Ungelesener Beitrag
von Gurney » 23.01.2012 19:52
Tja, ein ganz schwieriger Band!
Weshalb? Zum einen, weil er handwerklich extrem gute Ansätze hat, weil endlich die ganze Geschichte in einem Band zu haben ist und weil man es geschafft ein echtes Aventurien/Myranor –Mischprodukt zu schreiben.
Zum anderen aber auch, weil es eine Überarbeitung ist (und zwar eine, die nicht zimperlich war!), weil es ebenso handwerkliche Schwächen gibt, die sich gewaschen haben.
Da es um das aktuelle Produkt geht, werde ich auf die Überarbeitung weitestgehend gesondert eingehen und dafür eine eigene, nur hier genannte Wertung abgeben.
Also gut, endlich ist JdH da, also die Zusammenfassung der Abenteuer „Reise zum Horizont“ und „Vergessene Tiefen“ sowie der Szenarien „Hinter dem Horizont“ aus „Handelfürsten, Wüstenkrieger“ (Myranor Südspielhilfe, Stand DSA 3,5) und den Botenszenarien „Rückkehr zum Horizont“.
Inhaltlich geht es um die Lameaexpedition, welche das Horasiat ins Güldenland sendet, um einige Probleme der letzten Fahrt nach dort auszubügeln …
Reise zum Horizont
Es beginnt mit dem 100sten DSA AB „Reise zum Horizont“ und entspricht diesem immer noch weitestgehend: Nach Zusammenstellung der Crew folgt eine ca. 80 tägige Seereise über das Meer der 7 Winde, bei der die Flottille an Schiffen und Besatzung einbüßt und sich mit der al´anfanischen Konkurrenz verbünden muß. Am Ende geht eine Kommandoaktion nicht ganz glatt und die Helden stranden in einer myranischen Großstadt.
Das AB ist gut (wer mehr wissen will siehe den alten Bewertungsthread), es bietet einen schönen Mittelweg zwischen vorgegebenen Ereignissen und SL-Freiheit. Dabei lebt es von den Personen an Bord der drei Schiffe, die ziemlich gut ausgearbeitet sind und stellt sonst das übliche Reise- AB dar, mit ein-zwei Ereignissen pro Tag (da ist von allem etwas dabei: Kämpfe, Detektivplot, Erkundnung und Intrige …).
Überarbeitung:
Hier geht es direkt ordentlich zur Sache: Havena entfällt, Thorwalerangriff entfällt, NPCswurden entfernt oder umgearbeitet (Jana ist kein Spion mehr, Rondrageweihte bleiben zu Hause, der Druide ist keiner mehr und Rubec folglich nicht beherrscht …) Davon kann jeder halten, was er will, ich jedoch empfinde den Umgang mit dem alten AB als lieblos! Später wurde Platz für selten dämlichen Kram verschwendet, während hier mal gut gekürzt wurde (mein Highlight sind die „lustigen“ „Baby-an-Board“ Szenarios, deren Debilität einer amerikanischen Komödie mit einem Xbeliebigen Serienkomiker oder Actionhelden als Hauptdarsteller gleichkommt!). Havena mag mir noch einleuchten, aber der hist. Thorwalerangriff, der jetzt nicht stattfand?
Jana ist dann der 365 „KuschelNPC“ (liebt das nochjemand, wenn er angeblich sympathische NPCs aufs Auge gedrückt bekommt) und aus vielen Agenten werden quasi keine …
Matajeff wird damit total nutzlos und Rubec rückt in die Nähe eines SS-Lagerkommandanten, da er aus eigenem Antrieb bestraft und quält.
Außerdem sind die Helden nicht mehr auf der Shafir, wenn die Karchysi kommen. Ob das irgendeinen Sinn macht muß man wieder selbst befinden, der Text ist jedenfalls nicht wesentlich kürzer
Kurz: Hier zeihe ich das Original entschieden vor!
Vergessene Tiefen
Es folgt ein verbindendes Szenario hin zu diesem AB. Hier tritt zum ersten Mal die größte Schwache von JdH auf: Szenarios. Die Kampagne umfasst 7 Jahre, da ist es natürlich, daß man kein Buch schreiben kann, welches die Jahre voll abdeckt (ist ja auch bei den 7G nicht so), aber die hier verwendeten „Szenarios“ sind so Bruchstückhaft, daß man sie eher Konzepte nennen müßte. Insbesondere wenn man es mit den Szenarios aus den alten Anthologien vergleicht (ihr wißt noch, die mit 5-7 Abenteuern und 3-5 Szenarios und das alles in kleiner Schrift für 16€ … ). Hier lag der Umfang bei so 1,5 bis 3 seiten. In JdH liegt er eher bei einer Viertelseite, oder weniger …
Hier ist nichts ausgearbeitet und die Konzepte sind sehr beliebig.
Im AB sind die Helden auf der Suche nach der Lamea und finden sie auch mit Hilfe einiger myranischer Ubootfahrer, allerdings ist sie in Not, da sie in eine Falle der alten Feinde der Menschheit, der Mholuren gelandet ist.
Überarbeitung:
Hält sich in Grenzen, nur einige Details wurden ausgetauscht an der eigentlichen Handlung ändert sich nicht viel.
Hinter dem Horizont
Dies ist die weitere Reise der Lamea aus dem myranischen Binnenmeer, entlang der Südküste und dann zurück ins Imperium, wobei man verschollene Aventurier sucht und allgemein Wege zurück in die Heimat. Dabei stößt man unvermittelt auf eine Prophezeiung und erkennt den wahren Grund der Reise.
Bisher waren dies ebenfalls nur Viertelseiter, jetzt sind sie zum ersten mal ausgearbeitet. Allgemein ist dies schon gelungen, jedoch kam es auch hier zu Änderungen, über deren Sinn oder Unsinn sich streiten ließe …
Leider beginnt hier auch der wirklich Bruchstückhafte Teil! Das sind eigentlich keine Abenteuer, sondern immer noch Szenarien von 1-3 Seiten und hierin liegt mein Problem. Es ist ein großes Kaufabenteuer, da steht nicht Szenariosammlung drauf! Und wenn man so etwas anfertigen möchte, dann macht man besser eine Settingbeschreibung und läßt mehr freiheit, aber immer eine Rahmenhandlung und bei den Details steht dann „… dafür haben Sie sich bestimmt schon selber eine Lösung ausgedacht …“ oder dergleichen, das geht - finde ich – gar nicht. Selbst die AP-Vergabe, welche nur alle paar Szenarios vorkommt ist somit zum unnützen Zusatz verkommen. Entweder für jeden Storyabschnitt, oder gar nicht (auch eine Gesamtsumme zum selbsteinteilen wäre ok gewesen, aber das … NEIN.
Die mangelnden Karten und Beschreibungen nerven hier einfach nur noch und ein in 2W20 Jahren evtl. erscheinendes UdS in dem dann wieder keine Dorinthapolisbeschreibung ist, weil man das Mysterium waren möchte (vermittelt mir hier immer ein Gefühl von Überforderung) als Verweis stinkt einfach! Wenn man schon wenig schreibt, dann braucht man zumindest ein paar Bilder, um sich den Rest zusammenzubasteln, aber stattdessen mußte irgendein Autor seine Vatererfahrungen dringend verarbeiten (oder schlimmer noch er hat dies lediglich aufgrund eines „lustigen Babyfilmes“ getan). Ganz ehrlich, Helden und Babys sind ein ganz alter Hut(und nicht im Ansatz mehr lustig) und keine knappe Seite Wert in Anbetracht all dessen, was so fehlt! Auch die insel der Riesen hätte mehr Beschreibung verdient, zumal an da Tage wandert, hier wartet viel arbeit auf den SL …
Überarbeitung:
Naja, da es so unvollständig war gibt es nicht viel zu überarbeiten, mag man denken. Dennoch hat man die Prophezeiung überarbeitet, deren Ort verlegt (sehr unnötig) und den hinteren Teil mit dem Falken total verändert. Das dazu getätigte Argument, die alte Version wäre eine Tempelschändung ist zwar nicht zu halten, da man Häretiker (und der Kult ist ja wohl eine andere Auslegung) gerne anzündet hat man wohl kein Problem mit deren Tempeln (hist. Beispiele gibt es in Avent. Zuhauf, daß man selbst die Tempel von nicht Häretikern mal ansteckt z.B. Rondratempel in der Priesterkaiserzeit oder dergleichen ). Allerdings ist die neue Geschichte auch nicht schlecht (obwohl seine Funktion als „der goldene Falke“ jetzt nicht so gut rauskommt).
Wirklich furchtbares hat man mMn mit der „Vereinigung der Nächte“ gemacht: Jetzt ist alles Boronheilig und man erfährt wo die Honaks herkommen, Schade ich mochte den Paktierschädel und auch den Versuch eine Seele einzufordern (ok, da waren auch ein paar Sachen, die nicht so gut waren). Mit der neuen Lösung bin ich jedoch auch nicht zufrieden. MMn wäre es besser gewesen, wenn Thionin den Schädel für das Ea´Myr bräuchte und dieses nicht mal eben zwischendurch erhalten würde, im Fremdefreunlichen Draydalan (was die Helden nie erfahren werden …). Tja damit ist er als Erzschurke auch raus …
Auch der Hjaldingerteil wurde geändert und ist eigentlich gar nicht schlecht (wenn man von der Verweichlichung des Settings absieht, die nicht JdH anzulasten ist, gemeint sind die neuen Mischhjaldinger, die schwächer und weniger Kriegerisch als die Thorwaler sind …) Angriff der Charybalis und ein Wendigo in einem nebeligen Dorf (letzteres ist eine ganz schöne 13. Krieger Hommage). Am Ende hat man wieder ein Runenschiff gefunden …
Rückkehr zum Horizont
Der letzte Abschnitt beschreibt die Rückkehr nach Aventurien. Mit dem Runenschiff schaffen die Helden im Limbus die Voraussetzungen zur Rückreise, dann folgt eine leicht abgeänderte Version von „Reise zum Horizont“ in entgegengesetzter Richtung. Dann erreicht man Pailos mitten im Krieg der Drachen und hat ein mögliches Crossover mit „Masken der Macht“, es wird auf die Problematik der Rückkehr im Krieg auf ca. 3 Seiten eingegangen, damit endet JdH.
Überarbeitung:
Der Limbus ist besser ausgearbeitet, die Rückkehr überhaupt. Harikas Tod ist für die Helden nicht ganz so plötzlich, wie für den Rest der Mannschaft und es gibt einen fließenden Übergang in die KM, leider ist auch hier nicht genug Platz für die Monate bis zum Ende der Reise! Aber es gibt Hinweise, was man machen kann …
Fazit:
An sich ist JdH eine gute und jetzt thematisch besser geordnete Geschichte und das ist mir schonmal das wichtigste an einem Abenteuer! Jedoch verdirbt mir der unfertige Szenariocharakter viel Freude über diese, ich nenn es mal Zusammenstellung mit Erweiterung/Überarbeitung. Eine solch rudimentäre Ausarbeitung weißt bisher kein Abenteuer über diese länge auf, denn normalerweise gibt es zumindest zwischen solchen Beschreibungen immer klassische Abenteuer. Dies stellt für mich den größten handwerklichen Fehler an diesem Ausnahmeband dar und für mich wiegt er nicht gering. Hier müssen sich die Autoren die Frage gefallen lassen, ob nicht weniger, aber dafür länger währende Abenteuer (wie in 7G und Phileasson-Saga) auch eine gute und evtl. bessere Möglichkeit gewesen wären?!
Allerdings ist der Aufbau ansonsten Vorbildlich und sollte so manchem Kampganenautor als Schablone dienen!!! Vor jedem Kapitel gibt es eine Zeitleiste und Zusammenfassung, dann erfolgt eine Beschreibung der Gegend und dann das AB (bzw. Szenarios). Außerdem ist es gelungen eine Kampagne zu schreiben, die kein myranisches Regelwerk benötigt, Hut ab dafür! Es gibt im Anhang eine Kurzbeschreibung der vorkommenden Rassen und Kulturen, sowie ein kleines myranisches Bestiarium und Standardwerte für alle generischen Gegner. Auf diese wird bei jedem Kampf verwiesen, was ich nur als Vorbildlich bezeichnen kann. Einzig einige Dämonen hätten hier noch zur Perfektion gefehlt, da war man etwas zu sparsam in Anbetracht von Paktieren als wiederholt vorkommende Gegner.
Als Überarbeitung muß ich leider sagen ist es nicht ganz so gut gelungen: Mir wurde Zuviel von den alten Konzepten geändert um irgendwas neues selber zu Papier bringen zu können. Da hier merkwürdige Entscheidungen getroffen wurden was in den so ungemein begrenzten Platz kommt und was nicht (auch mal ne leere ¾ Seite …) wirkt dies durchaus willkürlich oder gar selbstverliebt. Gerade der starke Retcon ist unnötig und Problematisch finde ich, denn der Verlauf unterscheidet sich doch nun stark von den Botenartikeln, Diese waren natürlich nicht der Weisheit letzter Schluß, jedoch war ich damals sehr dankbar für sie, da es sonst gar nichts offizielles gab. Jetzt hat man sie wieder entfernt, anstatt sie besser auszuarbeiten und dabei besteht halt immer die Gefahr, daß man so manches entfernt, was den Spielern gefiel.
Alles in allem ist dies dennoch ein ausnahmeband, den ich erfahreneren Meistern jederzeit empfehlen würde (und Bestandteil meiner pers. Top 10 ABs). Dennoch kann ich aufgrund der Handwerklichen „Szenarioverfehlungen“ und der damit verbundenen ENORMEN Zusatzarbeit keine 5 Punkte mehr geben (sogern ich dies bei "meinen Top 10" stets tun würde)in Relation zu anderen Werken, die weniger Aufwand erfordern, ergo starke 4 Punkte für JdH (3 sieht man es als Überarbeitung mit unnötigen Kürzungen und oft ebensolchen Änderungen, wenn man die alten ABs mochte).
Ergänzung:
Einige Monate nach der Veröffentlichung des Bandes entschloss sich der Uhrwerkverlag ein PDF zum kostenlosen Download anzubieten, welches alle der zuvor enthaltenen Inhalte wieder verfügbar machte.
Sieht man von dem Umstand ab, daß diese PDF-Datei über 60 Seiten enthält, ist das natürlich einerseits sehr schön, vor allem für jene, welche dir alten Inhalte sonst nicht zur Verfügung hatten. Damit hebt sich meine "Überarbeitsungsbewertung" von 3 auf 4 Punkte. Warum es keine vollen 5 sind? Weil ich "komplette" Produkte schätze und diese PDF so dermaßen umfangreich ist, daß man die nicht "mal eben ausdruckt" und in das Buch legen kann..!
Zuletzt geändert von
Gurney am 26.09.2016 13:50, insgesamt 1-mal geändert.