Habe den Roman gestern beendet. Zu Anfang muss ich vorausschicken: ich finde sinnvoll, darüber nachzudenken, was mit einem Text beabsichtigt sein könnte und ihn auch nur in dieser Funktion zu besprechen. Besprechungen mit der Kernaussage "ich hätte lieber ein anderes Buch gelesen" sind für andere Interessierte nicht sehr hilfreich, sinnvoller ist die Frage: Was will der Text und wie gut gelingt ihm das?
Ich bin zu der Vermutung gekommen, dass "Das Ferdoker Pergament" ein
Jugendbuch sein will. Einige meiner zahlreichen Kritikpunkte lassen sich dadurch teilweise erklären. Damit bin ich zugleich vermutlich nicht die geeigneteste Person, es zu besprechen: weder bin ich jung, noch halte ich etwas von der Kategorie Jugendbuch. Mir versichern immer wieder Profis aus der Buchbranche, dass diese Kategorie ihren guten Sinn hat, aber bisher bin ich nicht überzeugt. Ich habe als Unterhaltungsliteratur auch als Jugendlicher lieber Bücher gelesen, die Erwachsene mit (vornehmlich) Erwachsenen vor Augen geschrieben haben. Auch als Tie-In zum Computerspiel kann ich es nicht bewerten, weil ich das Spiel nicht kenne. Allerdings sollte ein Roman auch für sich genommen verständlich und spannend sein.
Mit dieser Vorrede zu meinem...
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Kurzfazit: Dröge geschriebene dröge Geschichte um dröge Figuren, das nur durch handwerkliche Mindeststandards und die schöne Aufmachung von der schlechtesten Wertung gerettet wird - 2/5 Punkten.
Aufmachung: (Sonderwertung
) Das Buch ist größer, dicker und stabiler aufgemacht als andere DSA-Bücher aus der FanPro Zeit, ohne dass durch große Schriftart oder oder Durchschuss geschummelt würde. Der Satzspiegel ist mir persönlich ein wenig zu breit. Dagegen gibt es einen Abdruck des titelgebenden Pergaments, ein Glossar, mehrere Farbkarten und Farb-Porträts einiger Charaktere in der Buchmitte. Ohne mich daran aufzuhängen, inwiefern die meinen Geschmack treffen, finde ich diesen Aufwand lobenswert und eine positive Abgrenzung zur üblichen, sehr kleinen, s/w-Aventurienkarte.
5/5 Punkten
Handlung: Das Gegeneinander der Parteien in Havena ist ok. Dagegen sind eine magisch gestützte Mordermittlung oder eine Schatzjagd durch Aventurien, die in einem generischen Tempel einer generischen Stadt endet, keiner Innovation verdächtigt. Die Zeit- und Perspektivensprünge, die längst nicht alle ausreichend durch die Handlung motiviert werden, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese eigentlich sehr dünn ist. Einige Szenen sind ganz gut - etwa die Tauchgänge in der Unterstadt und das Finale - sie werden aber durch langatmige und eintönige Teile dazwischen zu dünn gestreut.
Dort werden dann völlig irrelevante Details über ganze Absätze gestreckt (wer wollte nicht schon immer mal wissen, warum und unter welchen Bedingungen eine Katze, die in der Szene nicht vorkommt, zurück geblieben ist? Hier ist es zu erfahren), Tatsachen wiederholt und bis ins Kleinste ausbuchstabiert.
Wenn sich die Handlung dann doch einmal entwickelt - etwa der flüchtige Gwidion gefunden und durch einen Zauber gelähmt wird - ist das nicht durch die vorherige Handlung motiviert.
Insgesamt kann die Handlung also eher nur das Mindestziel erfüllen, nicht völlig ohne roten Faden oder Logik zu bleiben.
2/5 Punkten
Figuren: Gwidion, Turgol sind ganz sympathisch, aber die Offenbarung ihrer Fähigkeiten macht sie einfach nur mächtiger, nicht interessanter. Nur Swanja und Xerwolf machen eine halbwegs spannende Entwicklung durch, wobei seine nicht auserzählt wird. Dagegen wird einem sehr breiter Reigen von Figuren enorm viel Erzählzeit gewidmet, die entweder reine Abziehbilder sind (fast alle Diebe, Sperberling, die Bösewichter) oder so irrelevant für die Geschichte, dass man sie bequem hätte kürzen können (Tikara). Gump soll möglicherweise lustig sein, möglicherweise nervig - das wird nicht klar. 2/5 Punkten
Aventurizität: Der Fehler, der Königin den Namen ihrer Tochter beizulegen, ist mir auch aufgefallen. Ansonsten sind die Beschreibungen im großen und ganzen stimmig. Eine krasse Ausnahme bildet die wörtliche Rede, am Heftigsten der Ball zu Beginn: (Hoch)Adel, der sich duzt?! - mir ist vor Unglauben fast das Buch aus der Hand gefallen.
Die 20.-Jhdt.-Umgangssprache zieht sich dann leider durch, nicht nur bei den Havener Gassenkindern, wo sie halbwegs passt. Jetzt ist mir dieser Aspekt nicht sooo wichtig, aber es ist schon ein bisschen lustig, wenn ausgerechnet der Autor lange Jahre zu der DSA-Redaktion gehört hat, die immer wieder mit einer gewissen Abfälligkeit auf die Bedeutung einer vom Alltag abgehobenen Sprache im Spiel hingewiesen hat... Bei "Verkehrsbanause" und "Affenzahn" ist dann auch meine Schmerzgrenze überschritten. 3/5 Punkten
Sprache: Die Langatmigkeit der Handlung spiegelt sich leider auch auf sprachlicher Ebene. Aussagen werden ohne Not auf einen ganzen Absatz gestreckt und am Ende noch einmal wiederholt. Die Beschreibungen sind ok, aber auch nirgends besser. 2/5 Punkten