Gerade weil ich ganz anderer Meinung bin, möchte ich das Abenteuer auch in Reaktion auf den letzten Post bewerten. Zunächst möchte ich betonen, dass das Abenteuer als Wettbewerbbeitrag einen gewissen Umfang nicht überschreiten durfe, als Anthologiebeitrag ohnehin schon kleiner als ein "normales" AB, ist demnach an einigen Stellen einfach mit Abstrichen zu Leben. Ich habe - ich meine bei Alveran - gelesen, dass einiges an zusätzlichem Material gestrichen werden musste, das nur als Vorwort. Nun zum "Verriss".
Satinavian hat geschrieben:
Es fängt mit dem etwas unmotivierten Thorwalerüberfall an. Ich habe nichts gegen plündernde Thorwaler als Gegner, aber als Mittel, zielgerichtet jemanden zu besiegen, sind sie eine furchtbar schlechte Wahl.
Der Überfall ist nicht unmotiviert, sondern der letzte fatalistische Versuch der verzweifelten Hexe. Wenn man das ganze in der Steigerung der Mordversuche begreift, dann ist der Angriff tatsächlich "übertrieben", eben weil vorher alles andere nicht geklappt hat. Auch das spätere Verhalten der Hexe den Helden gegenüber spiegelt die kompromisslose Haltung der Hexe wider, ihren Schwur Koste es was es wolle zu Ende zu bringen. (Regeltechnisch gibt man ihr zusätzlich einen hohen Rachsucht-Wert). Um schlimmeres zu verhindern verursacht sie schlimmes. Nachdem Heimlichkeit und Meuchelei nicht funktioniert hat, versucht sie es mit brutaler Gewalt. Die Wahl ist tatsächlich "furchtbar", aber nicht unlogisch oder unpassend.
Zusätzlich finde ich den Thorwalerangriff mit dem Solidirid einen sehr spannenden und kreativen Einstieg für ein AB im Lieblichen Feld, den man so sicher nicht erwartet hat!
Satinavian hat geschrieben:
Die Detektivgeschichte auf der Burg ist auch unschön. Eigentlich können die Chars fast nichts heraus bekommen und sie dürfen es auch nicht, weil man das Finale sonst vergessen kann.
Hier kommt das erste Mal mein Eingangsargument zum Tragen. Die Detektivgeschichte ist dem Meister überlassen, ist aber mit Denkanstößen vorhanden. Ich bspw. habe die Hinweise, wie die Hexe was zu erreichen versuchte genutzt um die Burgbesatzung mit verschiedenen unfreiwilligen "Mittäterschaften" auszustatten, das konnten meine Helden dann ermitteln. Da es hier auch darum geht, die falsche Spur auf die Hexe zu lenken, was durchaus auch glaubhaft ist, WEIL sie ja tatsächlich hinter den Angriffen steckt, können die Helden ganz im Gegenteil sehr viel herausfinden. Das sie das für die falsche Seite tun, ist genau der Clou der Geschichte und alles andere als plotsprengend. Da die Übeltäterin jedoch NICHTS getan hat, was irgendwer oder irgendwie nachweisbar wäre, ist es auch nicht Meisterwillkür, wenn man nichts über sie rausfinden kann.
Satinavian hat geschrieben:
Die Hexenjagd ist auch nicht wirklich gut. Eine halbwegs kompetente Gruppe kann die Hexe gefangennehmen und verhören. So manche Gruppe wird stattdessen auch einen diplomatischen Ansatz nutzen.
Es wird durchaus darauf eingegangen, dass die Hexe keine diplomatische Lösung zulassen wird (sie hält die Helden für Handlanger des Bösen, was in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihren letzten Versuch "zufällig" vereitelt haben auch gar nicht so unsinnig anzunehmen ist). Es ist aber richtig, dass hier ein wenig knapp davon ausgegangen wird, dass sie Erfolg hat. Bei uns hat es geklappt, ich denke ich musste auch nichts gängeln, die Falle hast du selbst ja als überzeugend bewertet.
Satinavian hat geschrieben:
Das Finale ist das Schlimmste. Da bleiben solche unangenehmen offenen Fragen, z.B. aus welchem Grunde die Höflinge den Einflüsterungen des Dämons erliegen sollen, aber die Helden nicht. Wenn der Dämon so überzeugend ist, sollten auch die Helden entsprechend geprüft werden und ggf. auf der falschen Seite stehen bzw. umgekehrt. Dann sind die Höflinge, wie sie angegeben sind, keine Bedrohung. Ist der Kampf zu Ende, so haben die Helden vermutlich gerade eine ganze Reihe Niederadliger oder sonstiger Personen hohen SOs getötet oder schwer verwundet. Dazu auch noch Unschuldige. Aber da kräht natürlich kein Hahn danach, weil diese ja nur Nebenrollen hatten.
Im AB steht eindeutig, dass das Gesinde das Gros der Gesellschaft darstellt und die haben durchaus Grund zum Zweifeln (sogar merh als die Helden), weil sie das ganze Unheil direkt betrifft, Verwandte, Freunde, Bekannte sterben (zu Hauf!) vor ihren Augen, die Herrschaft (Baron) und die Kirche (Geweihter) und dadurch auch die Götter scheinen machtlos. Ich finde das demnach nicht unglaubwürdig, die Helden zweifeln ja auch, sie können sogar, mit Würfelpech, auf der falschen Seite landen. Die Ausgangslage der NSCs ist nur eine schlechtere.
Der Hinweis mit dem Gemetzel unter Adligen liegt in der verwirrenden Bezeichnung "Höflinge", die das AB wählt. Wie gesagt, sind nur "einige Gäste aus Terubis" anwesend, der Rest ist Gesinde und Wachmannschaft. Kein Adligengemetzel. Außerdem sollen die Helden die nicht alleine töten, sondern alle greifen sich gegenseitig an, ein großer (größerer) Teil der Anwesenden steht gegen die Namenlosen. Dass die Höflinge keine Bedrohung sind, ist kein Argument. Der Dämon ist die Bedrohung und diese ist durchaus groß genug!
Insgesamt ist der Endkampf wenn man ein Händchen beweist einer der spannenderen in der Vergangenheit, weil man zuvor aufgebaute NSCs gegen die Helden hetzen kann und so das Thema des ABs verdeutlichen kann: Wer sich mit dem Namenlosen anlegt, macht sich unweigerlich die Hände schmutzig!
Satinavian hat geschrieben:
Am Ende meuchelt dann der Geweihte Baron seine geliebte Frau. Warum ? Wenn er vor dem Festmahl nichts bemerkt hat, dann kann er sich danach der Situation erst recht nicht sicher sein. Dazu kommt, dass die Bedrohung erstens schon besiegt ist und zweitens selbst, wenn da noch Zweifel herrschten, ein halbwegs kompetenter Exorzist mit Sicherheit die bessere Alternative abgibt.
Andere würden sagen, dass der Baron keine Ahnung von Dämonologie und Exorzisten hat und das es perfekte Tragik ist, dass er sogar selbst für die Götter seine Frau töten muss, zum Wohle aller, aber das ist dann wohl geschmackssache. Bei uns hat ein Held die Baronin erlöst, vielleicht sogar eine bessere Lösung, weil interaktiver, aber die Logik war die gleiche.
Satinavian hat geschrieben:
Kommen wir nun zur Haupthandlung. Ein neuer eingeführter Dämon ? Na gut. War der überhaupt notwendig ? Eher nicht. Auch bereits vorhandene Gestaltwandlungsdämonen benötigen zum Teil zumindest am Anfang echte Gastkörper. Sind wenigstens gute Regeln zu diesem Dämon mit eingeführt worden ? Nein, der Dämon ist reines Plotelement. Der namenlose Geweihte, der unbedingt diesen neuen Dämon ausprobieren will, und sein perfider Plan sind arg gestellt. Das liest sich als "ich will die besessenes unheimliches Kind und die verdorbenes ungeborenes Leben Story kombinieren und brauche einen Plot dafür". Dämonische Kinder sind ja ganz nett, aber keine besonders originelle Idee. Der andere Teil, vor der Geburt schon verflucht, hat mir noch nie gefallen und nach Aventurien paßt es mMn auch nicht.
Wer sich genauer mit der Geschichte des Namenlosen in Abenteuern befasst hat, weiß, dass diese Idee keineswegs völlig neu ist und demnach zumindest von Seiten der Redaktion als nach Aventurien passend angesehen wird. Die Kreativität dabei ist mMn dem Gedanken in anderer Form mehr Substanz zu geben. Die Dämonensache ist wohl wieder Geschmackssache, man hätte jemand anderen nehmen können, aber dann hätte man die Bedrohung eben nicht so wie im AB von unschuldiger Stelle losschlagen lassen können. Wenn man eine Geschichte erzählen will, soll man sich durchaus auch der Freiheit bedienen dürfen, dafür neues zu erfinden.
Satinavian hat geschrieben:
Dann ist die Geschichte voll von Railroading, zumindest, wenn man halbwegs nach Buch spielen will. Auf die Fähigkeiten von SC-Geweihten oder entsprechend vorgebildeten Magiebegabten wird nicht eingegangen, obwohl diese an vielen Stellen den Plot sprengen könnten.
Dem kann ich nicht zustimmen. Im Anhang stehen die Fähigkeiten des Dämons (der ist ja der einzige, dessen Entlarvung wirklich den Plot sprengen könnte,oder ?) Er hat durchaus Mittel sich gegen magische UND Klerikale Entdeckung zu schützen, das wird auch gesagt, was man sich in anbetracht meiner eingangs erwähnten Einschränkungen da mehr wünschen kann, weiß ich nicht. Bei anderen Sachen muss man auch bei anderen Abenteuern improvisieren.
Satinavian hat geschrieben:
Jetzt kommen die guten Seiten :
Der Hinterhalt in der Höhle ist gut. So sollten NSCs vorgehen.
Keine einzelne Schwäche ist so gravierend, dass man sie nicht ausbügeln kann.
Insgesamt habe ich somit ein Abenteuer, dass fast vollständig geändert werden müßte, und am Ende eine wenig originelle Horrorgeschichte ergibt, die den Eindruck erweckt, aus irgendeinem Film geklaut worden zu sein. Das ist mir die Sache einfach nicht wert. Man kann ja einige Ideen noch woanders verwenden, aber das Abenteuer selbst werde ich in Zukunft ganz sicher nicht leiten.
Zu meinem Fazit: Man muss einiges vertiefen, das ist richtig. Überarbeiten im Sinne von "ändern" MUSS man mMn aber nichts. DIe Arbeit die man mit dem AB hat, ist mMn zumindest zu einem Großteil der mehrfach erwähnten Platzmangelsituation geschuldet und ist in meinen Augen die Mühe wert.
Interessanterweise hast du die einzige Sache die ich unschön fand und deshalb verändert habe NICHT angesprochen: Der Hundeangriff auf der Jagd, der mMn so kurz vor dem Ende 1. viel zu hart ist 2. einen in Schwierigkeiten bringt, wenn die Helden (zurecht) versuchen, den Geweihten zu retten.
Das Abenteuer ist keineswegs perfekt, hat aber so viele gute Ideen und bringt das Motiv der ganzen Story immer wieder so schön rüber, dass man darüber (fast) ganz wegsehen kann. Ich gebe 4 Punkte und würde mich über eine ausgearbeitete Version freuen, der ich sicher mehr Punkte geben könnte!