Jadoran hat geschrieben: ↑11.06.2018 11:41Ich würde Dich ja verstehen, wenn die Utulus/Waldmenschen/Norbarden deutliche Nachteilsrassen wären, die kein Spieler freiwillig auswählen würde: Sind sie aber nicht, im Gegenteil.
Das eine hat tatsächlich nichts mit dem anderen zu tun.
Wir wissen alle (denke ich...), dass Rollenspiele generell dazu einladen, ein wenig mit Klischees zu spielen - in einer Art und Weise, wie man das in der Literatur tunlichst unterlassen sollte, es sei denn, man ist erfolgreicher Verfasser von Heftchenromanen. (Was ich nicht abwertend meine - eine gute Bekannte verdient damit erheblich mehr Geld als ich mit meiner Arbeit. Es ist halt ein Genre mit eigenen Gesetzen.)
Im Rollenspiel geht es darum, dass ein bisschen Stereotyp (und die sind logischerweise kulturell geprägt, also durch unsere Kultur, meine ich) hilft, die Spieler und -innen, von denen jede/r einen eigenen Film fährt, auf eine Wellenlänge zu kriegen und schnell über die wesentlichen Elemente einer Szene oder eines SCs zu unterrichten. (Was sowohl als Hilfe, als auch als falsche Fährte funktioniert.)
So weit, so gut.
Leider trifft das automatisch auch auf Stereotypen zu, die wir teils noch aus der Kindheit kennen, die teils rassistisch und teils eher "kulturalistisch" (?) motiviert, in jedem Fall aber fremdenfeindlich sind. Der heißblütige, seltsam sprechende, ständig beleidigte und um seine Ehre besorgte Wüstensohn wäre so eines. Der etwas naive, starke aber etwas dusselig und jetzt auch noch gut bestückte "Eingeborene" aus dem Urwald ein anderes. Betrügerische, lügende, ungewaschen Schlitzaugen wären ein drittes. Und blutrünstige, tättowierte. dauersaufende Barbaren ein viertes.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich sehe das Problem durchaus, ich finde aber nicht unbedingt, dass man deswegen "brüllen" müsste. Diskutieren reicht vollkommen.
Denn Klischee kann Spaß machen - man bewegt sich dann in einer vertrauten literarischen Umgebung (etwa geistig durch's Wilde Kurdistan
. Edit: oder durch Hauffs Märchen), und das führt nicht unbedingt dazu, dass man darum das Klischee auf real existierende Leute überträgt, weil man ja
weiß, dass es eines ist.
Das zu "verbieten" finde ich ebenso zweifelhaft wie die Initiative gegen Rassismus und Stereotype im Rheinländischen Karneval.
Wo die Kostüme eben teils dieselben Klischees transportieren - nicht nur in Bezug auf ausländische Kulturen allerdings, sondern egal bei was. (Und aus demselben Grund wie die klischeebelastete Kurz-NSC-Beschreibung: Das Kostüm muss mit einem Blick seine zentrale Botschaft (den oder die oder das stelle dar) vermitteln, lange, differenzierte Diskurse sind da fehl am Platze - noch mehr als im RPG.)
Dass diese mit dem "realen Indianer" oder dem "realen Orient" oder "dem realen Bayern (?) " nicht viel zu tun haben, ist korrekt. Das hat die Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, auf dem das fußt, generell nicht so ganz.
Andererseits ist es eben Literatur (teils Märchen), und die Kostüme und alles, was sich daraus entwickelt hat, ist im Grunde eine eigene Kunstform und Tradition. Ich hab als Zugezogene nicht ganz so viel Zugang zum Karneval, aber was die dort engagierten Leute hier teils jedes Jahr diesbezüglich auf dei Beine stellen, ist enorm. Das kann ich wirklich aufrichtig bewundern.
Für mich fühlt es sich falsch an, das zu verbieten, oder auf "poltisch korrekten" Kostümen zu bestehen. Die allermeisten Feiernden wissen genau, dass echte Japaner und Chinesen anders aussehen als ihr Kostüm. Und echte Piraten damals anders ausgesehen haben. Und römische Soldaten nie Rüstungen aus hunderten eigenhändig plattgekloppter Bierdosen getragen haben. Und Wasser nicht blau ist. Usw usf etc pp.
Und die verlangen auch nicht, dass die realen ungefähren "Entsprechungen" oder "Vorbilder" der Kostüme sich diesen anpassen sollen.
Ob ein ausländischer Tourist oder sonstiger Zuschauer diese Darstellung als beleidigend empfinden könnte, ist allerdings - für mich - schwer zu beurteilen.
Wenn dem so wäre, wäre das in der Tat ein Anlass, etwas zurückhaltender zu sein. Edit: Mein Gefühl ist, hier denken manche Leute etwas zu viel, aber ich kann eben auch danebenliegen. Ich bin ja nicht vom Klischee betroffen...
Was nun aber DSA angeht, ist es im Grunde so ähnlich. Ich denke, es bedient sich aus kulturellen Sterotypen, die rassistische oder fremdenfeindliche Wurzeln haben - ohne es selbst aktiv zu
sein.
Man
kann das spielen - man kann es sogar ohne schlechtes Gewissen spielen, es ist ja nicht real. Man kann ja auch ingame mit großem Vergnügen einen Rassisten spielen, oder einen skrupellosen Machtmenschen oder, oder... ohne im RL selbst einer zu sein.
Es schadet aber
dennoch ganz bestimmt nichts, sich die Hintergründe bewusst zu machen - zumal das (also, das unbewusste Rückgreifen auf tradierte Stereotypen, die einen historischen Kontext haben) ja eben nicht nur das Rollenspiel betrifft, sondern unser aller Alltag.
Und wenn man findet, dass der spielerische Mehrwert durch die Verwendung eines bestimmten Stereotyps gegen Null geht (und für mich ist das bei jeder Art von Pensigrößentabelle so, aber es gibt sicherlich auch Leute, die da anderer Meinung sind), kann man, wie Sumaro, auch drauf hinweisen, dass dort Stereotypen verwendet werden, die fragwürdiger Herkunft sind und dem Spiel nichts hinzufügen, die also möglicherweise entbehrlich sind.
Ich finde das nicht schlimm und nicht dramatisch. Ich finde es tatsächlich umso nötiger, als sehr vielen hier das "Problem" oder eher, der Umstand, anscheinend gar nicht bewusst ist.
"Problematisch" wird diese Diskussion dann, wenn man, wie
@Nathan Fürstenberg und noch so einige andere, meint, die Diskussion über "Rassismus" sei eine "Keule", und wenn dieser Vorwurf im Raum steht, könne man sich nur noch abwenden und "müsse" das Spiel boykottieren, und jede Diskussion erübrige sich dann. Entsprechend ist ein solcher Vorwurf dann IMMER schwer, und muss, wenn möglich, komplett und sofort zurückgewiesen werden.
Und das, mit Verlaub, ist Quark. Rassistisch oder kulturalistisch motivierte Elemente unserer Weltsicht sind ebenso vorhanden wie religiös geprägte (auch und vielleicht sogar grade, wenn man Atheist ist), oder traditionell geprägte, oder klimatisch bedingte - und man kann genauso drüber reden, ohne sich den Mund auswaschen zu müssen. Die sind nur ein Element unter vielen, und wir haben es uns im übrigen ja nicht ausgesucht, dass sie hier immer noch vorhanden sind, das
ist einfach so.
Wie man damit
umgeht, ist die entscheidende Frage. Wenn man sie aber nicht achselzuckend mit einem "War halt immer so und war nie böse gemeint " hinnehmen will - kommt man nicht drumherum, darüber zu reden.
Das ist dann kein Drama, es ist auch keine "üble Nachrede" oder "Anklage", es ist einfach eine Diskussion!