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FATE, Dresden Files und Metal (Feder, Schwert und Uhrwerk)

Erfahrungen, Tipps, Vorlieben, Probleme, Fragen zu RPG-Systemen und RPG-Theorie.
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Lifthrasil
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FATE, Dresden Files und Metal (Feder, Schwert und Uhrwerk)

Ungelesener Beitrag von Lifthrasil »

Hier kommen meine zwei Heller zum leider insolventen Feder&Schwert und Uhrwerk-Verlag. Ich beginne mit:

FATE

Mein erster Berührungspunkt mit dem Uhrwerkverlag war das FATE Rollenspielsystem. Es ist ein recht simples System, das auf Storytelling ausgerichtet ist. Zunächst das Technische: es gibt anfangs eine Fertigkeitenpyramide. Also eine Fertigkeit in der man ganz besonders gut ist, zwei Fertigkeiten in denen man ziemlich gut ist, drei passable Fertigkeiten etc. Die Fertigkeiten sind dabei recht weit gefasst. D.h. es gibt eine für Fernkampf, eine für Nahkampf, eine für Nachforschungen, eine für Schulwissen etc. Ggf. kann man sich über Aspekte und Stunts (kommen später) weiter spezialisieren. Fertigkeiten haben anfangs typischerweise Werte zwischen 0 und 4. Für epische Rollenspiele kann die beste Fertigkeit auch 5 betragen.
Gewürfelt wird mit vier ungewöhnlichen Würfeln, die nur +, - oder nichts zeigen. D.h. Ergebnisse von ---- bis ++++ sind möglich, die den Fertigkeitenwert entsprechend modifizieren. Ein Würfelwurf von +0-+ z.B. hätte netto ein + und würde somit eins auf den Fertigkeitswert addieren. Unter normalen Bedingungen ist ein Wert von 1 ein Erfolg. Schwerere Aufgaben können höhere Ergebnisse erfordern. Das schöne ist, dass man auch wenn man eins zu wenig erwürfelt noch einen Erfolg erzwingen kann indem man eine Konsequenz hinnimmt. Z.B. ‚Es gelingt mir das Schloss zu knacken, aber der Dietrich bricht ab‘. Konflikte werden prinzipiell durch Vergleich des erreichten Ergebnisses der beiden Opponenten abgewickelt. Dabei ermuntert das System, viel zu beschreiben. D.h. ein Kampf wird nicht Runde für Runde ausgewürfelt, sondern lebt davon, die Phantasie spielen zu lassen und erfordert nur ein, zwei Würfe um das allgemeine Ergebnis festzulegen. Man kann Kämpfe auch kleinteiliger auswürfeln, aber in unserer Runde hat sich die ‚Telling‘-Version bewährt.
Die Stärke des Systems, die für Einsteiger etwas schwer zu handhaben ist, sind sogenannte Aspekte. Jeder Charakter hat permanente Aspekte die sich aus der Hintergrundgeschichte ergeben. Die Charaktererschaffung ist in Lebensalterphasen unterteilt aus denen sich jeweils ein Aspekt ergibt. D.h. eine detaillierte Hintergrundgeschichte ist Pflicht, was die Charaktere lebendiger macht. Aspekte haben immer eine positive und eine negative Auswirkung und in ihrer Formulierung ist man ansonsten völlig frei. Beispiele wären: „Verrücktes Pilotenass“ (der Charakter hat einen Bonus bei gewagten Flugmaneuvern, geht aber oft unnötige Risiken ein) oder „Bedachter Magier“ (der Charakter braucht länger zum Zaubern, aber es unterlaufen ihm weniger Patzer) oder der Klassiker „Berserker-Rage“ und ähnliches. Aspekte können selbst ausgelöst werden, was einem in bestimmten Situationen Boni bringt, aber sie können auch vom Gegner bzw. Spielleiter ausgelöst werden, was situationsbedingte Mali mit sich bringt. Zusätzlich zu den permanenten Aspekten gibt es noch temporäre Aspekte, die durch die aktuellen Umstände hervorgerufen werden („Scheißwetter“, „Verbündete im Kampf“) und auch Gegenstände können Aspekte aufweisen. So hatte unser Raumschiff den Aspekt „Was macht eigentlich dieser Knopf hier?“ … Wir hatten es gebraucht erworben und hatten kein Handbuch. D.h. es war möglich, in Krisensituationen durch Zufall auf eine hilfreiche Funktion zu stoßen. Aber es war auch möglich, dass irgendwas ganz furchtbar schief lief, weil wir einen falschen Knopf gedrückt haben. Das machte das Fliegen spannender.
Zur Auslösung der Aspekte kommen die FATE-Punkte ins Spiel. Jeder Charakter hat eine begrenzte Anzahl davon und kann sie nutzen um, unter Ausnutzung eines passenden Aspektes, entweder Boni/Mali zu generieren oder einen Wurf zu wiederholen. Oder aber auch um außerhalb von Krisensituationen für eine Szene die Beschreibung zu übernehmen. D.h. wenn es z.B. darum geht einen Kontakt des Charakters zu treffen, übernimmt der Spieler des Charakters kurzzeitig die Spielleitung und beschreibt die Wohngegend des Kontaktes und wie der Kontakt so drauf ist.
Zusätzlich zu den Aspekten gibt es noch Stunts. Die werden im Laufe des Spiels erworben und mit permanenten FATE-Punkten bezahlt und sind ausschließlich positiv, aber immer auf besondere Situationen beschränkt. Also Dinge wie „Lieblingswaffe“ (mit einer bestimmten Waffe erzielt man bessere Ergebnisse) oder „Macht des Geldes“ (in passenden Situationen kann man die Fertigkeit ‚Resourcen‘ an Stelle von einer sozialen Fertigkeit einsetzen um sich z.B. beliebt zu machen).
FATE ist dabei Weltunabhängig und ist genauso geeignet SciFi-Settings darzustellen wie Fantasy oder sonstwas. Die Welt in der wir zuerst spielten war ‚Diaspora‘, eine etwas dystopische Raumfahrt-Science-Fiction in ferner Zukunft (leider nicht auf Deutsch verfügbar). Später fing ich dann mit „Dresden Files“ an, welches ich noch immer spiele und das sehr freilassende System ergänzt sich gut mit dem Setting dieser Welt. Aber damit kommen wir zum nächsten Punkt: die Welt Harry Dresdens.


The Dresden Files

Harry Dresden ist ein magischer Privatdetektiv und steht als solcher auch in den Gelben Seiten. Er ist der einzige Magier, der öffentlich als solcher arbeitet und viele halten ihn für einen Scharlatan. Aber er ist tatsächlich ein Magier und bei seinen Fällen geht es oft um Machenschaften von Schwarzmagiern, Feenwesen, Vampiren, Geistern, Werwölfen und Dämonen. Das ganze findet im Chicago der heutigen Zeit statt, nur dass Magie im Verborgenen eben existiert – und normalerweise sorgen die Magier und übernatürlichen Wesen auch dafür, dass die Magie verborgen bleibt. Niemand will eine erneute Inquisition mit modernen Mitteln riskieren. Glücklicherweise gibt es zwei Mechanismen, die das Verborgenbleiben erleichtern: zum Einen neigen viele Mundane dazu seltsame Vorkommnisse zu rationalisieren und ihre Erinnerungen an ihre vorgefasste Meinung anzupassen. „Das war kein Monster, nur ein Bodybuilter auf Steroiden.“ „Das war kein Feuerball. Da ist ne Gasleitung hochgegangen.“ „Ich habe nur halluziniert.“
Zum Zweiten vertragen sich Magie und Technik nicht und je komplexer die Technik ist, desto eher fällt sie in der Gegenwart von Magie aus. D.h. die ganzen Handy- und Überwachungskameras, die es heutzutage überall gibt, produzieren keine überzeugenden Aufnahmen von Bigfoot und Werwölfen, weil sie schlicht und ergreifend versagen. Entweder sie gehen im falschen Moment ganz kaputt oder die Aufnahmen sind, wie man sie schon immer kennt, verwaschen und grobkörnig und sehen eindeutig nach ‚Fake‘ aus.
Die Romane sind sehr gut geschrieben. Harry selbst ist ein Privatdetektiv in bester ‚Noir‘-Manier und die Magie fügt sich organisch in das Ganze ein. Die Romane haben eine düstere Grundstimmung. Die Welt ist gefährlich und in weiten Teilen feindlich und Harry gehört zu den wenigen, die die ahnungslosen Menschen vor Gefahren verteidigt, die kaum jemand wahrnimmt oder wahr haben will. Auch die Nebenfiguren sind überzeugend und cool. Karrin Murphy, eine vollkommen weltliche Polizistin, die aber einen so wachen Geist hat, dass die übliche Verdrängung bei ihr nicht einsetzt. Michael Carpenter, ein Ritter des Heiligen Kreuzes und Thomas, ein Vampir, der Harry manchmal unterstützt. Warum er das tut? Nun, da werdet ihr die Bücher lesen müssen um das herauszufinden. Ich kann die Lektüre dieser Bücher nur empfehlen. Ich habe mit dem ersten Band angefangen und alle anderen Bände am Stück durchgelesen, so spannend und stimmungsvoll sind sie geschrieben.


Metal!

Wie aber passt Heavy Metal ins Bild, warum steht das im Titel dieses Essays? Ganz einfach aus der Feder des Uhrwerk-Verlags stammt auch Malmsturm und es gibt kein Rollenspielsystem, das so ‚Metal‘ ist, wie dieses. Es ist klassische heroische Fantasy. Düstere Dämonen, mysteriöse Maschinen, muskelbepackte Helden und Kriegerinnen in viel zu knappen Rüstungen. Man spielt in einer Welt die den typischen Metal-CD Covern nachempfunden ist. Kennt ihr das Computerspiel „Brütal Legend“ und wolltet das schon immer mal als Pen&Paper spielen? Malmsturm ist das Setting dazu. Conan der Barbar würde sich in der Welt von Malmsturm ebenfalls zuhause fühlen, genauso wie Beowulf oder Red Sonya. Fragte Watership nicht, wo die Flügelhelme und Stahlbikinis hin verschwunden sind? Nun, sie sind nach Malmsturm umgezogen!
Als System hält wieder FATE her, welches sich mit seiner Anpassbarkeit wunderbar in ein zentrales Konzept von Malmsturm einfügt: der ‚dynamischen Realität‘. Die Welt von Malmsturm ist wandelbar. Wenn genug vernunftbegabte Menschen etwas glauben oder erwarten, dann tritt das auch ein. So wie der narrative Imperativ auf der Scheibenwelt von Terry Pratchett – nur halt Metal! Diese Wandelbarkeit der Welt passt wunderbar zu dem ‚Spieler übernehmen zeitweise die Kontrolle‘ Konzept von FATE. Dieses Konzept geht hier noch einen Schritt weiter. Wenn man FATE-Punkte ausgibt, kann man die Realität beeinflussen, was sogar in der Welt stattfindet. Wenn der Held, dessen Waffe gerade zerbrochen ist, ganz überzeugt daran glaubt, dass im nächsten Raum eine verwendbare Waffe an der Wand hängt, dass ist das tatsächlich so. Immerhin ist man hier ja in der Ruine einer Burg und in Burgen hängen IMMER Waffen an den Wänden. Natürlich wird auch beim Kampf gegen den Feuerriesen plötzlich ein Gewitter mit Wolkenbruch vom Himmel prasseln, weil der Donnergott natürlich auf Seiten der Helden steht! Aber ebenso kann der SL den Narrativen Imperativ gegen die Spieler verwenden. Auf die Weise gewinnt man FATE-Punkte zurück: man nimmt Schicksalsschläge hin. „Ein Ork kommt nie allein!“ und das gerade besiegte, eindeutig tote Alptraummonster springt natürlich für eine finale Attacke noch mal auf, sobald man ihm den Rücken zuwendet. Bei Malmsturm sind diese Klischees Realität. Es ist allgemein ein System, das sich selbst nicht ernst nimmt und das Klischee der heroischen Fantasy feiert. Vor allem ist es aber eines: COOL!


Abschließend kann ich nur sagen: falls ihr die Dresden Files noch nicht gelesen habt, tut das. Falls ihr Heavy Metal oder Conan mögt, probiert Malmsturm mal aus und es lohnt sich auch, sich mit FATE vertraut zu machen, da es universell einsetzbar ist.

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