Rhonda Eilwind hat geschrieben: ↑24.09.2020 19:50
Und genau das ist eben der Unterschied. Es gibt gar kein "universelles Maskulinum" im Englischen, es gibt schlicht keinen Unterschied, also in dem Sinne überwiegend auch kein Maskulinum.
Stimmt, und das hilft natürlich sehr. Aber auch dort gibt oder gab es einige klar männliche Berufsbezeichungen (postman, fireman, policeman, ...), die gegen harten Widerstand erst gender-neutralisiert werden mussten (firefighter, police officer, ...).
Was DSA angeht ging es mir persönlich zB sehr gegen den Strich, als mit dem neuen Thorwal die Mehrzahl von "Hetmann/Hetfrau" auf einmal nicht mehr "Hetleute" war sondern "Hetmänner".
(Genauso wie außerhalb von DSA der Trend weg vom alten Plural "Seeleute", "Feuerwehrleute", "Hauptleute" geht und hin zu "-männer". Mir ist schon klar, dass auch bei Seeleuten auf der Erde nie damit gemeint war, dass da männliche und weibliche Seeleute auf den Meeren schippern. Aber nachdem das nun gerade passiert, hätte man es mit diesem Plural eigentlich ganz gut abbilden können. Statt dessen wird ausgerechnet jetzt, wo es Frauen zur See und bei der Feuerwehr gibt, die Mehrzahl klar männlich gemacht -
was sie früher nicht war.)
Zum Rassismus:
Ich fände es elend schade, wenn Aventurien keinen Rassismus mehr hätte. Auf einmal fühlen Mittelreicher sich nicht mehr den vor langer Zeit besiegten Tulamiden überlegen, oder den götterlosen Elfen, oder diesen wilden Menschenfressern von den Waldinseln? Meh. Als nächstes erkennen sie noch an, dass die Orks, Goblins oder Trolle das Recht hätten, sich und ihre Jagdgründe gegen mittelländische Siedler zu verteidigen.
Was mir dabei aber wichtig ist: Man muss unterscheiden zwischen inneraventurischem und redaktionellem Rassismus.
Wenn Boisupajew von Sjepengurken über Elfen oder Tulamiden ablästert, obwohl er selbst aus dieser Hochkultur mit den Brückenadligen und den ausgebeuteten Leibeigenen kommt - das ist aventurischer Rassismus. Der sagt viel über den Rassisten selber aus, legt die Grundlage für Rollenspiel, und für inneraventurische Konflikte, aus denen Abenteuer werden können. Das ist fein.
Wenn Orks sich für den Menschen überlegen halten und Menschen umgekehrt sich für besser, das ist fein.
Und wenn die Bornländer oder Alanfaner oder Horasier die dummen Kannibalen auf den Waldinseln kolonialisieren wollen, dann ist das auch klasse. Und wenn die Waldinsulaner die Weißen für wandelnde Wasserleichen mit Charyptorothpakt halten, ebenso.
Was ich aber nicht okay finde ist, wenn Regelwerk oder Hintergrundbände unreflektiert in die gleiche Richtung gehen. Wenn Orks oder Goblins selbstverständlich kein Recht haben, ihr Stammesland zu verteidigen, das selbstverständlich die Menschen in Beschlag nehmen sollen.
Wenn die Waldinsulaner als dumme Wilde dargestellt werden, die keine eigenen Interessen vertreten, sondern denen es höchst egal ist ob da jemand noch einen Stützpunkt auf ihrer Insel baut. Denn die insel ist ja Wildnis. Die gehört niemandem. Da können Brabaker, Horasier, Kemi, sonstwer, mal eben eine Kolonie einrichten, weil, da wohnt ja niemand, der eigene Interessen vertreten würde. Nur Wilde, die man ignorieren kann.
Wenn man eine alanfanische Flotte aufbaut und zwecks Ruderern einfach mal ein paar Shokubunga-Dörfer als Sklaven eingesackt werden. Das ist ja auch so einfach, die wehren sich ja nicht. Das sind ja nur Wilde, die sind zu blöd. Und ganz selbstverständlich werden da Farbige versklavt, weil sich das einfach so gehört, auch wenn Tulamiden aus dem Szintotal oder mittelländische Kriegsflüchtlinge wahrscheinlich einfacher zu bekommen wären. Aber Sklaven haben nunmal standardmäßig dunkelhäutig zu sein. (Was sie in der Antike auf der Erde keineswegs waren und im Mittelalter auch eher nicht.)
Noch schlimmer, wenn/falls Exoten im Regelwerk künstlich teurer gemacht werden als der Standard-Mittelreicher, auch wenn der Nutzen ihrer Vorteile das nicht rechtfertigt. Diese Tendenz gab es, glaube ich, bei DSA4 zeitweise. Wobei andererseits immerhin DSA4 erstmals Orks, Goblins und Achaz als Chars zuließ und nicht mehr als "Igittibäh, sowas hat man nicht zu spielen" ausschloss.
Was ich schon lange befürworte ist, im Regelwerk und in Hintergrundtexten öfter mal andere Sichtweisen als die mittelreichische einzubringen. Das könnte die Vielfalt steigern und den Blick auf andere Rassen, Spezies und Kulturen öffnen.
Ein Talent wie Schwimmen muss man nicht mit Held Alrik erklären, der durch den Burggraben schwimmt. Das geht auch mit einer Fischerin vom Stamm der Tocamuyac.
Das Reiten-Talent kann man statt mit Ritter Rondradan auch mit einem Novadi auf Kamel oder Goblin auf Wildschwein erklären; Schleichen kann statt Streuner Alrik gegen die Sinnesschärfe der Büttel auch ein Nivesenmädchen beim Versteckspielen.
Und warum baut man in einer Stadtbeschreibung Vinsalts nicht mal ein Zitat von einer Miniwatu-Prinzessin ein, die dort als Diplomatin ankommt, oder schildert ein kurzes Zitat lang Gareth aus der Sicht eines tulamidischen Tee-Importeurs? Warum alle anderen Völker aus der Sicht mittelländischer Forschungsreisender, aber nie umgekehrt?
Da sehe ich allerhand Ausbaumöglichkeiten.
Nicht, um inneraventurische Vorturteile für abwesend zu erklären. Sondern um sie den Spielern deutlich zu machen, und zum Reflektieren zu ermuntern.