@Timonidas
Mir fällt es immer leichter die Lücken aufzufinden, wenn ich den "Prozess" einmal durchlaufe. Mir hat die Idee einfach so gut gefallen, da habe ich es mal exemplarisch anhand einer Geschichte gemacht. Dabei liegt aber den Fokus nicht bei der selbstbestimmten Begründung, sondern bei einem Blick in die Zukunft, die man aber durch eigenes Zutun zum einen oder anderen wenden kann. Der Blick ist aber so nebulös ist, dass es so oder so zustande kommt. Ich könnte mir vorstellen, dass man beim Heldenhintergrund auch auswürfeln kann, was da passierte oder welches Zeichen man erhielt
Der Text liegt in der ersten Fassung vor. Ich werde ihn bestimmt noch überarbeiten müssen (bin dann, wenn du die Lust hast es durchzulesen, aber auch für Anmerkungen dankbar):
Der Tisch des Schicksals
Ich sah hinauf zur Kuppel. Durch geschickte Platzierung von Spiegeln erhellte das Licht Madas der Lieblichen die mit Mondsilber, Rubinen und Silber verzierte gebauchte Innenkuppel des Tempels. Unsere Familien waren gekommen und acht in grau gehüllte Mäntel, mit gesenkten Köpfen standen nun im Kreis um den Erwählten des Nachtherren. In der grauen Nacht sind alle Mäntel gleich, hatte uns der dem Höchsten Dienende, gelehrt, ich musste bitter lächeln. Neben mir stand Adil, der Sohn des brutalen Emirs, der unsere Stadt in seinem eisernen Griff hielt, doch stets die Traditionen achtete. Nichts hatte ich, dessen Vater dem seinen in hoher Schuld stand, mit ihm gemein. Nachdem der vom Mond und den Sternen Erleuchtete sein Gebet beendet hatte, reichte er Faisal, die graue Binde, zumindest meinte ich Faisals Geruch von Lauch, was er über alles liebte, zu riechen. Wir vier Jungen und vier Mädchen würden nun abwechselnd vom Tisch des Schicksals unser Los erfahren. Faisal wurde mehrfach gedreht, als der Sternenleser geräuschlos zum Tisch ging und den Schleier lüftete. Faisal lief an ihm vorbei, zu einem der Mädchen. Ich wusste wer sie war: Zanya, die schönste Blüte im Garten unseres Dorfes, würde selbst mein von der Sonne und Feuer geblendetes Auge erkennen. Er kam ihr unsittlich nahe und ein lauter Knall wandelte seine Wange in Kebab. Ich schüttelte amüsiert den Kopf, bei Feqz, Faisal war wirklich ein Trottel. Mit neuem Schwung und unter lautem Gelächter gelang er zum Tisch und ergriff ein Seil. Er stotterte sich was zusammen, vom gewundenen Lauf des Schicksals und das Feqz für ihn ein abenteuerliches Leben vorgesehen hätte. Oder du landest am Strick, verlachte Adil ihn und seine Speichellecker taten es ihm gleich. Einer der einfachen Geweihten ließ Faisal niederknien, der zum ersten Mal im Leben den nötigen Ernst zeigte und der Geweihte zeichnete ihn mit der sichelförmigen Mada und nahm ihn so in die Gemeinschaft der Gläubigen auf. Die Geweihten hielten den Schleier hoch und der Wesir der Schatten tauschte die Gegenstände oder platzierte sie neu, bevor er sie wieder verhüllte ohne dass wir einen Blick drauf werfen konnten. Es ging hin und her. Als Adil dran war, fiel selbst dem Laien auf, wie viele Gegenstände aus Edelmetallen den Tisch zierten. Mein Blick in die Familien traf die Augen des Emirs, der zufrieden grinste. Adil lief direkt auf den Tisch zu. Du kannst das Schicksal nicht betrügen, du kannst dich ihm nur entgegenstellen, ging es mir durch den Kopf. Adil ergriff einen goldenen Spiegel. Triumphierend verkündete er von seiner glorreichen Zukunft in Reichtum und Wohlstand und dass er eine Frau die seine Schönheit spiegeln würde einst zur Braut nehmen würde. Dabei wanderte sein Blick zu Zanya, denn es war ein offenes Geheimnis, dass der Emir entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte. Ich schüttete innerlich den Kopf, das war nicht gerecht. Welch Verkennung unserer Traditionen. Wollte man den Überlieferungen glauben schenken, so war es einst, so dass unsere Vorfahren im Schutz der Nacht in die Täler schlichen und das ergriffen, was ihnen der Herr des Schicksals in die Hände gab. Ein jeder sollte mit dem was er bekam das Beste anstellen, es für sich und die seinen zum Vorteil nutzen. Es handelte sich immer um eine Aufgabe, einen Hinweis, eine Warnung oder einen Fingerzeig, doch niemals um ein unverdientes Geschenk. So mochte es sein, dass der eine ein Schwert ergriff, der Andere einen Stein, doch ein jeder sollte bemüht sein, das Beste daraus zu machen. Doch Adil verlachte die Sitten und erkannte ihren Zweck nicht in dem er die Aufgabe dahinter nicht erkannte, nicht mal sich bemühte sie überhaupt zu erkennen. Ich war dran, ich schloss die Augen, während ich mir den grauen Seidenschleier umwickelte. Wie so vieles in unserer Kultur war der Schleier ein Symbol, eine Metapher. Es hieß, dem gerechten Herren zu vertrauen, sich in seine Hände und die der dunklen Nacht zu geben und sich von ihm prüfen zu lassen. Sein Licht würde mir den Blick erhellen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war und ich mich als würdig erwiesen hätte. Ich nahm die Binde ab und hielt einen einfachen Stein in der Hand. Was sollte das bedeuten, war mir das Schicksal eines Steinmetzes, eines Bauherren gar vorhergesehen. Stolz hielt ich den Stein hoch, einige amüsierte Blicke trafen mich. Ein Stein mag einfach nur ein Stein sein, doch in die richtige Form gebracht, mag er die größten Paläste zu stützen und sein Fehlen eben jene einstürzen zu lassen. Er ist beständig und hart und ausdauernd und unnachgiebig und so möchte auch ich sein. Als ich den Stein senkte und von Adil verspottet wurde, glänzte der Stein an einer Stelle metallisch stumpf.
Und so machte ich mich auf, verließ meinen elterlichen Hof und wurde Söldner. Und mein Leben machte mich beständig und hart und ausdauernd und unnachgiebig, doch stets achtete und ehrte ich Feqz, den obersten aller Götter.
Und hier saß ich nun nach all der Zeit. Ich rieb eine Pfeilspitze, keine gewöhnliche. Das stumpfe Schimmern meines Steins erwies sich als Eisen und so ließ ich diesen zum Stahl des Kriegshandwerks formen, für einen einzigen Schuss des Schicksals. Nachdenklich strich ich über die Kante. Wo der Emir brutal war, da war sein Sohn einfach nur gierig und hatte im Schatten der Macht seines Vaters gelebt. Es war ein Leichtes gewesen den Palast seiner Herrschaft einstürzen zu lassen und an seiner statt eine neue Welt zu formen, man musste nur wissen welchen Stein man entfernen musste... Sanya setze die Krone des Emirats auf meinen Kopf. Ich lächelte sie an, doch meine Gedanken waren woanders. Es war diese Pfeilspitze gewesen, die sein Herz durchbohrt hatte, nachdem es durch seine Prunkrüstung gestoßen war. Einem goldenen Spiegelpanzer. Allmächtiger Feqz, Herr der ausgleichenden Gerechtigkeit habe Mitleid mit Adils Seele, denn er verkannte deine Warnung und zahlte mit seinem Leben für seine Torheit.
Abbasnameh: Das Leben des Abbas al’Khors, letzte Fassung. Eine Woche bevor Faisal, genannt „der Lauch“, Sanya mit einem Seil knebelte und entführte