Ambivalenz von Antagonisten

Hier finden allgemeine DSA-Themen ihren Platz, zu denen es kein explizites Unterforum gibt.
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FuriousFry
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Ambivalenz von Antagonisten

Ungelesener Beitrag von FuriousFry »

Ein sich mir immer öfter aufdrängendes Problem ist, meinen Spielern Bösewichte vorzusetzen, die sie interessieren. Während ich meiner Spielgruppe anfangs einfach "den bösen Schwarzmagier Alrik" vorsetzen konnte, und das ausgereicht hat um sie zu motivieren, denke ich, dass das langfristig keine zufriedenstellende Lösung sowohl für Spieler als auch Spielleiter sein wird.

Eine (und natürlich die offensichtlichste) Lösung ist, die Spieler einen Bezug zur Person herstellen zu lassen. Sei es, weil sie den Schurken schon seit ein paar Abenteuern kennen, ob als Freund oder Feind, oder weil der Schurke etwas angestellt hat, was die Spielercharaktere persönlich betrifft. Allerdings, vermute ich, kann ich einen Antagonist nur eine gewisse Weile aufbauen, bevor die Spieler ob ihres ständigen Scheiterns, ihn zu besiegen, ungeduldig werden. Und ebenso kann ich die nette alte Omma von nebenan / die hübsche unschuldige Dorfmaid, die ein Spieler verführen wollte / den ambitionierten Schmiedelehrling, der den Helden ein paar seiner besten Werkstücke geschenkt hat nur ein paar Mal töten, bevor auch das repetitiv wird. Auch der gute alte Twist "Hey, euer guter Freund Belrik der euch schon zehnmal aus der Patsche geholfen hat ist nun pöhse!" nutzt sich schnell ab.

Wie gestaltet ihr eure Antagonisten einzigartig? Sind sie überhaupt immer manichäisch böse, oder einfach im wahrsten Sinne des Wortes der Antagōnistēs, der Gegenhändler?
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Ambivalenz von Antagonisten

Ungelesener Beitrag von Benutzer 22866 gelöscht »

Der Antagonist meiner ersten Gruppe war ein Borbaradianer, welcher überzeugt war das es noch eine Möglichkeit gibt Borbarad zurück zu holen.
Eingeführt hatte ich ihn als Auftraggeber, welcher die Gruppe, natürlich, verraten hat. Danach wurde das ganz dann zu einer Schnitzeljagd, gegen meinen Bösewicht antreten durfte die Gruppe nicht unmittelbar, sondern nur gegen seine Handlanger. Die eigentlichen Aufträge drehten sich nicht unmittelbar um den "Bösewicht, sondern dienten dazu erstmal hinter seine Pläne zukommen, manches Mal hat die Gruppe selber gar nicht gemerkt das ihre Aufgabe etwas damit zu tun hatte und manche Aufträge waren auch nur "Zufälle am Wegesrand".
So nutzt sich der Bösewicht nicht ab, weil er nur am Rande im Blickfeld auftaucht, und es taucht auch kein Frust auf, weil man ja seine Erfolge hat, eben weil der Gegner nicht unmittelbar in Erscheinung tritt.

Seit die Gruppe neu aufgestellt wurde (personelle Veränderungen), habe ich ein anderes Konzept gestrickt, ohne "den" Gegenspieler. Die Gruppe spielt eher schlicht in Havena und Umland und wird dort in den beginnenden Krieg zwischen Farindel und dem Roten Wyrm reingezogen. Dabei wird natürlich schon der Rote Wyrm der Antagonist sein, aber der Gruppe sollte schnell klar werden das das nicht ihre Kragenweite ist. Aber gegen seine Schergen hingegen kann man antreten und auch gewinnen. Mit Farindel als "Auftraggeber" und der lokalen Verbindungen (die halbe Gruppe stammt aus der Region) hat man dann auch einen roten Faden, trotz wechselnder Gegenspieler.

So hat man nicht den einen Antagonisten sondern viele verschiedene die durch einen... Meta-Antagonisten(?) zusammengeführt werden, aber doch sehr individuell sind. Dem Einen begegnet man vielleicht mit purer Wut über seine Taten, beim Anderen stellt sich raus das er nur fehlgeleitet war, der nächst wurde vielleicht gar gezwungen oder magisch manipuliert... wer weis. Aus dem Handeln meinen SCs ergibt sich dann die Motivation am Ball zu bleiben und gleichzeitig merke ich wie meien SCs auf welche Handlungsweise reagieren und kann den "Meta-Bösewicht" und sein handeln anpassen

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Skalde
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Ungelesener Beitrag von Skalde »

Frag dich doch einfach: "Was motiviert meinen Antagonisten?"

Der böse Schwarzmagier Alrik muss kein plattes Klischee sein. Auch er ist ein Mensch, was treibt ihn also dazu, sich in seinem Turm einzusperren und die Umgebung mit Dämonen zu terrorisieren? Vielleicht hat er in der Gegend eine Goldmine ausfindig gemacht. Jetzt versucht er, alle potentiellen Konkurrenten fernzuhalten, um die Goldmine in Ruhe ausbeuten zu können. Oder er hat bei seinen Forschungen entdeckt, dass ein Teilleib des Omegatherion unter seinem Turm gefangen ist. Das muss er unbedingt studieren, man kann die Kräfte deises Wesens bestimmt einsetzen, um Gutes zu tun - zumindest dachte er das anfangs, bis das Wesen ihn den Verstand kostete.

Viele Abenteuer leben ja auch davon, dass die Helden schlicht als Söldner für die eine oder andere Sache angeheuert werden. Dann ist es eher die Logik: "Er und unser Auftraggeber haben nun mal verschiedene Interessen. Nichts persönliches."

Arngrimm von Ehrenstein ist auch so ein Antagonist mit nachvollziehbarer Motivation.
"Tobrien. Ein wildes, ungezähmtes Land, kalt und gnadenlos, doch es ist deine geliebte Heimat. Für dieses Land würdest du alles tun. Du solltest die Herzogenkrone tragen, das weißt du, seit du laufen kannst. Doch du bist nicht der Herr von Tobrien, du bist der Herr von gar nichts. Dein Vetter Kunibald beherrscht das Land, das dir gehören sollte. Während du als Söldner Dreck gefressen und für einen Hungerlohn dein Leben riskiert hast, gehen deine Verwandten lachend auf herrschaftliche Jagden. Und das alles, weil dein Vorfahr Kunibrand sich gegen den Kaiser erhob und versuchte, ihn vom Thron zu stoßen. Natürlich war das falsch, das streitest du nicht ab, aber du warst nicht einmal geboren, als das geschah! Du warst kein Gefolgsmann Kunibrands, du kanntest ihn nicht einmal, du hattest nur das Pech, sein Nachfahre zu sein. Das ist einfach nicht gerecht!"

"Der fremde Magier bietet dir an, an seiner Seite zu kämpfen. Sie werden Tobrien erobern, und du kannst endlich den Platz einnehmen, der dir vorherbestimmt war. Zum Namenlosen mit Kunibald, Dietrad und der gesamten Sippschaft! Die tragen das Wolfswappen auf der Brust, doch nur du weißt, was es bedeutet, der Wolf zu sein! Tobrien wird dir gehören, und du wirst ein besserer Herrscher sein als es jemals jemand aus dem jüngeren Haus der Ehrensteins war! Ja, der Krieg tötet Menschen, aber so ist das nun einmal. Wenn man dir dein Geburtsrecht nicht verweigert hätte, wäre das alles gar nicht nötig gewesen! Das macht dich doch nicht zu einem schlechten Menschen, oder?"

Aus mittelreichischer Perspektive und der vieler Helden ist Arngrimm zweifellos der "Böse", aber sieht er das selbst so? Er hat sich nur genommen, was ihm zusteht. Auch die Orks von Khezzara sind nicht böse. Sie wollen sich nur endlich den Platz erkämpfen, der ihnen und ihren Göttern gebührt. Wer sagt denn eigentlich, dass die Menschen, die erst vor ein paar tausend Jahren einen Fuß auf aventurischen Boden gesetzt haben, ein Recht auf das Land haben?

Kurz gefasst: Bösewichte haben Interessen, die aus ihrer eigenen Perspektive gar nicht böse sind. Die wenigsten Menschen halten sich selbst für böse. Das ganze Abenteuer "Rückkehr des Kaisers" rotiert, ohne da jetzt spoilern zu wollen, um einen Plan, der nachvollziehbar ist und den brave, gläubige und mitfühlende Helden eigentlich unterstützen müssten, wäre da nicht das unschöne Detail, dass er tausende Menschen das Leben kosten wird. Die Bösartigkeit liegt manchmal auch einfach in der Wahl der Mittel.
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FuriousFry
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Ungelesener Beitrag von FuriousFry »

Alriel hat geschrieben: 25.04.2021 11:53 Dabei wird natürlich schon der Rote Wyrm der Antagonist sein, aber der Gruppe sollte schnell klar werden das das nicht ihre Kragenweite ist. Aber gegen seine Schergen hingegen kann man antreten und auch gewinnen.
Wie sorgst du dafür, dass die Spieler das Gefühl haben, in dem Konflikt tatsächlich etwas zu bewegen? Als Spieler finde ich es unbefriedigend an "Nebenkriegsschauplätzen" mit Lakaien und Schergen beschäftigt zu sein, statt den eigentlichen Kern des Problems zu bekämpfen, was auch einigen meiner Spieler so geht.
Skalde hat geschrieben: 25.04.2021 12:15 Arngrimm von Ehrenstein
Arngrimm von Ehrenstein ist aber auch von solchem Kaliber, dass er im offiziellen Aventurien einen recht hohen Stellenwert hat. Vielleicht ist die Lösung, sich da weniger "offiziell" diktieren zu lassen. Interessante Anregung jedenfalls.
Skalde hat geschrieben: 25.04.2021 12:15 "Was motiviert meinen Antagonisten?"
Aber direkt die Folgefrage: Wie transportiere ich die Motivation zu meinen Spielern? Einen ausgearbeiteten Hintergrund hatte ich schon oft - der dann aber entweder a) als Infodump als zu offensichtlich auf die Nase gebunden empfunden wurde oder b) zu gut versteckt war. Wie schaffst du die Balance? Oder sogar als drittes, wohl sogar sehr spezielles: Bei Staub und Sterne hat
Spoiler
mein Liscom sein Verständnis vom Borbaradianismus so gut dargelegt
, dass die Spieler ihn danach gar nicht bekämpfen wollten, und sogar von seiner Sicht der Dinge ganz angetan waren. Das ist per se natürlich weder schlecht noch schlimm, aber wie mir das die geplante Kampagne verbröselt hat, kannst du dir bestimmt vorstellen.
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Rhonda Eilwind
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FuriousFry hat geschrieben: 25.04.2021 11:29 Wie gestaltet ihr eure Antagonisten einzigartig? Sind sie überhaupt immer manichäisch böse, oder einfach im wahrsten Sinne des Wortes der Antagōnistēs, der Gegenhändler?
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Bei uns war das oftmals eher so, wie du sagst: Die waren nicht alle "böse", die hatten meist nur andere Interessen. Wir haben aber auch selten so hoch gehängte Abenteuer gespielt, dass ein Erzschurke nötig war. Also, wir haben eher Probleme gelöst (die auch mal direkte Gegenspieler beinhalten konnten - aber nicht mussten), als "Gegner bekämpft". Und so lange, wie das Problem anregend genug gestaltet war, waren auch wir Spieler zufrieden - ob man dabei nun einen konkreten Gegner hatte oder nicht.

Ich glaube, ich hatte das in all den Jahren meiner aktiven Spielerschaft nur einmal, dass ich - bzw. mein SC - einen Gegenspieler so schlimm fand, dass ich (und der SC ;) ) ihn persönlich zur Strecke bringen wollte, weil ich (in der Rolle des SC) fand, die Welt sei ohne ihn besser dran.
Ansonsten war die Problemstellung meistens unpersönlich, und "ausschalten" wollten wir zumindest menschliche Gegenspieler zumindest erstmal in der Regel nur dann, wenn es wirklich nicht anders ging.

Das finde ich irgendwo auch realistischer. Man trifft nicht am laufenden Band Leute, die so böse oder verrückt oder jenseits von gut und böse sind, dass man sich auf eine persönliche Queste gegen sie begibt. Und auch normalerweise nicht am laufenden Band Leute, die den Bestand der Welt bedrohen.

Aber wenn - dann kann das auch ein eindrückliches Erlebnis sein, an das man sich auch als Spieler:in noch Jahre später erinnert. :)
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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FuriousFry hat geschrieben: 25.04.2021 14:30 Wie sorgst du dafür, dass die Spieler das Gefühl haben, in dem Konflikt tatsächlich etwas zu bewegen?
Das hängt stark vom Konflikt ab.
Aber normal sollte den SCs (und damit auch den Spielern) klar sein das man nicht auf der Stufe von Farindel oder dem Roten Wyrm, freizaubernden Wesen von praktisch unbegrenzter Macht (zumindest in ihren Reichen) steht. Da ist es durchaus befriedigend wenn man die Gegner auf Augenhöhe aufhalten, Menschen auf Dere retten oder Artefakte für seine Seite beschaffen kann. Anfangs gibt es kleinere Belohnungen und mit steigendem Vertrauen und mehr Erfolgen, dann eine Einladung in Farindels Globule, dann vielleicht mal ein Treffen mit Farindel selbst. Wer kann das von sich behaupten.


Oder, das plane ich gerade, bei sowas wie dem Khom-Krieg, da werden die Helden so erstellt das sie unmittelbar was bewegen können. Aber auch dort wird keiner meiner Helden den Krieg alleine entscheiden. Wir spielen Menschen (ggf, Elfe, etc) und keine übermächtigen Götter. Wenn die Helden sich da entscheiden bei Schlacht xy nicht dabei zu sein weil sie Nachschubwege angreifen, dann hat das natürlich andere Auswirkungen, aber in beiden Fällen endet dadurch nicht der ganze Konflikt.


So oder so, ich gebe mir Mühe meine Spieler merken zu lassen das die Welt auf ihre Handlungen reagiert. Wenn man nicht gerade die Weltenbummler spielt, die heute in Riva und morgen in Al'anfa sind, geht das recht gut.

Was die Motive und Hintergründe der "Schurken" angeht, da kann man von Gefangenen was erfahren oder Aufzeichnungen finden, bei sowas wie Farindel und dem Wyrm ggf. alte Prophezeiungen einstreuen. Oder kleine Feen die am Lagerfeuer die Nachtwache unterhalten, um ihrerseits unterhalten zu werden.

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Janko
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FuriousFry hat geschrieben: 25.04.2021 11:29Wie gestaltet ihr eure Antagonisten einzigartig? Sind sie überhaupt immer manichäisch böse, oder einfach im wahrsten Sinne des Wortes der Antagōnistēs, der Gegenhändler?
Hm, an sich sind es meist sogar normale Leute, die ihre menschlichen Probleme haben bzw. deren Ziele nicht denen der Helden entsprechen.

Eine logisch erscheinende Motivation hinter dem, was der Bösewicht tut, ist meiner Erfahrung nach auch für den Spieler ein großes Anliegen und erhöht den Spielspaß.
Wir sind lange weg von dem typischen Dungeon, wo immer mehr Kanonenfutter geworfen wird.

Zu dem Thema gab es auch mal eine Ausschreibungen von Nandurion und den Selemer Tagebüchern: Schurken & Schergen

Vielleicht findest du auch hier spannende Konzepte. :6F:

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Herr der Welt
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Ungelesener Beitrag von Herr der Welt »

Wenn von einem Antagonisten die Rede ist, so bedient man sich eines Strukturbegriffs, der eine Funktion innerhalb einer geschlossenen Konfiguration bezeichnet. Man sollte sich fragen, inwiefweit diese Tradition aus Literatur- und Filmgeschichte bzw. -wissenschaft in den Bereich des P&P-Rollenspiels sinnvoll oder ziwngend übertragbar ist. Insofern nämlich Interaktion (und nicht nur - anders als in Literatur und Film - Rezeption, auch wenn diese nicht auszuklammern ist) ein prägendes Merkmal des Mediums P&P ist, kann auch die Figurenkonstellation fluide ausfallen. Wer oder was böse ist und falsch handelt, hängt dann z.B. maßgeblich davon ab, was die SC (die weiterhin zwingend Protagonisten sind) für richtig und gut halten: Was sind ihre Absichten, wer steht ihnen dabei im Weg? Für oder gegen welche Werte treten sie ein, wer tritt für andere Werte oder gegen ihre ein? Stimmen die Meinungen/Positionen der SC innerhalb der Gruppe überein - oder existiert ein Konfiktpotential, das sich sinnigerweise nicht in Feindschaften oder abnutzende interne Konkurrenz entlädt (weil dies dem Gruppenspiel schadet), wohl aber Beziehungen zu unterschiedlichen NSC (oder verschiedene Beziehungen zu den gleichen) ermöglicht? Bestimmen vielleicht die Spieler/SC dynamisch anhand ihrer Entscheidungen, Abwägungen, wie ihre Figuren auf eine Situation reagieren, wie sie über einen bestimmten Sachverhalt denken etc., wer ihnen freundlich gesonnen ist und wer nicht?

In unserer aktuellen G7-Runde (wir sind noch im umfänglichen Präludium) ergeben, bewegen und verändern sich die Konstellationen genauso, sodass es selten wirklich klare Freund-Feind-Strukturen gibt, jedenfalls oberhalb der Ebene wenig wichtiger Nebenfiguren oder Statisten. Schon weil Borbaradianismus (natürlich ein Kernthema) von den SC unterschiedlich bewertet wird (von Ablehnung bis praktizierter Ausübung) - und auch insgeheim verschiedene Ziele parallel verfolgt werden -, werden andere Figuren sehr ambivalent bewertet und eingeordnet. Ob z.B. im bald anstehenden Konflikt um den Posten der Spektabilität in Fasar sich die SC auf die Seite Thomeg Atherions oder Liscom Ghosipars schlagen - oder auf eine ganz andere - kann ich noch gar nicht sagen. Viele Gespräche und Entwicklungen bis dahin werden diese Entscheidungen vorprägen, ohne dass sie letztlich nicht von den Spielern/SC getroffen werden muss. Daraus ergibt sich dann organisch ein Antagonismus, ohne dass ich gezielt einen Bösewicht aufgebaut hätte.
Natürlich gibt es dennoch auch klassische Bösewichte. Zuletzt ein Namenloser Geweihter, der lange im Hintergrund agierte, schlichtweg nach den gleichen Gegenständen strebte, die auch die SC suchten, dabei aber die Heimatstadt zweier SC quasi auf den Kopf gestellt hat, Familien, Freunde und Weggefährten in Gefahr oder umbrachte; kurzgesagt: Er war auf das Äußerste involviert auch in private Interessen und Angelegenheiten der SC, sodass sich eine inbrünstige Feindschaft ergeben konnte, die dann in verschiedenen Szenarien erprobt werden durfte. Diese intime Ebene bewährt sich, da es das Interesse am Konflikt fast automatisch nährt. Selbst bei großen Kalibern wie Darion Paligan habe ich das so aufgebaut, dass die SC zuerst persönlich an ihn geraten sind, bevor sich dann - durch dessen Aufstieg - das Gefahrenpotential und die Bedrohungsdimension ausweitete, sodass die SC an der Feindschaft sowie ihre Motivation am Konflikt wachsen konnten. Idealerweise funktioniert das auch umgekehrt, dass also auch der Antagonist sich an der Auseinandersetzung orientiert. Das war bei Paligan aufgrund des einigermaßen vorgeschriebenen Wegs und klaren Fluchtpunkts schwer möglich. Zumindest bei einigen NSC (es wird sich zeigen, welche) in der G7 soll das anders werden.

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Skalde
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FuriousFry hat geschrieben: 25.04.2021 14:30 Wie transportiere ich die Motivation zu meinen Spielern? Einen ausgearbeiteten Hintergrund hatte ich schon oft - der dann aber entweder a) als Infodump als zu offensichtlich auf die Nase gebunden empfunden wurde oder b) zu gut versteckt war. Wie schaffst du die Balance?
Hm, gute Frage. Ich finde, die Spieler müssen von Anfang an gar nicht alles verstehen - die Motivation eines Bösewichts zu erkennen, kann Teil des Abenteuers sein.

Ein schönes Beispiel für sowas (systemfremd, aber weil ich es gerade im Kopf habe) liefert das Cthulhu-Abenteuer "Grüne Grenze". Der "böse" Kult ist ein auf den ersten Blick harmloser Haufen von Esoterikern und Umweltschützern, die Naturschutzgebiete im verwilderten ehemaligen Grenzgebiet zwischen DDR und BRD betreuen. Erst langsam finden die SC heraus: Die vermeintlich harmlosen Spinner beten die Grüne Gottheit an und wollen dem Umweltschutz zur Not mit sehr radikalen Mitteln auf die Sprünge helfen. Bei allem Verständnis für die ursprüngliche Motivation und die teilweise tragische Lebensgeschichte der Kultisten sollten die SC irgendwann mit Ablehnung reagieren: "Was ihr tut, ist falsch! Ihr habt Menschen mittels Magie unter eure Kontrolle gezwungen, ihnen mutagene Substanzen verabreicht und neugierige Mitwisser einfach beseitigt! Ihr habt mutierte Pflanzen ausgewildert, die nicht nur giftig, sondern auch intelligent, aggressiv und mit magischen Kräften ausgestattet sind. Pflanzen, die aktiv Jagd auf Menschen machen! Ihr hattet ein nobles Ziel, aber das hier kann doch nicht die Lösung sein!"

Ähnlich ließe sich auch dein Liscom-Problem lösen:
Spoiler
Ich weiß nicht genau, was Liscom in Staub und Sterne so anstellt, aber spätestens in Albtraum ohne Ende sollte die Faszination deiner Helden doch blankem Entsetzen weichen. Es ist ja schön, wenn Borbarad den Menschen Freiheit und die Magie schenken will, aber Liscom hat hier ganze Dörfer ausgelöscht für die wahnsinnige Idee, seinem Meister die Rückkehr zu ermöglichen. Keinem Helden, der diese Bezeichnung auch verdient, sollte es egal sein, wenn verzweifelte Menschen innerhalb von Tagen an Altersschwäche sterben, weil ein Magier ihnen einfach die Lebenskraft aussaugt.
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Ungelesener Beitrag von Zaidou »

Manche Antaonisten in meiner Gruppe werden mit der Zeit, sehr langsam zum Antagonisten, manche sind den Handlungen der Gruppe geschuldet und wieder andere sind natürlich von vorneherein als Antagonisten zu erkennen und als solche geplant.

Hier mal zwei beispiele aus der OLT (998 BF) die ich gerade leite:

1. Die Rondra Geweihte Junivera von Seshwick, sie wollte mit der Gruppe zusammen nach der Axt Sternenschweif suchen, da sie über Ortulan auf meine Gruppe aufmerksam wurde und sie für Vielversprechend hielt gewisse Dinge zu tun, die ich mal lieber in den Spoiler packe für all jene die, die OLT vllt selbst noch bespielen wollen.
Spoiler
Sie brauchte die Helden um den zweiten Teil der Schatzkarte zum Orkenhort von den Grolmen zu holen.
Aufgrund dessen wie die Gruppe ihr gegenüber auftrat und ziemlich misslungener Proben, weiß Juvinera dass die Gruppe sie betrogen und bestohlen hat und verfolgt diese jetzt um dieses Unrecht wieder gut zu machen.

2. Ein Orkhäuptling der während einer Sonnenfinsternis Minotauren erschaffen wollte um der neue Aikir zu werden. Die Gruppe wurde auf ihn durch eine Ifirn-Geweihte aufmerksam. Sie haben das Ritual zwar vereitelt, was dem ansehen des Häuptling geschadet hat und ihn auch einen großteil seiner Männer gekostet hat, doch eine kleine schar Elite Krieger blieb ihm selbst nach dieser Schmach treu. Seitdem jagt er der Gruppe durchs Orkland hinterher, sitzt ihnen förmlich im nacken und will sie aufjedenfall tod sehen um seine Ehre wieder herzustellen.

3. Meine Gruppe sollte los ziehen um eine andere vermisste Expeditionsgruppe zu finden - im besten Fall. Im laufe der Zeit stellte sich heraus, dass der Magier der anderen Expeditionsgruppe aber eigene Pläne verfolgt. Er hat den Hort eines Riesenlindwurms ausgeraubt und die großzügig im Umland verteilt um an gewisse Schriftstücke zu kommen. Er hat die Orks bei ihrem Ritual unterstützt indem er dafür sorgte dass die nötigen Stiere rechtzeitig am Ritualplatz sind und erhielt - richtig, diverse Schriftstücke. Jetzt hat sich herausgestellt, dass er die Sonnenfinsternis selbst genutzt hat um ein Ritual auszuführen und dafür wohl auch willens ist oder war - das weiß die Gruppe noch nicht - auch Leute aus der eigentlichen Expeditionsgruppe zu opfern. Soweit hat das meine Gruppe bisher aufgedeckt.
Spoiler
Was sie noch nicht wissen ist, dass der Magier selbst nur benutzt wird, weil er unter einem ziemlich heftigen Imperavi einer paktierenden Weißmagierin steht, welche versucht Borbarad schon jetzt zurück zu bringen. Aber sich selbst möchte sie sich natürlich die Hände nicht so wirklich schmutzig machen.

Im Moment geht die Gruppe also davon aus, dass der Expeditionsmagier hinter all dem steht, ohne zu wissen, dass im Hintergrung jemand ganz anderes die Fäden zieht und die Gruppe - mittlerweile - als ihre auserkorenen Feinde ausgemacht hat.

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Danke euch für die zahlreichen Antworten, da steckt eine Menge Inspirationspotenzial drin.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 25.04.2021 15:05 Wir haben aber auch selten so hoch gehängte Abenteuer gespielt, dass ein Erzschurke nötig war.
Aus meiner Sicht muss es auch nicht immer der Erzschurke sein, den die Helden bekämpfen, besiegen oder sogar ausschalten müssen. Viel wichtiger ist mir, dass die Spieler auch nach ein paar Monaten noch sagen können "Hey, der Alrik, den wir vor ein paar Wochen in den Kerker geworfen haben, was der wohl gerade macht? Ob er sich ärgert?" Eben Erinnerungen oder Erlebnisse schaffen, mit denen die Helden etwas verbinden. Für mich ist hier eine gewisse Mehrdimensionalität des Antagonisten unabdingbar - aber vielleicht liege ich hier auch falsch, oder mein Anspruch an Antagonisten ist zu hoch.
Alriel hat geschrieben: 25.04.2021 15:16 dem Roten Wyrm, freizaubernden Wesen von praktisch unbegrenzter Macht (zumindest in ihren Reichen) steht
Wie kommunizierst du die Machtfülle deines Antagonisten? Ich schätze, du sagst deinen Spielern nicht "Den könnt ihr nicht besiegen", sondern die Spieler und ihre SCs werden durch Ereignisse und Situation selbst zu dem Schluss kommen. Dadurch verleihst du ja dem Antagonisten ebenfalls Profil, und machst ihn weniger austauschbar.
Janko hat geschrieben: 25.04.2021 15:31 Zu dem Thema gab es auch mal eine Ausschreibungen von Nandurion und den Selemer Tagebüchern: Schurken & Schergen

Vielleicht findest du auch hier spannende Konzepte.
Danke dafür, da werd ich definitiv reinschauen.
Herr der Welt hat geschrieben: 25.04.2021 18:44 Wer oder was böse ist und falsch handelt, hängt dann z.B. maßgeblich davon ab, was die SC (die weiterhin zwingend Protagonisten sind) für richtig und gut halten
Das impliziert für mich, dass die Spielercharaktere in ihrer Moralvorstellung insoweit gefestigt sind, dass sie klare Antagonisten selbst identifizieren können und dadurch eine intrinsische Motivation, gegen sie vorzugehen, existiert. Aber spannend, so offensichtlich es auch klingen mag, die Antagonisten wortwörtlich als Gegenstück zu den Protagonisten nicht aufzusetzen, sondern durch die SC-eigenen Charakterzüge aufsetzen zu lassen, auf die Idee kam ich bisher nicht. Das setzt imho aber ein gewisses Maß an Spielleiter-(und ich behaupte auch Spieler-)kompetenz voraus, das ich mir aktuell (noch) nicht zutraue. Aufgrund deiner Beschreibung lese ich aber auch heraus, dass du Bösewichte immer lange im Vorhinein aufsetzt. Das ist natürlich bei langen Kampagnen ein probates Mittel - würdest du das genauso für ein zwei bis drei Spielabende umfassendes Abenteuer arrangieren?
Skalde hat geschrieben: 25.04.2021 19:18
Spoiler
Ich weiß nicht genau, was Liscom in Staub und Sterne so anstellt, aber spätestens in Albtraum ohne Ende sollte die Faszination deiner Helden doch blankem Entsetzen weichen.
Da muss ich auf jeden Fall noch knobeln. Staub und Sterne setzt aus meiner kreativ doch stark eingeschränkten Sicht ein gewisses Ende voraus.
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FuriousFry hat geschrieben: 26.04.2021 00:00 Aus meiner Sicht muss es auch nicht immer der Erzschurke sein, den die Helden bekämpfen, besiegen oder sogar ausschalten müssen.
Ah, dann habe ich das falsch verstanden, entschuldige. Auf mich wirkte dein Post so, als würdest du deine Plots überwiegend um Gegenspieler herum aufbauen und diese müssten dann immer irgendwie besonders besonders sein.
FuriousFry hat geschrieben: 26.04.2021 00:00 iel wichtiger ist mir, dass die Spieler auch nach ein paar Monaten noch sagen können "Hey, der Alrik, den wir vor ein paar Wochen in den Kerker geworfen haben, was der wohl gerade macht? Ob er sich ärgert?" Eben Erinnerungen oder Erlebnisse schaffen, mit denen die Helden etwas verbinden.
Verstehe. Nun ist das natürlich nicht immer ganz einfach. Es kommt zB drauf an, wie viele Berührungspunkte die Charaktere überhaupt mit der anderen Seite haben. Ist da eine Macht im Hintergrund, die man nie zu Gesicht bekommt? Schickt zB der Konkurrent eines Auftraggebers nur mittelmäßige Schergen und verübt Sabotage, kommt aber nie selbst zum Vorschein? - Dann wird es schwierig, da kann man höchstens die Schergen markant gestalten, etwa dadurch, dass einer bei einem Kampf etwas verliert und beim zweiten versucht, es sich wiederzuholen. Oder indem einem immer dasselbe Missgeschick passiert. Oder man ihn bei Sabotageversuchen immer demselben Helden in die Arme laufen lässt, und die erfolgreichere Seite sagt irgendwann entnervt: Du schon wieder?

Oder man gibt dem Schwarzmagier sympathische Züge. Oder, oder... man bricht jedenfalls irgendwie das Bild auf, das eigentlich von der anderen Seite besteht.

Wir hatten zB mal ein AB, das in der Answin-Krise spielte. Es war eine answinistische Delegation vor Ort, es war eine brinnistische Delegation vor Ort, beide waren eines Verbrechens verdächtig, keinen davon durfte man offiziell näher unter die Lupe nehmen... politisch stand der größte Teil der Gruppe eher Brin näher, den hatte man immerhin schonmal von Weitem gesehen... nur waren leider mit einer Ausnahme die Brinnisten ziemliche Stoffel und extrem undiplomatisch und behinderten dadurch die Aufklärung massiv, und die Answinisten sehr sympathisch und hilfsbereit. Tja... und die Lösung war am Ende übrigens, dass es keiner von beiden gewesen war - allerdings haben wir in dem AB auch noch nicht herausgefunden, wer statt desse . Also, wir kannten den Täter, aber nicht den Auftraggeber... Das war alles zusammengenommen schon recht eindrücklich.
... und auf ihrem Grabstein wird stehen: "Ich hab's dir ja gesagt!"

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Ambivalenz von Antagonisten

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FuriousFry hat geschrieben: 26.04.2021 00:00 Wie kommunizierst du die Machtfülle deines Antagonisten? Ich schätze, du sagst deinen Spielern nicht "Den könnt ihr nicht besiegen", sondern die Spieler und ihre SCs werden durch Ereignisse und Situation selbst zu dem Schluss kommen. Dadurch verleihst du ja dem Antagonisten ebenfalls Profil, und machst ihn weniger austauschbar.
Im Falle des Roten Wyrms gar nicht. Da ich Helden aus Albernia dabei habe und Farindel in Albernia definitiv ein Begriff ist, was davon stimmt und was nur Legende ist sei dahin gestellt, aber wer die Brückengesetze in Havena kennt kann sich vorstellen wie ein SC darauf reagiert wenn er merkt das er für Farindel höchstselbst arbeiten darf/muss/kann. Das sollte den SCs genügend vorstellung davon geben was der Gegenspieler von Farindel kann und die SCs eben nicht.
Dazu kommt, wenn die SCs ein einem Abenteuer mit einer Horde von Biestingern konfrontiert werden, von denen jeder Einzeln schon ebenbürtig ist, dann merken die SCs auch das da mehr hinter steckt.

Ich mag es wenn der "große Böse" eher durch seine Handlungen/Handlanger präsent ist. Man kann ihm zwar nicht an den Kragen, aber seine Pläne kann man immer durchkreuzen. So bekommen die Spieler ihre Erfolge und der Bösewicht bleibt erhalten.

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Schönes Thema.

Wie sind die Antagonisten beschaffen?
Zur Schaffung eines Antagonisten bzw. die Veränderung eines bestehenden Antagonisten, falls ich was offizielles leite, benutze ich eigentlich Ansätze aus FATE und PDQ#. Also eher Aspekte und Stärken/Schwächen, wobei die PDQ# Stärken ganz natürlich ohnehin schon eine Vergangenheit und Motivation mit sich bringen. Das schöne an diesen Dingen, die ja ursprünglich eher aus der Indie-Ecke kamen, ist, dass man dafür wenig Platz, wenig Worte und somit wenig Vorbereitung braucht. Meistens bestehen diese Aspekte/Stärken/Schwächen nur als Gedankenfetzen in meinem Kopf und sind selten ausformuliert.

Wie bekommt man die PS auf die Straße?
Nach dem alten Prinzip "show, don´t tell". Vielleicht erleben die SC bei der Verfolgung des fiesen Schwarzmagiers, dass er offenbar relativ viel Zeit aufgewandt hat, um beim Bauern an der Ecke noch ein kleines Fohlen zu retten, dass sich das Bein gebrochen hatte, nur um später den gleichen Bauern mit einem Flammenstrahl zu grillen, weil der seinen eigenen Hund getreten hatte (Schwäche: Tierliebe geht über Menschenliebe).

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Ambivalenz von Antagonisten

Ungelesener Beitrag von Herr der Welt »

FuriousFry hat geschrieben: 26.04.2021 00:00 Das impliziert für mich, dass die Spielercharaktere in ihrer Moralvorstellung insoweit gefestigt sind, dass sie klare Antagonisten selbst identifizieren können und dadurch eine intrinsische Motivation, gegen sie vorzugehen, existiert. Aber spannend, so offensichtlich es auch klingen mag, die Antagonisten wortwörtlich als Gegenstück zu den Protagonisten nicht aufzusetzen, sondern durch die SC-eigenen Charakterzüge aufsetzen zu lassen, auf die Idee kam ich bisher nicht. Das setzt imho aber ein gewisses Maß an Spielleiter-(und ich behaupte auch Spieler-)kompetenz voraus, das ich mir aktuell (noch) nicht zutraue. Aufgrund deiner Beschreibung lese ich aber auch heraus, dass du Bösewichte immer lange im Vorhinein aufsetzt. Das ist natürlich bei langen Kampagnen ein probates Mittel - würdest du das genauso für ein zwei bis drei Spielabende umfassendes Abenteuer arrangieren?
Dem ersten Satz würde ich insoweit widersprechen, als die Implikation eher in der Vagheit der Rolle eines Antagonisten liegt als in einer gefestigten Moralvorstellung der Spielfiguren. Gerade die erfahrungsbasierte Wandelbarkeit des Selbst- und Fremdbildes erscheint mir als eine überaus nützliche Qualifikation jener (aber nicht nur) jungen Figuren, wie sie sich bezeichnender Weise nicht nur in der Mehrzahl als Protagonisten etwaiger Weltliteratur finden, sondern auch häufig den Ausgangspunkt für SC bilden - junge Erwachsene mehr oder minder frisch nach der Ausbildung. Es entspricht natürlich einem gewissen Spielstil, wenn Moralvorstellungen abseits formaler Zugehörigkeiten überhaupt näher thematisiert werden und gerade keinen Fixpunkt markieren, an dem sich alle Handlungen bemessen oder alle dazu nötigen Entscheidungen orientieren. Charakterentwicklung bedeutet meines Erachtens im eigentlichen Sinne immer einen Reflexionsprozess, den die Figur (auch handlungspraktisch) an ihrem Weltbild vollzieht.
Andere Figuren (i.S.v. Handlungsträgern, Interaktionspartnern) verkörpern dabei als Funktionselement die Projektionsflächen für die SC-Perspektive - als Spektrum v.a. alternativer Sicht- und ggf. Handlungsweisen. Als Antagonist kristallisiert sich eine möglichst konträre Sichtweise mit möglichst hoher Interaktionsdichte heraus, d.h., dass die verschiedenen Ziele auch wirksam sein müssen. Natürlich sind solche Figuren seitens der Spielleitung zu antizipieren, man hantiert ja nicht mit generischen Figuren, sondern hat eine Auswahl verschiedenen Typen vor Augen (oder vorgegeben), die aus sich heraus schon in einer bestimmten Art mit den SC interagieren. Allerdings findet das dort seine Grenzen, wo man die SC in ihrer gestaltenden (und d.h.: die Spieler in ihrer mitgestaltenden) Funktion ernst nehmen will. Dann muss sich eine Konfiguration aus Entscheidungen und Interaktionsmomenten (inkl. Proben- u.a. Spielwerte) ergeben oder verändern. Auf diesem Wege haben sich schon manche NSC, die ich eher als Feinde der SC vermutet hätte, als regelrechte Verbündete ergeben (z.B. Ariana Melethaniem, wie hier im letzten Abschnitt ausgeführt). Ebenso können angedachte Nebenfiguren zu veritablen Konkurrenten aufsteigen.
Wir pflegen ein recht langsames Spiel, das sich auch gerne an einer Situation festhängen kann, wenn diese sich im Spiel als interessant herausstellt. Inwiefern dabei eine größere Spieler-/SL-Kompetenz herausgefordert wird, kann ich nicht sagen. Da wirkt eher mein eigener Anspruch, zusätzlich eine runde (und d.h.: wiederum an gewissen geschlossenen dramatischen Strukturen orientierte) Geschichte zu erzählen, erschwerend. Darauf kann man in der G7 - bei aller betonten und möglichst freien SC-Entwicklung - nicht verzichten. Als ich darauf verzichtet habe - bei unserem Exkurs in die "dunkle Wildermark" der Warunker Lande in den 1030ern -, empfanden die Spieler das als eher dröge (bezeichnender Weise kam darüber der Wunsch nach der G7 auf...). Insofern spricht überhaupt nichts gegen klassische Bösewichte oder bewährte Erzähltraditionen, solange sie das dem P&P-Rollenspiele eigene Interaktionselement nicht gänzlich ausklammern oder in (je nach Spielstil) unangemessener Weise bedrücken.

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FuriousFry
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Ungelesener Beitrag von FuriousFry »

Herr der Welt hat geschrieben: 26.04.2021 13:08 Dem ersten Satz würde ich insoweit widersprechen, als die Implikation eher in der Vagheit der Rolle eines Antagonisten liegt als in einer gefestigten Moralvorstellung der Spielfiguren. Gerade die erfahrungsbasierte Wandelbarkeit des Selbst- und Fremdbildes erscheint mir als eine überaus nützliche Qualifikation jener (aber nicht nur) jungen Figuren, wie sie sich bezeichnender Weise nicht nur in der Mehrzahl als Protagonisten etwaiger Weltliteratur finden, sondern auch häufig den Ausgangspunkt für SC bilden - junge Erwachsene mehr oder minder frisch nach der Ausbildung.
Das habe ich schwammig formuliert. Gefestigt war der falsche Begriff - eher: sich ihrer eigenen Moralvorstellungen bewusst, egal wie diese im Moment liegen, und ob sie gestern noch anders lagen. Aus einer solchen Position kann ich Antagonisten für meinen SC identifizieren. Daraus entsteht für mich auch die ganz spannende Schlussfolgerung, dass interessante Antagonisten aus interessanten Protagonisten entstehen können (sollen/müssen). Gerade in einer recht freien Erzählweise liegt also die Pflicht sogar mehr beim Spieler. Dabei will ich jetzt natürlich keine Exklusivität der Verantwortung unterstellen. Eher so formulieren: Die Aufgabe des Spielleiters ist in dem Fall, interessante NSCs verschiedenster Couleur zu präsentieren, und die Aufgabe der Spieler, im Rahmen der bisherigen Situationen und ihrer eigenen Moral Handlungen abzuleiten.
Da wird also die Frage über den einzigartigen und interessanten Antagonisten fast schon eine über die einzigartigen und interessanten Protagonisten.
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 26.04.2021 00:36 Ah, dann habe ich das falsch verstanden, entschuldige. Auf mich wirkte dein Post so, als würdest du deine Plots überwiegend um Gegenspieler herum aufbauen und diese müssten dann immer irgendwie besonders besonders sein.
Da hat vielleicht in der Ursprungsfrage meine Enttäuschung über die bisher recht blassen Antagonisten aus den bisher von mir gelesenen 5er-Kaufabenteuern mitgeschwungen. Wobei die Frage "Wie gestalte ich Antagonisten aus Kaufabenteuern um?" sicherlich ebenso relevant ist.
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Grumbrak
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Ungelesener Beitrag von Grumbrak »

FuriousFry hat geschrieben: 25.04.2021 11:29 Auch der gute alte Twist "Hey, euer guter Freund Belrik der euch schon zehnmal aus der Patsche geholfen hat ist nun pöhse!" nutzt sich schnell ab.
Böse ist ein Begriff den ich ungern verwende. Jemand der seine eigenen Interessen über das Leben anderer stellt, klingt sperrig. Böse sind ja nicht per se Böse, weil das so sit, sondern, weil sie über Leichen gehen, um ihre Interessen durchzusetzen.
Skalde hat geschrieben: 25.04.2021 12:15 Frag dich doch einfach: "Was motiviert meinen Antagonisten?"
*nickt* Genau das sollte man machen. Jeder Aventurier hat Ziele. Diese mögen abitioniert sein (den Dachdeckermeister machen und später Zunftmeister werden) oder unambitioniert: Heut abend 6 Heller fürn Schnaps zusammen haben - egal wie. "Hee Schöner, wie wärs mit uns beiden?"
FuriousFry hat geschrieben: 25.04.2021 14:30 Das ist per se natürlich weder schlecht noch schlimm, aber wie mir das die geplante Kampagne verbröselt hat, kannst du dir bestimmt vorstellen.
Nein, kann ich kaum. Es geht immer weiter erst und das muss man vorher komunizieren: Erst wenn die Helden ganz und gar Borbarad verfallen sind, erst dannw erden sie Meisterpersonen... Ansonsten kann man auch die ganze Borbaradkampange "verkehrt" herum spielen. Immer sind es die Helden, die Borbels Pläne voranbringen, immer sind sie es die das Zünglein an der Waage sind. Die die Heldentruppe durch den Dschungel verfolgt, die die überlegenen Heldentruppe am Schlund des Wahnsinns stellt und den Dämonenarchen ein Entkommen ermöglicht. Verdammte Fortifex wand!
Rhonda Eilwind hat geschrieben: 26.04.2021 00:36 Ah, dann habe ich das falsch verstanden, entschuldige. Auf mich wirkte dein Post so, als würdest du deine Plots überwiegend um Gegenspieler herum aufbauen und diese müssten dann immer irgendwie besonders besonders sein.
Ja das wirkte uach auf mich so, scheint aber inzwischen doch nicht ganz so zu sein.
FuriousFry hat geschrieben: 26.04.2021 14:46 "Wie gestalte ich Antagonisten aus Kaufabenteuern um?"
Auch da sehe ich selten Probleme. Ich meistere demnächst "Neue Bande" und danach "Ewiger Hass". Alle Protagonisten sind da recht gut dargelegt. Die Motivation ist klar, alle haben Ziele (einige muss man etwas ausbauen), der ein oder andere ist ziemlich naiv (aber dafür auch nur 17 Jahre alt)...
Im eigentlichen Spiel ist es dann die Aufgabe des Meisters, Tiefe zu geben, Personen zu verknüpfen. Der Herr Pagol, dem gegenüber man vor drei tagen über Grimrik abfälliges geäußert hat entpuppt sich als dessen Schwertvater. Ups Fettnäpfchen.
usw usf. Bei mir sind es keine "Bösen" sondern Antagonisten. Die wenigsten wollen "böse" sein. Sie wollen Macht, Wissen, Schmerzen rächen oder vergessen, sie wollen Gold, ewige Jugend und Einfluss. Sie wollen geliebt werden und gehasst, die wollen Respekt und Zuneigung und von allem unterschiedlich viel. Was macht sie zu Gegnern? Die Einstellung und das, was sie zu opfern bereit sind.
Der eine ein ganzes Dorf, ja einen Kontinent um den klügsten Schwarzmagier aller Zeiten wiederzubeleben. Warum? Er will Wissen, Macht, will diesen Halbgott in einem Schuldverhältnis haben: "Ich habe dich zurückgeholt"... Dass Borbel vielleicht weniger Dankbarkeit gezeigt hätte, als erwartet, ist eine andere Geschichte. Ohne die Helden hätte Borbel vielleicht geantwortet: "Du glaubst mich wiederbelebt zu haben und mir einen Körper geformt zu haben? Du irrst Sterblicher. Ich habe dich schon lange vorhergesehen. Ich habe die Hinweise versteckt die du so beflissentlich zusammen getragen hast. Diener. Made, Wurm. Ich brauche Dich nun nicht, du kannst nun gehen, oder warte. Vielleicht kannst du mir noch einen letzten Dienst erweisen, Imperavi!"....

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Ungelesener Beitrag von FuriousFry »

Grumbrak hat geschrieben: 27.04.2021 08:29 Ja das wirkte uach auf mich so, scheint aber inzwischen doch nicht ganz so zu sein.
Bevor es falsch rüberkommt:
Jeder Beitrag hier war bisher sehr hilfreich, danke euch allen.
Aber ums klarzustellen, worum es mir eigentlich bei der Frage ging, vielleicht an ein paar Beispielen. Nehmen wir mal AoE, da das wohl eins der bekanntesten Abenteuer schlechthin ist.
Spoiler
Der eigentliche große "Erzschurke" im Hintergrund ist Liscom. Dennoch gibt es aus meiner Sicht weitere Antagonisten: Recht offensichtlich der Schrecken der Tobimora, auch in gewissem Rahmen die Söldnergruppe "Die formidablen Sechs".
Oder bezogen auf die ganze G7:
Spoiler
Der Erzschurke ist wohl Borbarad, irgendwo offensichtlich auch seine "Handlanger" so wie zB Xeraan bei Goldene Blüten oder Abu Terfas in BB, aber auch ein Bravaldi in BB handelt gegen die Helden, ist also irgendwo auch ein Antagonist.
Daher wollte ich es nicht nur auf "Erzschurken" eingrenzen. Natürlich gings mir aber auch um die.
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Ungelesener Beitrag von Grumbrak »

Mal abgesehen, dass die Schurken ja bis auf Ausnahmen (Liscom?) nicht mit den Helden ins Gespräch kommen, wozu dann Motivation erklären?

Staub und Sterne hab ich damals (98?) nur gespielt und erinner mich kaum noch dran. Zu lange her, zu jung und unerfahren mit Alkohol...
Goldne Blüten hab ich gemeistert, fand ich gut.

Du hast Recht, es ist nicht erklärt, warum ein Xeeran zu Brobel gewechselt ist... da ich aber ein paar AB's vorher die Attentäter und auch die Göttin der Amazonen (Schwarze Rondra?) gemeistert hatte, wo Xeraan sich "nur" bereichern wollte, denke ich seine Motivation/ Tiefe war und ist ganz klar: Gier nach Gold gewesen.
Wer Macht hat, kann sie nutzen um Gold zu scheffeln... Borbel war die Macht und hat scheinbar in Xeraan mehr erkannt, als nur den schnöden Horter, der er letztendlich war/ ist.

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