Okay.
„What did we learn on the campaign tonight, guys?“
a) Alles Schlimme passiert in Wäldchen. Wenn die Helden ein Wäldchen sehen, kann man davon ausgehen, daß darin etwas Plotrelevantes versteckt ist. Wie Ostereiersuchen, nur einfacher.
Am besten sind die Wäldchen, in die ein Pfad hineinführt und dort auf der obligatorischen Lichtung endet.
b) Mittelreicher müssen das auserwählte Volk Praios' sein. Schließlich sind sie so ordnungsliebend, daß sie die Bevölkerung eines geplünderten Städtchens vorschriftsgemäß im Bordell zusammentreiben, um sich dort im passenden Ambiente an ihnen zu vergehen.
c) Einer der Autoren spielt The Elder Scrolls IV: Oblivion.
d) Der richtige Name der Entität ist entweder Belharkor oder Korfai.
e) Die Wildermark ist kein Problem des Mittelreichs. In der Wildermark sind auch nicht die Kriegsfürsten das Problem. Oder die korrupte Reichsarmee. Oder die Blutkerbe.
Das Problem ist der Mittelreicher an sich.
Hmm. Ja, das kann man als Fazit der Kampagne so stehen lassen.
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So, nun ernsthaft. Man möge mir a) bis e) verzeihen.
Die Kampagne ist allgemein recht gut. Die Abenteuer sind hinreichend abwechslungsreich, die Helden haben ordentlich zu tun, die wahrgenommenen Logikbrüche und
-Momente sind verträglich, und insgesamt schafft es VeG, aus dem etwas verkorksten Hintergrund eine unterhaltsame Abenteuersammlung herauszuholen.
Der Einstieg ist mMn nicht so günstig, denn hier wird an das übliche Gutmenschentum der Helden appelliert, das für den weiteren Verlauf der Kampagne weder notwendig noch vorteilhaft ist. Der Pilgerzug an sich ist gut gewählt, nur bräuchten auch moralisch flexiblere Helden einen vernünftigen Grund, sich ihm anzuschließen. Ist aber eine Kleinigkeit.
Witziger Nebeneffekt der Begegnungs-Würfelei war bei uns, daß alle Wegelagerer und zwielichtigen Begegnungen auf der Reise nach Wutzenwald ausgerechnet Reichsarmisten waren. Alle. Damit war das Verhältnis zur Armee vom ersten Spieltag an klar.
Wutzenwald und die Befreiung Zweimühlens sind okay – außer vielleicht, daß die Baronie-Übergabe-Szene zwar hübsch ist, aber ziemlich gezwungen daherkommt, wenn man Nekrorius schnell und mitten in der Nacht erledigt.
Ein ganz, ganz großes Problem der Kampagne aber ist dann das Baronsdasein. Da soll man eine Baronie verwalten, und es gibt nicht mal eine Karte?!? Nicht mal für den Spielleiter? Das geht GAR NICHT. Es ist ja schön, wenn man nicht immer alles festlegen will, aber das ist treffsicher am falschen Ende gespart. Schon die Zweimühlen-Karte ist von Ausführung und Größe her grenzwertig, und eigentlich gehörte auch eine ordentliche Wildermark-Karte in den Band.
Auch mehr zu Einnahmen, Ausgaben und dgl. wäre sinnvoll gewesen; und zwar nicht nur für Zweimühlen, sondern auch die umliegenden Ortschaften, v.a. Talf und Berler.
Dasselbe gilt für die Nachbar-Warlords. Wieviel haben die, welche Bedrohung sind sie, wie kann man ihnen möglichst effektiv schaden? Auch hier gilt: Sparen doch bitte woanders.
Das führt dazu, daß VeG zwar so tut, als würden die Helden hier eine Baronie verwalten, der Band im Endeffekt aber eine Sammlung klassischer Abenteuer ist, die alle die Baronie als Einstieg und Motivation nutzen, aber sonst bleibt dieser Aspekt schöne Fassade ohne Substanz. (Dasselbe Problem hat „Herren von Chorhop“.)
Die Finstermann-Abenteuer waren grundsätzlich in Ordnung. Das Spukschloß war viel, viel zu überdimensioniert – erst recht dafür, daß es weitgehend leer ist. Auch schade war, daß es scheinbar keinerlei Auswirkungen hatte, was man vorher in die Verteidigung Zweimühlens investiert hatte („muß der SL machen“ zählt nicht). Die Traumsequenzen kamen nicht so toll an, aber das liegt auch daran, daß ich (und der Rest der Gruppe afaik auch) solchen Psychobabble prinzipiell nicht mag. Die dümmlichen Prüfungen von Sta. Boronia kann man dem Abenteuer nicht vorwerfen. Unglücklich ist es mMn, ausgerechnet die Helden in die Traumwelt zu schicken – denn jeder anwesende Borongeweihte dürfte seelenheilkundiger sein als alle Helden zusammengenommen. Schickt man die Helden dagegen nur als Begleitung mit, löst der NSC das Abenteuer – da stimmt was am Ansatz des Szenarios nicht.
Albuin der Ketzer – daß die noch geweiht sind, ist ein FEHLER, FEHLER, FEHLER. Ich bin ja sehr dafür, die Götter und kirchlichen Strömungen nicht zu sehr einzuengen, aber ein paar Grundzüge eines Gottes sollten schon noch erkennbar bleiben und nicht in Beliebigkeit abgleiten. Sonst können wir zum Korfai gleich noch den Praiokraman einführen.
Die Blutkerbe halte ich für eine gute Idee, um dem Wildermarksetting noch ein wenig Berechtigung zu verschaffen. Die Ausführung dagegen war ziemlich schräg – die Prüfungen (gerade die erste) für Helden mMn ziemlich grenzwertig, und wenn die von Kor stammten (kam nicht so genau heraus), dann halte ich Punkt d) oben für ziemlich erwiesen.
Den Vogel abgeschossen hat dann der Korgeweihte, der in die Blutkerbe eindrang, sich bis zum Zentralturm durchschlug und DANN gemerkt hat, daß die Globule nicht Kor untersteht. Den Eindruck, daß ein paar heftige Schläge auf den Kopf zur Grundausbildung eines Korgeweihten gehören, hatten wir auch bei Blutfaust selber.
Die Blutkerbe selber war mal eine gute Globule – wenn auch, wie geschrieben, ordentlich aus Oblivion geklaut, inklusive Zusammenbruch und Rückteleport, wenn man den Sigil Stone entfernt.
Der Kor-Avatar ist hochgradig überflüssig.
Der Abschluß der Kampagne war mMn wenig aufregend – den Sieg über Fenn hatte man eigentlich bei all den anderen Räubern in irgendwelchen Wäldchen schon mal, und eine Feier für Rohaja aufwendig zu organisieren, hatten wir eigentlich echt keine Lust.
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Ich gebe der Kampagne insgesamt mal vier Sterne, mit deutlicher Tendenz zu drei.
Zumindest in den Diskussionen wurde an VeG die Erwartung herangetragen, als Kampagne etwas Neues zu präsentieren – das ist sie definitiv nicht. Stattdessen ist sie eine gute Wildermark-Anthologie und vergleichbar mit anderen typischen DSA-Abenteuern, und in diesem Rahmen ist auch die Bewertung zu sehen. Als Sandkasten-Szenario hätte sie nicht mehr als zwei verdient - Na'rat hat da das Nötige zu geschrieben (und ich bin mit Na'rat höchst selten einer Meinung
).