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von Thorgrimma
12.05.2015 20:48
Forum: Romanbewertungen
Thema: R035: Der Schwertkönig
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Re: R035: Der Schwertkönig

Ich habe den Schwertkönig und den Dämonenmeister letztes Jahr gelesen, als wir die Borbaradkampagne beendet hatten und ich nun also endlich auch den zweiten Band lesen durfte. Den Schwertkönig las ich nochmal, hatte ihn aber schon vor Jahren gelesen.

Vorweg: Natürlich sind DSA-Romane keine hohe Literatur, sondern etwas, das man eher liest, um ins DSA-Feeling zu kommen oder Hintergrundwissen zu bekommen (meine Meinung :)) Wenn man das als Maßstab anlegt, dann ist der Schwertkönig einer der besten Romane, den die Reihe zu bieten hat, denn beide Aspekte bedient von Wieser meisterhaft, ist doch die DSA-Welt und ihre Lebensweise prima eingefangen und zudem ist die Geschichte um Raidri recht spannend.

Ich erinnere mich daran, dass mir der Schwertkönig beim ersten Lesen nicht so gefiel. Raidri war mir als begabter Überheld unsympathisch und die Fehler, die er hat, bügelten das nicht aus, sondern machten es eher schlimmer. Ich hörte damals schon von einem Zitat von Wiesers, dass er den Schwertkönig geschrieben habe, damit die Spieler einen Helden vor Augen haben, wo sie selbst einmal mit ihren Helden hinkommen (oder so ähnlich). Damals habe ich das nicht so verstanden, meine Helden waren alle noch recht niedrigstufig und von Abenteuern wie sie Raidri erlebte, weit entfernt, von seinen Begabungen noch viel weiter.

Nach der Borbaradkampagne hingegen war der Roman für mich ein Augenöffner. Raidri muss nicht sympathisch oder fehlerlos sein, aber er hat einen wirklichen Charakter sowie eine Geschichte mit allen Höhen und Tiefen. Klar startet er etwas höher als andere Helden (Turniersiege, Donnersturm), aber er macht eine Entwicklung durch, wie wir sie mit unseren eigenen Helden in der Borbaradkampagne auch erlebt haben und wie sie wahrscheinlich viele epische Helden erleben werden. Er hat einerseits grandiose Siege und begeht tolle Taten, andererseits hadert er mit seinem Schicksal, erlebt echte Tiefpunkte, macht riesige Fehler, um dann wieder aus diesen zu lernen. Er merkt, dass Rondra ihn im Auge hat, aber eigentlich will er zunächst gar nicht der große Held sein und wehrt sich praktisch mit Händen und Füßen gegen sein Schicksal. Erst ganz am Schluss nimmt er seine Rolle an und findet einen Frieden und wird erst da zum großen Helden. Im Schwertkönig ist er das aber noch lange nicht.

Sowohl ich als Spieler als auch mein Held dachten immer, dass Raidri in allem so souverän sei, dass er vor nichts Angst habe. Mein Meister spielte Raidri auch immer ziemlich beeindruckend, mit tollen Ideen und einem großen Können - eben weil Raidri sich nach außen so darstellt und weil er auch so ist, wenn er älter ist. Der Roman hat mich eines besseren belehrt, dass es bei Raidri im Inneren nicht auch unbedingt so aussieht. Raidri hat in vielen Dingen Verlustängste, Komplexe wegen seiner Bildung, er fühlt sich eigentlich -wenn man genau liest und seine Großmäuligkeit nicht für bare Münze nimmt - selten genug oder würdig. Seine späteren Fähigkeiten, mit denen er junge Helden beeindrucken konnte, hat er sich (von der Kampfkunst mal abgesehen) hart erarbeiten müssen, und er hat seine Lehren meiner Meinung nach bitter bezahlt. Interessanterweise für mich, als mein Held selbst Gezeichneter wurde, und er Raidri schlussendlich in gewisser Weise auf Augenhöhe begegnete, kamen da auch im Spiel meines Meisters die Fehler Raidris heraus (beispielsweise seine mangelnde Bildung), weil Raidri auf Augenhöhe auch viel offener ist und weil man halt dann merken kann, wo er seine Schwächen hat. Durch das Buch wurde mir das aber erst so richtig bewusst.

Die Vergewaltigungsszene lese ich übrigens als eine, die illustrieren soll, wie stark dieser Krieg die ganzen mittelreichischen Soldaten verroht. Schade dass von Wieser dann unbedingt einbauen musste, dass Raidri die Maraskanerin auch noch zur Lust zwingt (als wäre das möglich...). Vielleicht wollte er damit diese Untat irgendwie erträglicher machen...? Ist ihm damit aber ganz und gar nicht gelungen. Gut fand ich allerdings, dass Raidri selbst den Krieg und die Vergewaltigung als unerträglich und grauenvoll empfindet und damit danach doch wieder moralisch durch seine Reue sich läutert.

Letztlich muss man sich immer bewusst machen, dass der Roman auch aus der Sicht Raidris beschrieben ist. Raidri ist ein Großmaul, er ist nicht der Hellste, er ist ein (wenn auch aventurischer) Macho und trotzdem hat er noch Selbstironie und ein Gewissen. Dass einiges überzeichnet ist, liegt also in seiner Eigensicht- und Erzählweise begründet. Albernier haben eben immer schon gerne einen draufgesetzt, selbst vor Mythrael :)

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