Salix Lowanger hat geschrieben: ↑04.03.2020 16:38
Eine Frage an Lajos:
Wieso ist es das Versagen einiger weniger? Ich bin gestern oder vorgestern bei Twitter über den Erlebnisbericht eines Mannes gestolpert, der Kontakt zu einer positiv bestätigten Person in Hessen hatte. Der hat daraufhin mehrfach beim Gesundheitsministerium telefonisch nachgefragt, wie er sich zu verhalten hat. Ihm wurde geraten, zum Hausarzt zu gehen. Erst nach drei oder vier Nachfragen, wurde ihm eine Excel-Tabelle zugeschickt, in die er seine Kontakte eintragen konnte. Das erweckt in mir den Eindruck, dass es überhaupt keine Planung zur Nachverfolgung gibt, zumindest in Hessen nicht. Da frage ich mich schon, wer genau bei sowas gepennt hat.
@Admins: Nein, ich will keine Grundsatzdiskussion eröffnen. Aber ich muss zugeben, dass mich diese Lektüre doch weiterhin gedanklich beschäftigt. Und wenn wir schon mal jemanden vom Fach da haben... Ich hoffe, ihr versteht, worauf ich hinaus will.
Es gibt ganz klare Vorgaben des Robert Koch-Instituts. Dazu gehört auch, dass Kontaktpersonen von asymptomatischen Kontaktpersonen nicht nachverfolgt werden. Das ist mit wenigen Ausnahmen eine der Grundlehren der Kontaktpersonennachverfolgung.
Es gibt mehrere Dinge, die derzeit knapp sind:
- personelle Ressourcen: Dank der jahrelangen Ausdünnung des (öffentlichen) Gesundheitsdienstes.
- Laborkapazitäten: Weil das Virus neuartig ist und die PCR erst flächendeckend etabliert werden muss
- Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel: Weil teuer vorzuhalten, idR in China hergestellt und der Run darauf einfach riesig ist.
Das muss man alles im Kopf behalten. Die Behörden müssen haushalten und evidenzbasiert agieren. Du kannst nicht die ganze Stadt unter Quarantäne stellen sondern musst dich auf die konzentrieren, bei denen es Sinn ergibt. Wir sprechen hier von Freiheitsentzug, das Stichwort heißt Verhältnismäßigkeit. Erfreut sind die Betroffenen meist nicht.
Jeder Bürger mit oder ohne Schnupfen rennt heute zum Arzt oder schlimmer noch zum Gesundheitsamt und fordert einen Test. Ob sinnig oder nicht ist egal. Jeder ist sich selbst der Nächste. Daher sind Hotlines, Ärzte und Gesundheitsämter überlastet. Da sind auch die Bürger in der Pflicht, da er ja so mündig ist.
Das einzige, was da wirklich hilft ist ein stringentes Vorgehen, welches die o.g. Punkte berücksichtigt. Das wird idR vom RKI vorgeben und man ist gut beraten, nur in begründeten Ausnahmefällen davon abzuweichen. Das kann man machen, sollte es aber rechtfertigen können.
Was ich mit „einige wenige“ meine sind unerfahrene Amtsärzte meistens kleiner Gesundheitsämter, die sowas auf „ihre Art“ managen wollen und die Ratschläge und Vorgaben ignorieren. Das hat viel mit Erfahrung zu tun und es gibt gute Gründe, weshalb das Management in großen Städten, trotz der höheren Krankheitslast/-dichte, idR erfolgreicher ist. Die Chronologie in Heinsberg, aber auch anderer betroffener Kreise war maximal ungünstig, da sie die Vorgaben ignoriert haben.
Ein weiteres Problem ist das ewige schwarze Peter- und Zuständigkeitsspiel. Das wird von den Medien gerne befeuert. Aktuell sind die Gesundheitsämter in der Kritik, weil sie nicht bereitwillig testen oder Schutzausrüstung zur Verfügung stellen. Beides ist eigentlich nicht ihre originäre Aufgabe!
Dann haben wir Professoren aus Elfenbeintürmen, die sich als Seuchenbekämpfer betiteln und im Fernsehen sagen, sie bräuchten sich nicht gegen die Grippe impfen zu lassen, da sie es ja schon 3 mal hatten. Facepalm.
All das hilft wenig. Was hilft ist professionelle, transparente und stringente Arbeit der Gesundheits- und der operativ-taktischen Behörden und natürlich der selbstlose Einsatz der Ärzteschaft. Und die Erkenntnis, dass wir es hier nicht mit Ebola oder SARS zu tun haben, sondern mit einem meist sehr leichten, grippalen Infekt.
Hoffe das beantwortet die Frage.