Auch vom weiteren Text her bin ich der Meinung, das ist tatsächlich so gemeint, wie es da steht . Aber von meinem Verständnis des Rollenspiels her (und ich weiß, die Ilaris-Regeldesigner sehen es auch an anderen Stellen deutlich gamistischer als ich) muss ich stark widersprechen: es sollte auf keinen Fall von den Fähigkeiten der Spieler abhängen, ob der Held das passende Talent für die Situation wählt. Und es sollte auch nicht von den Fähigkeiten des Spielleiters abhängen -- zur Kommunikation gehören ja immer zwei, und falls der Spieler den NSC falsch einschätzt, würde ich nicht von vorneherein sagen, dass das unbedingt und nur die Schuld des Spielers ist, der nicht aufgepasst hat oder zu dumm ist, die klaren Hinweise des Spielleiters richtig zu interpretieren.In der zweiten Version bestimmt der Spielleiter ein zwei angemessene, ein unpassendes und ein unsinniges Talent für die Szene – gibt diese aber nicht an die Spieler weiter! Die Herausforderung für die Spieler ist es, die Szene und ihr Gegenüber zu lesen und die passenden Talente für diese Situation zu wählen. Gelingt ihnen das nicht, erleiden sie einen entscheidenden Malus.
Zum Beispiel könnte der Spielleiter beschreiben, dass die misstrauische Kriegsfürstin ständig den Magier anschaut -- aber ist das jetzt weil sie ihn so attraktiv findet (Betören) oder weil sie Angst vor Magie hat (Einschüchtern)? Der Spielleiter könnte denken, er hätte es sonnenklar beschrieben, der Spieler könnte denken, er hätte es sonnenklar verstanden, dennoch bekommt er einen +16-Malus und vielleicht wird das Missverständnis nicht einmal bemerkt (wenn Probe oder Zielwert nicht bekannt werden).
Aber noch mehr als dieses Problem ist meine grundsätzliche Ansicht, dass man einen Helden spielt, der eben andere Fähigkeiten hat als man selbst. Wofür gibt es denn sonst überhaupt Werte in Menschenkenntnis (und Überreden / Rhetorik)? Wenn ich einen weltfremden Elfen oder kulturfremden Barbaren spiele, würde ich vielleicht sogar absichtlich das unpassende Talent wählen, weil der Held solche Situationen falsch versteht, aber wie sollte ich, wenn ich selbst nicht sicher weiß, welches passend ist? Wenn ich hingegen einen äußerst erfahrenen Händler oder Hochstapler spiele, für den die Einschätzung seines Gegenübers elementar wichtig ist und der dementsprechend hohe Werte hat, dann will ich nicht an so einer Probe scheitern, weil ich selbst als Spieler den vielleicht recht undurchsichtigen NPC falsch eingeschätzt habe (es sind ja auch nicht alle so 'leicht' zu durchschauen wie die Kriegsfürstin im Beispiel, gerade wenn man eine erfahrene Gruppe hat, wird auch diese Art der Herausforderung schwieriger). Und in gewisser Hinsicht ist es somit übrigens auch eine Balancing-Sache: warum EP für Menschenkenntnis ausgeben, wenn nachher die Fähigkeit des Spielers gefragt ist? Soll ich als Spieler, der gut aufpasst und den Spielleiter gut kennt, die EP vielleicht sinnvoller in Kampffertigkeiten investieren (wo niemals die Fähigkeit des Spieler relevant sein wird)?
Fazit für mich: ich würde mit dieser Regel fast immer eine Menschenkenntnis-Probe vorschalten (die dann wie üblich erschwert oder erleichtert sein kann) und von deren Ergebnis abhängig machen, ob der Held weiß, welches Vorgehen passend ist. Bedeutet leider eine Probe mehr, aber ist immer noch besser als die viele-Modifikatoren-Probe von V1. Und der Effekt "Spieler werden belohnt, wenn sie sich in die Situation hineinfühlen" geht verloren, aber der widerspricht eh auch etwas meinem Verständnis -- denn als nicht gamistischer Spieler werde ich nicht dadurch belohnt, dass mein Held eine Probe besteht, sondern dadurch, dass er sich rollengerecht verhält und / oder eine schöne Story entsteht. Naja, und mit fehlendem Hineinfühlen habe ich in meinen Runden jedenfalls auch nicht bewusst irgendwann ein Problem gehabt.