Ich habe im Phileassonprojekt einen
ausführlichen Spielbericht mit Kommentaren zum ersten Abenteuer verfasst, darum will ich mich hier kurz fassen und vor allem das beschreiben, was mich gestört hat:
Einstieg
Das Abenteuer beginnt recht unvermittelt mit dem Fest in der Halla. Es werden ein paar Einstiegsmöglichkeiten geboten, um zu erklären, was die Helden nach Thorwal verschlägt. Die Vorschläge sind alle recht gut umsetzbar. Ich habe mit meiner Gruppe kurz vorher die Orklandtrilogie gespielt und die als Aufhänger genommen, was sehr gut funktioniert hat.
Während des Festes bricht der Konflikt zwischen Beorn und Phileasson aus. Die ganze Szene wirkt unbeholfen und lieblos konstruiert, denn die beiden Kontrahenten werden auf einen Schlag in das Abenteuer eingeführt. Für die Helden ist nicht ersichtlich, woher die Feindschaft zwischen den beiden rührt und warum eine Beleidigung dafür sorgt, dass in der ganzen Halla Dolche gezückt werden. Hier wäre es besser, bereits im Vorfeld deutlich zu machen, dass es sich bei Beorn und Phileasson um herausragende Persönlichkeiten mit großer Anhängerschaft handelt, die unterschiedliche politische Überzeugungen und Machtpositionen vertreten. Wenn man die Helden vorher erfahren lässt, dass Garhelts Sohn Tronde angesichts dieser beiden Gruppen einen schweren Stand als ihr Nachfolger haben würde, erscheint ihre Lösung für den Konflikt (d.h. die Wettfahrt) zwischen Beorn und Phileasson um einiges glaubwürdiger (denn sie schickt die beiden "Störenfriede" erstmal lange genug weg, um Trondes Position zu festigen).
Das Abenteuer schildert keine Möglichkeiten, mit Beorn oder Phileasson vorher zu interagieren und Beziehungen aufzubauen. Dementsprechend entwickelt sich mMn keine Motivation, auf Phileassons Seite an der Wettfahrt teilzunehmen – ich finde es unglaubwürdig, dass die Helden sich einem wildfremden Kapitän anschließen und unterordnen, von dem sie höchstens ein paar Seemannsgeschichten kennen. Ich habe darum versucht, eine persönliche Beziehung zwischen den Helden und Phileasson aufzubauen, damit sie einen guten Grund haben, mit ihm auf Wettfahrt zu gehen.
Ebenfalls unglücklich finde ich, dass es keine exemplarischen Geschichten von Phileassons Vergangenheit gibt. Es wird häufig erzählt, dass er aufregende Fahrten ins Güldenland unternommen habe – aber was hat er da erlebt? Zumindest ein paar Stichpunkte sollten im Abenteuer genannt werden, um dem SL dabei zu helfen, den Charakter auszugestalten. Generell sollten Beorn und Phileasson stärker charakterisiert werden.
Die gesamte Konzeption der Wettfahrt gefällt mir ebenfalls nicht. Sie entsteht spontan aus dem Streit zwischen Beorn und Phileasson (und findet darum zur ungünstigsten Zeit, im Winter, statt) und wird dann von den Zwölfgöttern übernommen, die einen ziemlich unglaubwürdigen Plan verfolgen. Meine Heldengruppe besteht zur Hälfte aus Nicht-Zwölfgöttergläubigen (Nivesin, zwei Elfen) und Thorwaler verehren ja in erster Linie Swafnir, deshalb erscheint mir dieser Hintergrund als unpassend. Zweitens habe ich keine Lust, die Spieler mit Prophezeiungen zu traktieren – die Saga ist schon railroadlastig genug, da will ich ihnen das nicht auch noch auf die Nase binden. Ich habe lange und ausgiebig hier im Forum dazu recherchiert und mich dann dazu entschieden, die Saga ohne zwölfgöttliche Prophezeiungen zu spielen.
Ebenfalls gefiel mir nicht, wie stark die Helden zu Beginn in die Zuschauerrolle gedrängt werden. Der Konflikt bricht zwischen zwei NSCs aus, die Helden sind nicht darin involviert. Die Auswahl der Mannschaft läuft auch komplett über Phileasson. Vor der Abfahrt gibt es nicht viel zu tun; Informationen über den möglichen Verlauf der Wettfahrt werden von den NSCs in Erfahrung gebracht, nicht von den Helden. Hier sollte man den Helden mehr zu tun geben.
Generell krankt die Saga an zwei großen Problemen bezüglich der NSCs:
Zum einen muss der SL sehr viele NSCs verwalten, darstellen und mit den Helden interagieren lassen. Phileasson, Ohm, Shaya, Crottet, Ynu, Raluf, ... das sind nur die wichtigsten, die zu Beginn mit dabei sind. Später kommen noch weitere dazu. Im ersten Kapitel habe ich mir noch sehr viel Mühe gegeben, diese sechs Kern-NSCs und den Rest der Mannschaft irgendwie lebendig werden zu lassen, aber bei sechs Spielern wurde das irgendwann zu viel. Phileasson habe ich noch recht häufig zu Wort kommen lassen und da er der Kapitän ist, interagieren die Helden sehr häufig mit ihm. Ohm diente als Stimmungsmacher auf der Fahrt und hatte da öfter mal Spotlight, als er Schauergeschichten erzählte. Aber der Rest blieb eher farblos: Shaya, Ynu und Raluf traten nur selten auf, für Crottet habe ich überhaupt keine Verwendung gefunden – er hat in der ganzen Zeit kein einziges Wort gesagt – einerseits, weil er laut Hintergrund gerne mal Geschichten erzählt, aber dem SL da keine Beispiele genannt werden, andererseits, weil seine Funktion als Wildniskundiger in meiner Gruppe überflüssig war (Firungeweihter, Olporter Magierin, nivesische Schamanin, zwei Auelfen, Artefaktmagier).
Zum anderen gibt es ein Autoritätsproblem mit Phileasson. Konsequent durchgezogen bestimmt Phileasson, wo es lang geht, und die Helden werden zu Handlangern degradiert. Ist man zu liberal, tanzen die Helden Phileasson auf der Nase herum und ignorieren seine Befehle. Es ist hier sehr schwer die Mitte zu finden. Das Abenteuer hilft da nicht wirklich weiter, denn stellenweise hatte ich den Eindruck, einen Roman mit Phileasson und seinen NSCs als Protagonisten und den Helden als Statisten zu lesen. Da ich aber viel lieber meine Spieler/Helden in den Mittelpunkt der Saga stellen will als Phileasson, halte ich mir die Option offen, ihn im Laufe der Abenteuer sterben zu lassen.
Auf See
Das Abenteuer geht (nicht nur im ersten Kapitel) zu wenig auf magische und karmale Möglichkeiten der Reisebeeinflussung ein. Es ist natürlich ein wenig zu viel verlangt, hier sämtliche Eventualitäten aufzulisten, aber zumindest die bekanntesten Zauber sollten zumindest erwähnt werden. Beispielsweise Kosten und Erschwernisse für den Zauber
Wettermeisterschaft, mit dem die Helden den Sturm vor Olport abschwächen können. Wie können
Manifesto und
Caldofrigo bzw. gleichwertige Liturgien und Rituale eingesetzt werden, um etwas gegen die Kälte zu unternehmen? Welche Möglichkeiten bieten Elementarbeschwörungen? Könnte ein Eisdschinn beispielsweise einen sicheren Weg durch Ifirns Ozean bahnen? Könnte ein Luftdschinn die Nebellunge von Nebel befreien?
Man sollte sich als SL vorher überlegen und auch mit seinen Spielern absprechen, wie die Reisen gehandhabt werden sollen. Jeden Tag auszuspielen dürfte wohl nur den wenigsten Gruppen gefallen; die Reise über Talentproben zu simulieren ist sicherlich für manche eine gute Lösung; schlaglichtartig ein paar Ereignisse exemplarisch zu behandeln und den Rest abzukürzen ist für die meisten Gruppen vermutlich die beste Vorgehensweise. Ich habe jedenfalls zuviel Zeit mit der Ausgestaltung der Reisen zugebracht, was später von meinen Spielern auch kritisiert wurde.
Im Eis
Die Kälteregeln haben bei mir als SL nur für Frust gesorgt. Die aus WdS sind nutzlos, weil jeder Held problemlos einen KS von 12 erhalten kann und somit immun gegen Kälte ist. Die in WdE sind etwas besser, aber immer noch verwirrend, da es widersprüchliche Angaben zu KS und BE gibt und nicht ersichtlich wird, ob der KS von den kTP abgezogen wird. Insgesamt führen die Regeln zu viel Würfelei, meist ohne großen Effekt. Man sollte sich vorher überlegen, ob man die Reise durch das Eis simulieren oder erzählen will. In meinem Spielbericht habe ich mich dazu etwas ausführlicher geäußert.
Die Szene mit der Eisfee habe ich zu einer der schönsten Erfahrungen meines SL-Lebens ausgestalten können. Das hatte allerdings nichts mit der einfallslosen Vorlage zu tun.
Mammutjagd
Das Abenteuer überlässt es der "Phantasie Ihrer Heldengruppe", wie man ein Mammut fängt. Man könnte das für einen sehr modernen Ansatz von Spielerfreiheit und handlungsoffener Abenteuergestaltung halten. Oder aber für Faulheit und mangelnde SL-Unterstützung. Es werden kurz Beispiele erwähnt, wie man ein Mammut fangen könnte, aber dafür werden keine Regeln erläutert, mit denen man dieses Unterfangen ausgestalten könnte. Welche Talente (Wildnisleben, Fallenstellen, Holzbearbeitung, Tierkunde, etc.) können auf welche Weise gewinnbringend eingebracht werden? Welche Kräuter eignen sich, um das Mammut ruhig zu stellen? Welche Zauber? Welche Liturgien? Wie lange dauert es, eine Fallgrube auszuheben? Der SL wird hier vollkommen allein gelassen. Der Verweis auf die ZBA S. 57ff. ist vollkommen sinnlos, denn da steht nur, man solle aus einer Großwildjagd ein kleines Abenteuer machen.
Ende des Abenteuers
250AP für eine lebensgefährliche Fahrt nach Yetiland mitten im Winter, für den Kontakt mit Yetis und die erfolgreiche Jagd auf ein Mammut? Viel zu wenig, habe ich verdoppelt.
Äußerliches und Vermischtes
Keine Karte für das Tal der Donnerwanderer.
Keine Bilder für Galandel und Lenya.
Schlinger im Tal der Donnerwanderer. WTF?
Keine Werte für Pinguine, auf die man Jagd machen kann (auch in ZBA nicht).
Zahlreiche Unstimmigkeiten, die meine Vorredner schon erwähnt haben.
Viel zu schlechte und zumeist fehlende Werte für die NSCs, z.B.:
- Phileasson: fehlende Eigenschaftswerte KL, IN, FF; Klettern 5(?), Selbstbeherrschung 5(!!!), Seefahrt, Wettervorhersage, Orientierung und Sternkunde zwischen 11 und 17; kein Jähzorn, generell kaum Nachteile
Beorn: nur drei Eigenschaften (MU, CH, KK); keine Werte für Boote-fahren/Seefahrt, Orientierung; Überreden viel zu niedrig
Shaya: fehlende Eigenschaftswerte MU, GE, KO; keine Werte für gesellschaftliche Talente außer Bekehren; kein Liturgiekenntniswert (!); keine KaP(!!!)
Galandel: keine Eigenschaftswerte; keine explizit genannten Talente; keine explizit genannten Zauber und Sonderfertigkeiten
Über die Höhe von Talentwerten etc. kann man ja streiten, aber wenn die Werte komplett fehlen, werden die NSCs in ihrer Handlungsfreiheit extrem beschnitten. Es liegt also ganz am Spielleiter zu entscheiden, ob der NSC in einer bestimmten Situation etwas tun kann oder nicht.
Fazit
Gen Norden hat mir und meiner Gruppe extrem gut gefallen. Es ist mMn eines der besten der ganzen Saga, einfach weil man eine sehr gute Stimmung aufbauen kann und die Aufgabe eine ganz klassische Abenteueraufgabe ist.
Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich sehr viel Arbeit in dieses Abenteuer gesteckt habe. Ich musste einige Dinge ändern, streichen oder ergänzen. Die Vorlage an sich gibt viele gute Ideen, aber es liegt am SL, da ein wirklich gutes Abenteuer draus zu machen. Wenn man den Aufwand nicht scheut, lässt sich daraus ein fulminanter Auftakt für die Saga basteln, den ich mit
5 Punkten bewerten würde. Für die reine Vorlage gebe ich
3 Punkte.