Der Uhrwerk-Verlag, lange Zeit hielt ich ihn einfach für Ulisses in Orange. So wie White Wolf unter dem Label "Black Dog" einiges kritischeres Material veröffentlicht hat, dachte ich wäre Uhrwerk einfach das Pseudonym für Ulisses für myranische Veröffentlichungen.
Irgendwann erfuhr ich dann, dass tatsächlich andere Leute beim Uhrwerk arbeiten als bei Ulisses und dazu schienen alle die sich mit Myranor auseinandergesetzt hatten einig, dass das Uhrwerk sich viel mehr Gedanken um seine Veröffentlichungen macht als beim großen Bruder üblich. Ein Blick ins myranische Regelwerk und ich musste zugeben dass da was drann war. Einige Vor-, Nachteile und Sonderfertigkeiten wanderten mit in unser Aventurien und keiner hat es seither bereut.
Meinen persönlichen Geschmack traf Myranor nie (zu viel Zoo und die Magie zu Weitläufig) aber handwerklich war es doch ziemlich gut und genau das Gute konnte ich für meine Spielrunden gewinnen. Doch mit der Zeit wurden die Blicke ins myranische spärlicher und irgendwann ging die Lizenz eh zurück an Ulisses, das Uhrwerk geriet in Vergessenheit.
Dann plötzlich eine Schocknachricht Uhrwerk meldet Insolvenz an! Erste Reaktion: Warum schockiert mich das? Ein Blick auf die Homepage und es wird mir klar, da war ja noch Splittermond, das Spiel mit den Ticks dass ich schon immer ausprobieren wollte. Und die Übersetzung von Fate Core auch noch! Harter Tobak. Durch den Aufruf im Forum bot sich mir dann endlich die Gelegenheit Splittermond testen zu können. Kaum war das Angebot gepostet habe ich mich für die Testrunde via discord und roll20 angemeldet und begann den schnellstarter zu wälzen.
Da war ein vorgefertigter Held den ich spielen wollte, Tiai Schimmersee, eine albische Klingentänzerin. Meine Recherche weitete sich also zu den Zaubern die sie beherrschte aus.
Windmagie:
0 Sanfter Fall
1 Nebelsicht
2 Blitzschlag
Kampfmagie
0 Geisterdolch
1 Magischer Stoß
Mir fiel erstmal auf dass Sanfter Fall, Nebelsicht und Geisterdolch alles drei Zauber waren die das Ziel "Zauberer" hatten. In mir kam beim Sanften Fall sofort der Drang auf auf meine Gefährten vor Sturzschaden zu bewahren und auch die Nebelsicht wollte ich auf andere wirken können. Also suchte ich nach einer Möglichkeit die Reichweite in guter DSA4-Manier zu "SpoModden". Dabei stieß ich auf die "Meisterschaft" (Auf DSA gemünzt müsste es Sonderfertigkeit heißen) "Hand des Zauberers", diese erlaubt es einen Spruch mit dem Ziel "Zauberer" stattdessen auf Berührung zu wirken.
Es war also möglich! Doch was waren die Konditionen? Müsste ich meine Gefährte für die gesamte Wirkungsdauer berühren? Oder nur beim Wirken des Zaubers? Ich wollte Antworten ohne das ganze Grundregelwerk zu wälzen, ich fragte und ich bekam die Antworten schnell. Und hier stieß ich auf die erste Stilblüte des Splittermond-Systems die mich lachen und weinen ließ weil mir solch eine Absurdität sonst immer aus DSA bekannt ist.
Hier der konkrete Fall:
Kanalisierte Zauber (aufrechterhaltene Zauber) die nicht auf den Zauberer selbst wirken, müssen nur während des Auslösens (Zauberdauer) die Reichweite des Zaubers beachten. Anschließend können sie so lange kanalisiert (aufrechterhalten) werden wie das Ziel des Zaubers sich in 10+Mystik Metern Abstand aufhält.
Für den Sanften Fall und die Nebelsicht funktioniert das ganze einwandfrei, mit "Hand des Zauberers" wirke ich den Zauber auf Berührung und solange meine Gefährten dann innerhalb von 10+MYS metern zu mir bleiben bricht die Verbindung nicht ab und der Zauber kann weiter wirken.
Unterhaltsam wird es bei dem dritten Zauber der eigentlich nur auf den Zauberer selbst gewirkt werden kann. "Geisterdolch" manifestiert einen Dolch mit ganz normalen Kampfwerten in der Hand des Ziels (also in der des Zauberers), der Dolch ist aber nicht an den Zauberer gebunden sondern kann auch geworfen oder an jemand anderen gegeben werden. Der Zauber hat auch keine Begrenzung in der Reichweite wie weit der Dolch sich vom Zauberer entfernen darf.
"Ich könnte den Geisterdolch also mit der Hand des Zauberers auch auf meine Gefährten wirken und so die gesamte Gruppe mit Dolchen ausstatten?" War meine unschuldige Frage im Splittermond-Forum. Die Antwort bestätigte dies, allerdings würden sich die Dolche auflösen sobald sich meine Gefährten mehr als 10+MYS Meter von mir entfernen, denn die Entfernung zu Zielen kanalisierter Zauberer darf ja nicht größer sein.
Wir halten also fest:
Ich darf den Dolch in der Hand meines Freundes A beschwören, derselbe Dolch darf von Freund B tausende Meilen bis an Ende der Welt getragen werden (weil der Zauber ja die Reichweite nicht begrenzt) aber sobald Freund A und ich sich weiter als 10+MYS Meter voneinander entfernen löst sich derselbe Dolch am anderen Ende der Welt auf, weil die Distanz zu groß geworden ist
Wer sich jetzt nicht an DSA4 erinnert fühlt kennt DSA4 noch nicht.
Ebenfalls absurd: Magie kann jeder in der welt von Splittermond erlernen. Schon ein Stufe 1 Zauber erlaubt es eine Pflanze auswachsen und Früchte tragen zu lassen. Der durchschnittliche Mensch würde genug Fokus(Astralenergie) regenerieren um Täglich zwei Apfelbäume auswachen und Früchte tragen zu lassen. Warum genau gibt es in so einer Welt Bauern? Nahrungsprobleme kann es jedenfalls kaum geben.
Das Uhrwerk ist also auch fehlbar, doch ein Blick ins Splittermond-Forum klärte auf woran das lag. Anscheinend wurde bei Splittermond bei der Entwicklung immer dem Balancing Priorität gegeben wenn es Interessenskonflikte gab. Definitiv nicht die Priorität die ich gewählt hätte, aber inzwischen muss ich sagen dass sich dieser Faden konsequent durchs Regelwerk zieht. Und konsequentes Regeldesign ist (meiner Meinung nach) einer der wichtigsten Faktoren um ein System interessant für eine bestimmte Zielgruppe zu machen. Ein kruder Mischmasch ohne erkennbare Prioritäten dagegen krankt an allen Ecken und Enden.
Nachdem dann endlich die Testrunde gespielt war muss ich sagen das Regelsystem spielt sich sehr gut. Ich kann Splittermond jedem der Wert auf ein interessantes aber gebalancetes System spielen will nur wärmstens empfehlen. Dass hier Langeweile aufkommt kann ich mir nur schwer vorstellen.
Doch auch die Storyteller unter euch werden beim Uhrwerk-Verlag fündig! Mit Fate-Core hat Uhrwerk meiner Meinung nach ein System im Angebot das besser als jedes andere den Fokus auf Storytelling legt ohne dabei übermäßig auf Regeln zu verzichten. Zeitweise nutzte ich Fate Core sogar um ein paar Runden in meiner eigenen Spielwelt zu leiten um etwas mehr Gefühl für die Spielwelt zu bekommen bevor das hauseigene Regelsystem fertig ist. Fate Core ist dabei enorm flexibel und brauchbarer als alle anderen Universalsysteme die ich sonst kenne.
Das einzige was ich im Angebot von Uhrwerk noch vermisse ist ein richtig gutes Spiel mit Simulationsfokus, aber das vermisse ich quasi auch bei allen anderen Verlagen.
Ich hoffe jedenfalls dass das Uhrwerk noch eine Chance bekommt um auch noch ein System zu entwickeln dass den Simulationisten in mir aufjubeln lässt. Wenn es nach mir geht haben sie diese Chance jedenfalls verdient!