DnD-Flüchtling hat geschrieben: ↑30.09.2020 21:22
Das erinnert mich an so ein Erlebnis während einer Schulung, wo einer der Teilnehmer iranischer Armenier war und der Kursleiter - persönlich wohl weitgehend unbelastet von Kenntnissen dieses Landes - ihn dann fragte, ob er denn iranisch sprechen (also im Sinne von beherrschen) würde.
Allerdings, wenn es dich auf irgendeine Weise beruhigt: Ein deutschbelgischer Kommilitone hielt einmal in einem PoWi-Seminar ein Referat zu seinem Heimatland und begann seinen Vortrag mit der Anmerkung, dass die Deutschen doch etwas ahnungslos wären, was Belgien anginge, so hätte er schon mehr als einmal die Frage gestellt bekommen "wieso sprichst du denn nicht belgisch". Und das waren Studenten in einer Stadt, die keine 100 km von der deutsch-belgischen Grenze entfernt liegt, und wir reden von einem Land, das kulturell und historisch schon sehr eng mit Deutschland verwoben ist! Ich würde also allgemein wenig bis gar nichts erwarten, dann kann man nur positiv überrascht werden
Wenn man noch näher an Belgien studiert hat, löst sich das übrigens auf
. Danke für die Antwort, ich stimme dir hier übrigens weitgehend zu. Es war auch nicht mein Ansinnen zu sagen, beschäftigt euch mit allen Kulturen weltweit, das ist Quatsch und geht auch nicht (ich würde mir eher wünschen dass man sich mal zumindest ein Basiswissen seiner eigenen Kultur aneignet…). Wenn das Interesse nicht vorhanden ist, wird man sich einfach nicht damit beschäftigen, das ist recht banal, ist aber nun erst einmal so (und das meinte ich auch mit meiner obigen Aussage).
Aber andersrum, wenn ich mich für eine Kultur interessiere, bzw. in diesem Fall für ihre Adaption in DSA, dann darf doch auch dieses Interesse mit entsprechenden Informationen angereichert/bedient werden, oder? DSA ist nun mal kein Spiel das an Details spart. Ich kann dir glaube ich aus dem Stehgreif eine 100 seitige Abhandlung über Artefaktherstellung in DSA schreiben, es gibt bestimmt über 2000 Seiten Material über Gareth, locker 300 Seiten über Havena etc.
Ich behaupte jetzt einmal, zum einen, dass Tulamiden/Tulamidistani und Novadis (übrigens eine kulturelle Trennung die von fast jedem/jeder Spieler*in intuitiv vorgenommen wird) bzw. deren Regionen auf ein starkes Interesse seitens der Spielerschaft treffen. Und zum zweiten, dass ein differenzierteres Bild also weitere Bilder neben dem Klischee von jenen Interessierten gewünscht werden und ihnen ein vielseitigeres und lebendigeres Aventurien ermöglichen (ich meine wie lange haben wir uns beide alleine im Tulamidenbeitrag unterhalten). Abziehbilder sind halt nun mal „flach“. Natürlich kann man damit auch Spaß haben (siehe nordisches Barbarenbeispiel) und den will ich den Leuten auch gar nicht nehmen, aber ich möchte dass auch diejenigen die sich eine facettenreiches Aventurien wünschen eben auch bedient werden. Und dieses Interesse kann man als Käufer ja gezielt durch den Kauf der jeweiligen RSH bedienen. Wenn ich mich nicht dafür interessiere bleibe ich halt bei den Basisbeschreibungen/Klischees.
Das als Maßnahme Aranien z.B. ausgegliedert und in einer separaten Spielhilfe behandelt wurde deutet für mich drauf hin, dass man diesen Bedarf bedienen möchte und gleichzeitig die Kulturen differenzierter darstellen möchte (aus welcher Motivation und wie gut das erfolgt, will ich gar nicht erörtern oder anderen Meinungen widersprechen).
Sowohl bei der differenzierten Sicht, als auch bei der Klischeebeschreibung, kann man aber anhand der Beschreibung wie sie seitens der Redaktion vorgegeben wird, aber schon sehr stark die Meinung zu einer Kultur prägen in dem man einzelne Aspekte unterschiedlich deutet oder pointiert.
Wenn ich beim Thorwalerbeispiel bleibe, könnte ich rein von der Klischeebeschreibung, durch den Fokus auf bestimmte Aspekte ein sehr positives oder sehr negatives Beispiel eines Thorwalers beschreiben.
Ich könnte, wie im Basisregelwerk geschehen, betonen, dass der thorwalsche Seefahrer, offen für fremde Kulturen ist, gegen „das Böse an sich“, sprich Dämonen und Sklaverei vorgeht, zufrieden mit seinem Lebensstil ist usw.
Ich könnte aber auch sagen, dass thorwalsche Plünderer, sich einen Dreck für andere Kulturen interessiert, deren Feinheiten beim Plündern fremder Gestade er gar nicht groß wahrnimmt, dass er die wehrlose Bevölkerung mordet, vergewaltigt und selber versklavt, dass sein gesamter Reichtum und seine Gier durch das Leid anderer finanziert/befriedigt werden usw.
Ich könnte betonen, dass die tulamidische Universalgelehrte auf jahrtausendealtes Wissen, lange vor der Invasion der Güldenländer zurückgreifen kann und weiterentwickelt hat, dass sie versucht Wissenschaft und Kunst zu verbinden…
oder ich schreibe als Basischarakter zum 1001. Mal die tulamidische Diebin ins Basisregelwerk…
DnD-Flüchtling hat geschrieben: ↑30.09.2020 21:22
Hierbei muss man auch immer im Hinterkopf behalten, dass es im Grunde zwei verschiedene Ziele gab:
1. Einmal erschuf man ein Setting, das zwar an das irdische europäische Mittelalter angelehnt war, aber wo man sich mit Blick auf die weibliche Spielerschaft eine massive Abweichung von der irdischen Realität gestattete, was die Geschlechterrollen anging; und das auch deutlich kommunizierte (bei DnD dagegen wurde das Problem in der Regel dadurch umschifft, indem man sich um die Beschreibung von Geschlechterrollen in ihren Settings herumdrückte).
2. Auf der anderen Seite wollte man es einer Spielerschaft, die zu 99% ohne Migrationshintergrund war, es zu ermöglichen, ihren Eskapismus auszuleben und sich in exotischen Kulturen herumzutreiben (und später auch, Vertreter der entsprechenden Kulturen selber zu spielen) - und zwar so, wie die Spieler sich das vorstellten: Das Vorurteil war gewissermaßen also ein Feature und nicht ein Bug. Das trifft insbesondere auf die Novadis zu, die schon seit 1984 so beschrieben wurden; bei den Tulamiden hat man das dann mit der Khom-Box so festgeklopft (was man ja theoretisch hätte vermeiden können).
Du weißt, ich schätze deine Meinung sehr und freu mich über jeden gedanklichen Austausch mit dir, aber für mich widerspricht sich das ein wenig und ich bin an dieser Stelle nicht bei dir:
Aussage 1: Ich möchte Frauen das Spiel in DSA angenehm gestalten in dem sie (trotz irdischen Hintergrunds auch in Europa) gleichberechtigt im Spiel sind
Aussage 2: Ich möchte ermöglichen, dass man als Deutsche*r eine*n Klischee-Tulamidistani/Novadi spielen darf.
Aussage aus 1: Ohne Gleichberechtigung ist das Spiel für Frauen in DSA nicht attraktiv
Konsequenz aus 1 und 2 (Frauen sind nicht gleichberechtigt bei den Novadis/Tulamidstani): --> Ich verhindere das Frauen Tulamidistani/Novadis spielen… Ja, eigentlich fördere ich dann sogar die Ablehnung der Frauen gegenüber der Kultur, da ich explizit sage, bei der europäischen Adaption kriegen wir Gleichberechtigung hin, aber bei den Orientalen….pffff… ne die sind halt so.
Durch diesen Gegensatz, in dem man ganz klar spiegelt, bei der europäischen Adaption machen wir das, bei der orientalischen nicht, erreicht man eigentlich nur eine Verhärtung dieses Vorurteils und das finde ich überhaupt nicht in Ordnung.
Ich persönlich könnte sogar damit leben, um das Klischee zu bedienen, dass es eine Trennung der Geschlechter gibt. Bspw. dass beide Geschlechter nicht gemeinsam ins Badehaus gehen, dass die/der tulamidische Frau/Mann auf dem schmalen Grad wandern muss charmant und eloquent zu wirken, ohne dass es von Außenstehenden oder dem Gegenüber als Flirten interpretiert wird, vielleicht sogar (wenn es unbedingt sein muss) bei der Ausübung einiger Berufe (wodurch es ja dann sein kann, dass Frauen Berufe wahrnehmen, die mittlerweile im Ansehen höher sind) usw. Aber eine Diskriminierung der tulamidischen Frau (in Aranien: Mann), in der sie als Besitz des Mannes (Aranien: zu dumm) beschrieben wird, lehne ich aus meinem Innersten heraus ab.
Und eine Argumentation, vor 40 Jahren waren Vorurteile in der Redaktion halt normal kann ich zwar nachvollziehen (auch wenn ich das Vorurteil natürlich nicht teile und es auch in der Zeit schon deutliche Gegenbeispiele gab), aber die Konsequenz da nichts zu ändern, gerade weil es ja so augenscheinlich bspw. auch bei Frauen ging, finde ich nicht überzeugend. Das kann und sollte man 40 Jahre später einfach überarbeiten können.