X76 hat geschrieben: ↑12.07.2021 09:13
Meiner Erfahrung nach bewirken strenge Einschränkungen vor allem die Konzentration auf den harten Kern. In DSA 3 waren Gefahreninstinkt, Sinnenschärfe und Waffentalente typische "das muss unbedingt gesteigert werden" Talente, da man pro Stufe nur 1 Punkt verbessern durfte. Ein versäumtes Steigern kann man später nicht mehr aufholen.
Damit war ich auch bei der NLT nie wirklich glücklich gewesen (und beim PnP war es mir nur deswegen egal, weil wir immer ohne Steigerungswürfe gespielt hatten).
Generell finde ich, dass Stufen keine gute Sache sind. "Boss fällt, Belohnung wird kassiert *kling, kling* plötzlich habe ich mich verbessert*", aber vorher kann man so viel Üben und Zeit haben wie man möchte und es tut sich gar nichts.
Der Hauptvorteil an Stufen für den Spieler ist, dass es das Steigern stark vereinfacht: Man kriegt die Erfahrung immer im Bündel und darf dann eine festgelegte Summe an Steigerungen verteilen, die AP an sich sind lediglich ein Gradmesser dafür, wann es das nächste mal so weit ist.
Bei einem Kaufsystem werden die AP zur Währung; nun muss man jeden einzelnen Punkt buchhalterisch erfassen und auch bei jedem einzelnen Punkt entscheiden, wofür man ihn ausgeben will ("kaufe ich jetzt KK? oder doch Schwerter? Oder doch Hammerschlag? Und eigentlich wollte ich ja auch noch ein paar Punkte in Natur und Gesellschaften packen"). Auch wenn das realistischer ist und dem Spieler mehr Autonomie gibt - geschmeidiger ist das nicht.
Bei simplen Systemen wie White Wolf ist das kein Thema, da die Werte sowohl sehr überschaubar sind als auch sehr niedrig (9 Eigenschaften, 30 Skills, eine Handvoll besondere Fertigkeiten; Maximalwert überall gleich, in der Regel 5; Kosten schnell im Kopf auszurechnen). Bei DSA, wo man hunderte von möglichen AP-Gräbern hat (gute Eigenschaften, Nachteile zum abbauen, Dutzende Talente, Dutzende oder Hunderte Sonderfertigkeiten, dazu noch umfangreiche Tabellen mit den Kosten) ist das durchaus Arbeit. Manche Spieler haben Freude daran, aber das sind bestimmt nicht alle.
Letztlich hängt es davon ab, was einem mehr wert ist, wobei ich finde, dass die überladene Art und Weise, wie die Steigerung insbesondere in DSA 4 gehandhabt wurden (DSA 5 hat es ja etwas spielerfreundlicher gestaltet), nicht wirklich Werbung für das Kaufsystem ist.
Ein weiterer, selten angesprochener Vorteil des Stufensystems ist übrigens, dass es irgendwie befriedigender ist - mir zumindest ging es so. Mit dem "Yesss, endlich eine Stufe aufgestiegen!"-Erfolgserlebnis konnte das Gefühl, wenn man sich einen weiteren Talentpunkt oder eine neue Sonderfertigkeit gekauft hat, nicht mal ansatzweise mithalten, auch wenn es sich deutlich häufiger einstellte.
Stufen, einengende Klassen und starre Levelsysteme sind heute zum Glück nicht mehr so verbreitet im Rollenspiel. Vor allem aber sind sie sowieso völlig überflüssig.
Da würde ich dezidiert widersprechen. Systeme wie DnD beispielsweise sind nie vom Stufensystem weggekommen, und Versuche, sie in ein Kaufsystem zu überführen, würden das Spiel bis zur Unkenntlichkeit entstellen. Und dass DnD nicht sang- und klanglos untergegangen ist, sondern im Gegenteil einen dritten Frühling durchmacht, spricht eher dagegen als dafür.
Übrigens sehe ich auch ganz grundsätzlich den Vorteil eines Kaufsystems aus der Perspektive des Gamedesigners - es gibt einem ein weiteres Werkzeug in die Hand, den Machtzuwachs der Charaktere berechenbarer zu gestalten.
Mir ist es bei meiner Hausregelversion von DSA 5 aufgefallen, wo einige Probleme, die sich mir beim Umschreiben der Regeln ergaben, sich direkt in Wohlgefallen auflösten, als ich die Stufe als zusätzliches Element (wieder-)einführte - wobei es tatsächlich gar nicht mal um Obergrenzen für Talentwerte ging, sondern um was anderes: Ich hatte die Kosten von Eigenschaftssteigerungen stark vergünstigt und die Sonderfertigkeiten radikal zusammengestrichen (zwei der Punkte, die mich an DSA 5 massiv störten) - das Kaufsystem gibt es nach wie vor, und es funktioniert auch wie gehabt; aber dadurch, dass die Summe aller Eigenschaftspunkte und die maximale Anzahl von Sonderfertigkeiten durch die Stufe begrenzt ist, wird vermieden, dass beides trotz des nun deutlich geringeren Kostenaufwands außer Kontrolle gerät.