem gute Anknüpfungspunkte für weitere Abenteuer angelegt.
Das Abenteuer am Spieltisch
Wie oben erwähnt, habe ich "Grimme Herzen" am Tag nach Erscheinen des Abenteuers direkt geleitet. Ich habe insgesamt ca. zwei Stunden zum Lesen gebraucht und noch einmal etwa eine Stunde um den Spieltisch in Roll20 vorzubereiten und mir Notizen zu machen. Wir haben über Roll20 nur Handouts gezeigt und gewürfelt, die Charakterbögen lagen als PDFs vor und die Werte der NSC habe ich direkt aus dem Heft abgelesen.
Meine Spieler brachten mir einen ehemaligen Fähnrich aus dem Mittelreich (Erfahrungsgrad: Meisterlich), eine Brabaker Schwertgesellin (Erfahrungsgrad: Meisterlich) und eine magisch begabte Ermittlerin aus Vinsalt (Erfahrungsgrad: Kompetent) mit an den Tisch. Damit waren sie für die Ermittlungen und den Endkampf mehr als gut gerüstet, es mangelte jedoch etwas bei den Naturtalenten. Daher erweiterte ich die Ermittlungen zu Beginn des Abenteuers und kürzte die Jagd durch den Wald. Die Spur zum Schwarzmagier strich ich aus Zeitgründen komplett.
Was mich am meisten überraschte, war das gekonnte Charakterspiel und wie sehr sich meine Spieler in ihre Charaktere hineinversetzen konnten. Ich denke den Spielern war recht schnell klar, um was für ein Monster es sich handelte und das dürfte einem mit jeder etwas erfahreneren Gruppe so gehen. Trotzdem wurde jedem Hinweis akribisch nachgegangen und schlussendlich die richtige Spur aufgenommen.
Bei der Begegnung mit den Soldaten im Wald konnte ich meine Spieler förmlich mit den Zähnen knirschen Hören, als jeder für sich, ohne die Möglichkeit sich miteinander abzusprechen, entscheiden musste, wie der eigene Charakter reagiert. Das Zweckbündnis mit den Transysyliern zerbrach schließlich im Endkampf, bei dem die Söldner den Helden leider kaum etwas entgegensetzen konnten. Dank geschickter Wortwahl und mutigen Handlungen konnte auch eine direkte Konfrontation mit dem Werwolf umgangen werden, wodurch der Kampfanteil des Spielabends sehr gering ausfiel.
Den Ausgang des Abenteuers bestimmten meine Spieler dann auch gleich selbst. In den Augen ihrer Charaktere gab es keine Heilung für Lykanthropie.
Das vom Abenteuer angebotene positive Ende war daher keine Option. Stattdessen überzeugten sie den Werwolf sein Leben im Kampf gegen seinen ehemaligen Lehnsherrn zu lassen und seine Schwester mit den Helden gen Warunk zu schicken, zusammen mit Informationen über die Stärke und Position der Transysylischen Truppen.
Insgesamt haben wir sechs Stunden für das Abenteuer gebraucht, was einen guten Mittelwert darstellt.
Ich denke zwischen vier und acht Stunden kann mit dem Abenteuer verbringen, je nach Vorlieben der Spieler. Ich habe alle Füller-Kämpfe, z.B. gegen Wildschweine im Wald, ersatzlos gestrichen. Dafür wurden jede Befragung und jedes Gespräch im Detail ausgespielt. Dazu zählten auch Gespräche innerhalb der Gruppe, bei denen sich die Helden gegenseitig kennenlernten.
Insgesamt war ich mit dem Spielabend sehr zufrieden. Meinen Spielern hatte das Abenteuer sehr gut gefallen und ich habe mir nur ein, zwei Kleinigkeiten aufgeschrieben, die ich beim nächsten Mal besser machen will: Zum einen bin ich beim Improvisieren manchmal über das Ziel hinausgeschossen und habe so versehentlich falsche Fährten ausgelegt. Wer mehr aus der Untersuchung der Tatorte machen möchte, sollte sich vorher ein paar Notizen machen. Ansonsten ist man besser dran, wenn man sich näher am Text des Heftes hält. Zum anderen habe ich mich selbst um einen spannenden Endkampf gebracht, weil ich die verfallene Festung als Kampfumgebung nicht gut genug genutzt habe. Ich schiebe meine mangelnde Kreativität beim Kampf mal auf die fortgeschrittene Stunde. Wenn ich das Abenteuer noch einmal leite, dann werde ich eine Karte der Burgruine mit Dynamic Lighting in Roll20 vorbereiten, wodurch jeder Spieler nur den Teil des Bodenplans sieht, den sein Charakter auch wahrnimmt. Natürlich bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand in der Vorbereitung und genau den wollte ich diesmal ja vermeiden.