Morgel hat geschrieben: ↑03.08.2022 22:06
Früher wurde dsa von Nerds für Nerds gemacht. Heute will ein Unternehmen mit einer Marke Geld verdienen.
Wer erinnert sich nicht gern an den bekannten DIY-Nerd-Verlag Schmidt Spiele, der stets ohne Gewinnerzielungsabsicht seine kleinen Indy-Spiele publiziert hat, die nur einem winzigen Kreis eingeweihter Fans durch Mund-zu-Mund-Propaganda bekannt waren? Das waren noch Zeiten!
Nein, im Ernst. Natürlich ist es unübersehbar, in welche Richtung es mit DSA geht. Nämlich Output maximieren und bei diesem Output dann mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst hohen Preis rechtfertigen, bspw. durch das nochmalige Abdrucken in gefühlt jedem Band enthaltener Regeln. Das liegt aber nicht daran, dass Ulisses so ein gieriger Haufen wäre, das liegt daran, dass sie als wirtschaftlicher Akteur auf einem Markt mit ständig fallenden Profiten operieren - die Mehrzahl der Spieler ist mit RPG-Material eben bis in alle Ewigkeit versorgt und braucht nicht wirklich Nachschub, es gibt sicher Unmengen von Gruppen da draußen, die immer noch DSA3 zocken, wer 4.1 komplett hat, wird sich zu Recht drei mal überlegen, wie viel DSA5 er sich noch kaufen muss, die Konkurrenz durch Videogames ist gigantisch, Filesharing ist ein Thema, die Menge der Anbieter wächst weiter und weiter etc. pp. Ähnliches lässt sich in den meisten Branchen beobachten. Das ist eben Kapitalismus in der Spätphase, die Marktbedingungen führen zwangsläufig zu fallenden Profiten, das führt zwangsläufig zu immer abenteuerlicheren Gewinnoptimierungs-Plänen und irgendwann hat man einen von Shovelware-Überangebot dominierten Markt - ohne in der Breite durchsetzungsfähige Alternative, weil eine Alternative ja trotz besserer Leistung noch defizitärer wirtschaften würde. Sie könnte ja nicht darauf optimieren, noch den letzten Cent aus den frustrierten Kunden zu questschen und käme so nie und nimmer gegen die marktbeherrschenden etablierten Player an. Dafür kann aber Ulisses nichts, das ist systemisch bedingt. Hate the game, not the player.
Um den Bogen zurück zum Thema zu schlagen:
Wie sehr das alles auf Gunst der Göttin zutrifft, dazu kann man aber nicht wirklich etwas sagen. Niemand hat das Teil gelesen. Wir kennen das Titelbild und einen Teaser-Text. Ich sehe auch nicht, wo das zu der hier monierten Überversorgung der Rahja-Kirche beitragen soll. Die gibt es nun mal nicht, zur Rahja-Kirche selbst gibt es ein paar fluff-arme Texte in den Regelbüchern, ein paar bits and pieces in WdV und das Vademecum. Zum Vergleich, die Hesinde-Kirche kriegt bald das VIERTE Vademecum aus ihrem Dunstkreis (Hesinde, Nandus, Draconiter und demnächst Mada). Stört mich nicht groß, ich spiele selbst ne Hesinde-Geweihte, der die Mada-Verehrung sehr wichtig ist, aber ich zweifle eben daran, wie objektiv der Eindruck ist, dass Rahja so viel mehr kriegt als andere Gottheiten. Nicht mal der wichtigste Halbgott aus dem Dunstkreis dieser Kirche hat schon ein eigenes Vademecum.
Wozu es dagegen viel Material gibt, ist Sex in Aventurien. Daraus aber "immer geht es um die Rahja-Kirche" abzuleiten ist so, als ob jedes AB mit Kämpfen drin und mit Schwertern auf dem Cover "schon wieder was für die überversorgte Rondra-Kirche" ist oder alle Bände, in denen irgendwer gestorben ist, "wieder mal ein Band für die dauerpräsente Boron-Kirche" oder alles, wo es um Handel, Glücksspiel und Diebstahl geht "schon wieder Phex!" Rahja hat auch andere Aspekte als Sex und Sex gibt es auch ohne Rahja.
Finde es darum sehr befremdlich, wie manche Beiträge hier argumentieren. Beispiel:
Timonidas hat geschrieben: ↑03.08.2022 14:24
Aryador hat geschrieben: ↑02.08.2022 18:48Ehrlich gesagt habe ich überhaupt nicht das Gefühl, dass Rahja in WdV groß vorkam, insbesondere die Kirche nicht. Es gab ein paar Professionen und es ging natürlich um das Thema Sex, aber wo wurde denn die Kirche beschrieben?
Das hat doch auch niemand behauptet oder? Ich hab geschrieben das "Rahja Liebhaber" schon voll auf ihre Kosten gekommen sind damit. Und diejenigen die sich für Belkelel interessieren haben auch 2 Kampagnenbänder und auch im Dornenreich einiges zur Thematik.
Aryador hat geschrieben: ↑02.08.2022 18:48Ja, okay es gab eine Belkelel-Splitterkampagne - die gab es aber für andere Erzdämonen auch.
Ja aber lange nicht für jeden und auch von denen hatte nicht jeder wie Belkelel gleich 2.
Aryador hat geschrieben: ↑02.08.2022 18:48Davon abgesehen ist eine der beständigen Forderungen hier "Fluff und Abenteuer". Jetzt wird hier ein CF mit Fluff, Hintergrund und Abenteuer angekündigt und sofort tauchen Gründe auf, warum es trotzdem nicht DAS RICHTIGE ist.
Also ich finde das war doch klar. Rahja ist nunmal eher nischig, und sie ist überpräsent. Bei Phex und Rondra könnte man das ja noch rechtfertigen weil die beiden einfach sehr beliebt und Spielrelevant sind. Aber das Rahja und Belkelel so kurz nach der WdV und Dornenreich wieder ein CF bekommen finde ich ist definitiv kritikwürdig.
Also salopp zusammengefasst: "Die Rahja-Liebhaber kommen voll auf ihre Kosten und Rahja ist überpräsent, weil es schon was zu Sex im Allgemeinen und zu Belkelel gab."
Sorry, aber nein. Man kann nicht einfach je nachdem, was gerade die eigene Argumentation am besten unterfüttert, in jedem Satz seine Definition des Diskussionsgegenstands wechseln, das ist - pardon, wenn ich das so deutlich sage - intellektuell unredlich. Entweder, wir reden über Rahja oder wir reden über Sex oder wir reden über Belkelel. Das kann sich überschneiden, das tut es auch oft, aber es ist eben nicht alles 1:1 das gleiche. Auch nicht so weit, dass man es der Einfachheit halber mal eben unter "für die Rahja-Liebhaber" zusammenfassen kann.
Denn dann können wir gar nicht sagen, worüber hier tatsächlich diskutiert wird. Wenn das auf so eine Art vermischt wird, dann bleibt im Unklaren, woran du dich überhaupt störst. Ist es tatsächlich der Rahja-Kult? Ist es die Menge an sexuell expliziten Inhalten? Sind es BKL-typische Inhalte wie sexualisierte Gewalt? Oder ist es ein bestimmter, "ahistorischer", selbstbestimmter Umgang mit Sexualität, der schon immer für die Rahja-Kirche typisch war? Da nicht sauber zu trennen, verunmöglicht eine sinnvolle, zielführende Diskussion über dieses Thema.
Ich bin bspw. immer für Sex in Aventurien. Meine Runden sind normalerweise sehr sex-positiv, es gibt oft Sex zwischen den SC oder zwischen SC und NSC. Ab und zu auch in einem Ausmaß, das tonangebend für das AB wird. Und das ganze ist oft auch queer und immer aus ner femininen Perspektive, weil ich großteils mit anderen Frauen spiele und weil immer Leute aus der LGBT-Community dabei sind. Ich mag dementsprechend auch die Rahja-Kirche, die wunderbar zu unserer Herangehensweise an DSA passt. Worauf ich dagegen komplett verzichten kann und wovon wir meiner Meinung nach schon viel zu viel hatten, ist die ganze Belkelel-Geschichte. Ich war nie so richtig zufrieden damit, in welche Richtung DSA post-Borbarad gegangen ist und welchen Fokus die G7 dem Spiel für lange Zeit aufgedrückt hat. Und im Fall von Belkelel kommt noch der ganze Vergewaltigungs-Aspekt dazu, den ich an meinem Spieltisch überhaupt nicht haben will, egal auf welche Art er thematisiert wird.
Ist nur meine Meinung, ist teils natürlich auch eine kontroverse Meinung, aber es zeigt eben sehr deutlich, dass man über dieses Thema nur sinnvoll reden kann, wenn man diese komplett unterschiedlichen Bereiche sauber trennt und offen kommuniziert, was einen wirklich stört.
Ich höre bspw. in meinem Umfeld oft Kritik an der zu einseitigen, auf Sex reduzierten Darstellung der Rahjanis und kann die gut nachvollziehen. Rahja ist auch die Göttin der leidenschaftlichen Liebe, Rahja ist auch dafür da, durch das Schicksal getrennte Liebende zusammen zu bringen, Rahja steht für zünftige Besäufnisse und für vollendetes Winzer-, Brauer- und Brenner-Handwerk, Rahja ist das Pferdemädchen Alverans, Rahja steht hippiemäßig für Love & Peace (Joborner Verbrüderung!), Rahjas Domäne ist auch der ganze Bereich Wellness/ Self Care / Achtsamkeit, Rahja ist musikalisch und will noch nicht gehn, sie will noch ein bisschen tanzen, Rahja verfolgt allgemein fast alle Spielarten des Hedonismus, vom ekstatischen über den von Maß und Mitte geprägten, hochkultivierten Genuss bis hin zu asketischen Richtungen, die Zustände der Ataraxie anstreben. Wenn das einfach die Bummsgöttin ist, wird man dem Rahja-Glauben nicht mal im Ansatz gerecht.