Zusätzlich zu dem, was Grumbrak sagte, dass nämlich der Sichtschutz (aus meiner Sicht sogar vorrangig) den SL-Aufzeichnungen (nicht selten mit verräterischen Abbildungen) gilt, kann man zum verdeckten Würfeln durchaus das (DSA4-)Regelwerk bemühen. Dort wird es niemals vorgeschrieben und nur dann empfohlen, wenn das Probenergebnis - aus Gründen der Spannung oder um die Trennung von Spieler- und SC-Wissen zu forcieren - ungewiss sein soll, etwa wenn sich SC verstecken, etwas wahrnehmen können oder ein Elixier brauen. D.h., dass verdecktes Würfeln in den meisten Fällen sogar für SC-Proben empfohlen wird. Und diese Empfehlungen sind immer recht frei modalisiert (durch "können", seltener "sollten"). Auch im DSA5-GRW (S. 384) wird verdecktes Würfeln vor genau dem selben Kontext - dieses Mal auf der Meta-Ebene explizit - angesprochen: "Einige Gruppen bevorzugen verdeckte Proben auf Sinnesschärfe und Menschenkenntnis, damit die Spieler nicht sofort durch Sicht auf die Würfelergebnisse einer Probe wissen, ob es einen Hinterhalt gibt oder die Meisterperson lügt."
Es geht also an keiner Stelle um verdeckte Proben im Kampf. Ausnahme ist "Wege des Meisters", S. 57. Dort wird jedwedes verdeckte Proben als eine Option beschrieben - übrigens genau zu dem hier diskutierten Zweck, nämlich um zufällige SC-Tode zu vermeiden. Und ebenfalls nicht zufällig folgt es einem Kasten, der SchiPs zum gleichen Zweck vorschlägt.
Unabhängig vom DSA-Regelwerk handelt es sich um unterschiedliche Spannungskonzepte.
Das Glücksspiel, das eine ernsthafte Probe - deren Ergebnis also nicht nachträglich so ausgelegt wird, dass der Würfelwurf im Grunde egal ist - bedeutet, trägt Spannung in sich, weil der Ausgang offen ist und man keinen Einfluss mehr ausüben kann - zum Zeitpunkt des Wurfes, nicht weil man zuvor keine Modifikatoren o.Ä. ansammeln konnte. Jede Reduktion dieser Bedeutung mindert gleichsam und zwangsweise das Spannungsmoment der Probe. Das gilt selbst für die fernste Ahnung, ein Spieler oder der SL könnten ein klares Probenergebnis (am deutlichsten sind wohl binäre Abfragen, wie: auf die 16+ gelingt es, darunter nicht) irgendwie zerreden oder nachträglich manipulieren. Wo also bekannter oder vermuteter Maßen an Würfeln gedreht oder Ergebnisse (aus welchen Gründen auch immer) angepasst werden, kann durch Würfelproben weniger Spannung generiert werden.
Das Gegenmodell zu dieser punktuellen Spannung als Überraschung, die aus der Offenheit für mindestens zwei (möglichst) verschiedene Ergebnisse, die grob auf Gelingen oder Scheitern hinauszulaufen haben, resultieren, stellt der dramaturgische bzw. der Erzählbogen dar, der das Geschehen als Geschichte oder Plot überspannt. Der ist nur bedingt belastungsfähig gegenüber einer gewissen Zahl abweichender Ereignisse, wie sie aus Proben im o.g. Sinne resultieren (müssten). Folglich sind Probenergebnisse, die zu stark abweichen, entsprechend anzupassen, wenn sie die Erzählung ansonsten buchstäblich entspannen. Gute Erzählungen sind aus nachvollziehbaren Gründen durchkomponierte Werke. Selbst offene Dramen haben einen klaren Fluchtpunkt und festgeschriebene Ereignisse, die der Plot durchläuft, währenddessen die Figuren eine bestimmte Entwicklung erfahren.
Meist finden sich Gruppen zwischen diesen beiden Polen ein, weil Rollenspiel i.d.R. weder als reines Würfelspiel noch als miterlebbares Literaturerlebnis praktiziert wird bzw. nicht aus diesen Medien seine ganze und vielleicht nicht einmal seine eigentliche Spannung erzeugt. Die Eigenmedialität von P&P zeichnet sich gerade durch Interaktion aus: nicht nur der SC miteinander und mit NSC, sondern auch Interaktionen zwischen Proben und Erzählung, Spieler und Proben, Spieler und Erzählung, Erzählung und Spielwelt etc. Je nach Gewichtung der Bedeutung einzelner P&P-Elemente und der Interpunktion in der Interaktion derselben miteinander ist Würfeldrehen wünschenswert oder nicht. Faktisch reduziert es Spannung durch
SchiPs fügen sich als ein weiteres Element, durch das Spieler mit Proben und somit mit der Erzählung interagieren können. Sie heben den Zufallsfaktor nicht auf, sofern sie nicht automatische Erfolge erzeugen, sondern bspw. nur Probenwiederholungen oder einen Bonus auf das Ergebnis bringen. Und selbst wenn sie automatische Erfolge generieren, ist dies durch ihre Zahl (als Spielressource) begrenzt.
Das angesprochene Verhindern von SC-Toden durch Würfelwürfe, also letztlich durch Zufall (und sei er noch so groß), stellt keinen Sonderfall dar. Einerseits scheint Spannung ausschließlich reduziert zu werden, insofern Lebensgefahr (von Figuren, mit denen man mitfiebert) ein produktiver Spannungsquell ist. Andererseits strafft diese Gewissheit der Figurenkonstanz wiederum den übergeordneten Spanungsbogen einer fortlaufenden Erzählung, innerhalb derer die Identifikation mit der Spielfigur vertieft wird. Oder anders (und plakativ) gesagt: Wenn der SC, den ich seit fünf Jahren verkörpere, durch welche Umstände auch immer seinen geliebten Schal verliert, den er - ich weiß es noch genau - von der Fee des Grünwaldes erhielt, als wir sie und mit ihr das Nachbardorf vor drei Jahren gerettet haben, dann mag das nähergehen als der Tod des vierten SC, weil ich - aus welchen Gründen auch immer - in Kämpfen erstaunlich häufig Patzer würfle.
Ich selbst drehe nicht an Würfelergebnissen (=begrenzte SL-Ergebnis-Interaktion), auch nicht in der aktuellen G7, die wir wahrscheinlich noch viele Jahre spielen werden und mit möglichst konstanten SC bespielen wollen, ohne dass ein SC-Tod auszuschließen ist. Für diese Kampagne bevorzuge ich daher ein jeweils moderates Maß an Interaktivität. G7 ohne gewisse Plot-Grundpfeiler funktioniert nicht (=Begrenzung der Spieler-Erzählung-Interaktion). Die größten Helden des Zeitalters sollen aber gleichsam einen merklichen Einfluss haben, zu mehr wird es kein anderer DSA-SC jemals bringen (=hohe Spieler-Spielwelt-Interaktion). Wir nutzen SchiPs (und mit Fortdauer der Kampagne werden es mehr, was sowohl spielerisch sinnvoll, als auch die Immersion fördernd ist), die u.a. auch tödliche Folgen negieren können (=Steigerung der Spieler-Ergebnis-Interaktion). Daneben gibt es noch andere thematisch strukturierte Punktepools (z.B. Gefahreninstinkt, Scharfsinn o.Ä.), die jeweils die Spieler-Interaktion (i.d.R. mit der Spielwelt oder der Erzählung) steigern. Alles in allem meine ich, dass wir ein gerütteltes Maß gefunden haben, in dem sich Spannung aus Ungewissheit und der weit gespannte Bogen der Erzählung und insbesondere der Figurenentwicklung darin die Waage halten bzw. sich ergänzen (ungewiss ist ja weit mehr als das schiere gesicherte Überleben).