Nachdem ich dieses AB vor einiger Zeit geleitet habe, und sich die Kommentare in Grenzen halten, eine etwas ausführlichere Rezension:
Der Einstieg mit den weltfremden Magiern und ihrem nicht näher spezifizierten Kältepulver (Motivation: Mitleid + Neugierde) ist mit guten Vorschlägen ausgearbeitet, geht aber von ausschließlich einer einzigen möglichen Option aus. Hier gestaltet es sich schwierig den Plothaken neu auszulegen, sollten die Helden nicht sofort anbeissen. Auch als erfahrener Meister, habe ich mir schwer getan, eine Alternative zu finden, und musste mich ganz auf den bereiteten Vorschlag verlassen.
Die drei Magier sind, charakterlich, sehr markant beschrieben, auch wenn inhaltlich einige Mängel auftreten: der Analysemagier mit Spezialgebiet Alchemie scheint seine Zauberfertigkeiten zugunsten der Heldengruppe nicht bzw. kaum zu nutzen, und weiss offiziell nichts über das Pulver.
Die drollige Hilflosigkeit ist bei mir nichts als Fassade: der Mann ist scharf auf die Quelle der dämonischen Substanz, und instrumentalisiert die Helden dafür.
Der Hintergrund von Scholar Weissbaum ist etwas unglücklich, es ist nicht ersichtlich, wieso der renommierte Theoretiker aus Punin auf einen offensichtlich untalentierten und noch dazu gildenfremden Hinterwäldler zurückgreifen sollte. Ein mangels Disziplin der Schwert & Stab verwiesener Schüler passt hier wesentlich besser ins Bild.
Der folgende Auftakt zum Abenteuer läuft problemlos, hier habe ich die Reisedauer genutzt, um nochmal ordentlich Winter nachzulegen: Düsternis, Sturm, Schnee. Verdichtet einerseits die Atmosphäre, andererseits gestaltet es den Leichenfund später auch deutlich plausibler. Tochter und erfrorene Mutter sind scheinbar in einem Schneesturm überrascht worden, hier bieten sich mehr Punkte zum Nachhaken, als bei einer während anhaltendem Tauwetter tiefgefrorener Leiche, neben der auch noch eine mysteriöse Besessene sitzt.
Das übliche "kleines Kind ist eigentlich fieser Dämon" Klischee halte ich für unglücklich gewählt, da einfallslos, offensichtlich und mittlerweile auch schon viel zu abgedroschen. Das Alter wurde auf "junge Erwachsene" korrigiert.
Unerwartetes Problem: einer der Helden zeigte sich überraschend boronsfromm, und lehnte es vehement ab, die Ausrüstung der Toten zu untersuchen oder gar an sich zu nehmen (Heuchler... er begang zwei Tage darauf einen Mord am Familienvater, der das erfrorene Mädchen freiwillig aufgenommen hatte
). Daher der Hinweis: bei gläubigen Helden könnte es zu Schwierigkeiten kommen, dass die Kristalle nicht in einem Grab oder auf einem Scheiterhaufen landen. Bei mir sich Leander über die mangelnde Professionalität geärgert, und auf markante Anhaltspunkte an der Toten verwiesen, ohne deren Bedeutung zu lösen und erklären. Die Frau interessiert ihn nicht, sondern die Herkunft der Substanz. Er weiss das, arbeitet nun ja an einer kriminalistisch versierten Akademie.
Das folgende Rechercheintermezzo habe ich genutzt, um meine stark wildnislastige Gruppe auf die gefährliche Umgebung einzustimmen, der Plot um den Mitverschwörer im Dorf wurde drastisch gekürzt- die Mitspieler wollten scheinbar wenig auf die Probleme der Dörfler um gestohlene Handbeile eingehen, nachdem sich am Abend vorher ein Dämon offenbart hatte. Immerhin genug Informationen zugespielt, um sie auf den richtigen Weg zu bringen, dabei habe ich modular offen gelassen, wie leicht oder schwer der anschließende Weg zum Räuberlager bzw. Firuntempel wird, je nachdem wieviel sie von den Dörflern erfahren.
Die anschließende Reise zu den Söldnern (zusammengereimt aus Augenzeugenberichten, und Abmarsch "Auf gut Glück") wurde ohne ortkundigen Führer massivst erschwert und mit diversen von erstellten Zufallstabellen inspirierten Ereignissen aufgebaut, und stellte unerwarteterweise laut Spielern einen Höhepunkt in dem Abenteuer dar. In meiner Version war das Gebiet punktuell von Arkhobalim durchsetzt- diesen Nestern dämonischer Verseuchung auszuweichen war für die Gruppe eine echte Herausforderung. Die Atmosphäre des finsteren und verfluchten Waldes scheint sehr gut angekommen zu sein. Der alberne Spukstreich der Söldner ist ausgefallen: die NSCs sind, wie meine SCs, von Zufallsereignissen heimgesucht worden, haben diese aber nicht überlebt. Die geschundenen Kadaver wurden von Meisterseite genutzt, um den Spielern einen gehörigen Schrecken einzujagen, schließlich ist man immernoch von einer "überschätzten Gefahr im Wald" ausgegangen. Ein unbekannter Gegner, in Verbindung mit einer unbekannten Reisedauer hat so richtig die Paranoia geweckt. Meine Spieler wussten, dass der leichtsinnige Mangel an Vorbereitungen alle Möglichkeiten zum Charaktertod aufgestossen haben. Wer ignorant ist, muss bei mir mit den Konsequenzen leben.
Immerhin hat man die Spuren der Räuber zurückverfolgen können, ist so aufs Hauptquartier und dann den Firuntempel gestossen.
Die wertvoll geschmückte Schrifttafel dort habe ich weggelassen, mündliche Überlieferungen sind einerseits mythischer, und meiner Ansicht nach auch passender für einen Firuntempel. Das Finale ist leider sehr unspektakulär, und meiner Ansicht nach zu extrem: entweder im Handumdrehen gelöst, oder mit Sicherheit tödlich. Ich musste die Kampfweise und Fähigkeiten des besessenen Kindes stark modifizieren, um zumindest einigermassen ansprechend ausklingen zu lassen.
Fazit: Das AB ist relativ linear angelegt, für unerfahrene Meister ist die Ausführung wie geschrieben meiner Ansicht nach gut geeignet, da überschaubar und größtenteils nachvollziehbar. Für versierte Meister bietet dieses unscheinbare AB Ausbaumöglichkeiten in nahezu alle Richtungen.
Einige kleine Unstimmigkeiten und echte handwerkliche Patzer wie z.B. das Kindchendämonschema mindern die Qualität jedoch trotzdem. Ausschlaggebend für die Bewertung: weder der eingesperrte Dämon, noch die dämonischen Manifestationen oder Siegelkristalle sind regeltechnisch erfasst. Im Rahmen der gestalterischen Freiheit habe ich zwar Verständnis dafür, ärgerlich ist aber dennoch, wenn in jedem AB neue unerklärliche Ereignisse/Objekte eingeführt werden. Bei mir war unter der Steinplatte übrigens eine Pforte zu Nagrachs Domäne, was den großen Ausstrom an niederhöllischem Material erklärt hat.
Für erfahrene Meister und Bastler bietet das Abenteuer eine überraschende Bandbreite:
- Der "gesellschaftlich" angehauchten Mittelpart über die Spurensuche ließe sich zu einem starken Detektivplot ausbauen.
- In meinem Fall hat sich die Route durch den Wald spontan zu einer Glanzstunde für Wildnischaraktere entwickelt.
- Bei kämpferisch orientierten Gruppen ließe sich das Finale sicherlich mit einigen Dämonen, Eisleichen, widernatürlichen Geschöpfen, mit dem "Unheiligtum" als Anziehungsquelle, sicherlich ebenfalls aufplustern. Den Tempel am Schluss könnte man sicher zu einem netten Verließ (kein Anglizismus zuviel
) ausbauen.
Meine Bewertung schwankt zwischen 3 und 4 Punkten. Streng nach dem Buch sind es nur schlechte 3 Punkte, allerdings ist das Potential weitaus größer, und kann mit einigen wirklich geringen Handgriffen auch voll entfaltet werden. Daher gibts die 4.