Von mir erhält der Roman „Der Hofmagier“ von Kathrin Ludwig und Mark Wachholz drei Punkte.
Die Bewertung fiel mir nicht leicht, und ich hätte dem Roman zu gerne einen Punkt mehr gegeben, schließlich spiegelt er die für mich interessanteste Zeit in Aventurien wider. Es sind aber zu viele Kleinigkeiten, die ich zu kritisieren habe und die das runde Bild zerstören, das einen guten, spannenden Roman mit realistisch agierenden Charakteren ausmacht.
Wo fange ich an?
Der Roman umfasst das Leben und Wirken von Gaius Cordovan Eslam Galotta am Hof von Kaiser Reto in den Jahren von 975 bis 989 BF. Wir erfahren, welche Forschungen Galotta an der weißen Akademie Schwert und Stab zu Beilunk präsentiert hat, welchen zweifelhaften Erfolg er damit an der Akademie hatte und wie er an den Garether Hof berufen wird. Auch dort nehmen seine Forschungen einen wesentlichen Teil der Handlung ein, ebenso wie seine Beziehung zu Alara Paligan. Durch Galottas Augen wird Reto charakterisiert, ebenso wie Alara, Hal, Dexter Nemrod, Helma Haffax und Answin von Rabenmund. Letztere tauchen allerdings nur am Rande auf, was vielleicht ein wenig schade jedoch auch verständlich ist, da Galotta in diesen Jahren nur wenig mit ihnen zu tun gehabt haben dürfte.
Von dem Leben am kaiserlichen Hof und den Sitten der Höflinge erfahren wir nur wenig, da Galotta sich wenig unter sie mischte, sondern sich vornehmlich um seine Studien kümmerte. Als ich las, was eigentlich der Inhalt seiner Studien war, musste ich doch sehr schlucken. Von einer Spektabilität der weißen Akademie zu Elenvina hätte ich bei Weitem etwas anderes erwartet, als Forschungen mit Elfen, und ich war dich sehr überrascht, dass nicht irgendwann mal die Inquisition an Galottas Tür klopfte.
So weit so gut. Dich gehen wir nun ins Detail.
Meisterinformationen zu: "": Galottas magische Studien mit Schmetterlingen sind schon von der Weißen Gilde auf das schärfste verurteilt worden, und sie standen ganz am Anfang seiner Laufbahn. Seine Forschungen mit den vier Elfenkindern empfinde ich als stark überzogen und nicht glaubwürdig. Galotta schwingt sich in seinen Thesen zu Gedankengängen auf, die weder von der Praios-Kirche noch der Weißen Gilde geschätzt werden dürften. Ich glaube schlichtweg nicht, dass er am Kaiserhof, an dem tagtäglich die verschiedensten Menschen ein und aus gehen, solche Forschungen hätte anstellen können, ohne dass der Bund des weißen Pentagramms davon Kenntnis erhalten hätte.
Was die Darstellung der Elfen angeht – nun ja, aus sehr schön dargestellt empfinde ich ihre Andersartigkeit, ihre Wildheit und ihren Freiheitsdrang. Als misslungen empfinde ich das Kapitel, in dem Galotta eine Art Seelenbund mit ihnen eingeht (S. 150-169). Die Elfen werden mir einfach zu dümmlich geschildert und ihre Art zu sprechen zu überzogen. Zudem frage ich mich noch immer, was das für ein Zauber sein soll, mit dem Galotta die Elfen an sich gebunden hat – ein Salasandra, Unitatio, Sippenlied…. Ich weiß es nicht.
Schaue ich mir die Charakterisierung der einzelnen Personen an, muss ich sagen, dass einige sehr gut (Haffax, Nemrod, Answin, Alara) gelungen sind, manche weniger.
Kaiser Reto ist mir viel zu übertrieben raubeinig und mit seltsamen Ambitionen dargestellt. Einerseits fordert er Galotta zu einem Probekampf auf, andererseits weist er häusliche Talente auf. Ein Kaiser, der in einer Hütte im Wald einen gut schmeckenden Eintopf kocht (S. 54-66) …. Naja. Wo hätte er das denn bitte lernen sollen? Während eines Kriegszuges hätte er mit Sicherheit neben dem Kommandieren seiner Truppen nicht die Zeit gehabt, um sich in die Feldküche zu stellen und am Kaiserhof wäre es ein Skandal gewesen, wenn die Höflinge sehen, wie ihr Kaiser mit der Küchenschürze durch die Gänge eilt. Gegenüber Hal ist Reto mehr als grob und einschüchternd, so dass sein Thronfolger in seiner Gegenwart kaum einen Ton aus sich heraus bekommt.
Hal erscheint mir daher mehr als schüchtern, verschreckt und unsicher zu sein und versucht sich regelmäßig seinem Vater zu entziehen. Interessant ist Alaras Stellung zu Hal. Einmal erfährt man von ihr: „… Sie musste an Hal denken. Ihm erging es nicht viel anders als ihr. Zunächst hatte sie ihn verachtet, aber je länger sie ihren Gatten kannte, desto mehr schwand die Verachtung. Sie wusste, dass sie niemals eine Freundin des zukünftigen Kaisers werden würde, dazu hatten sie zu wenig Verständnis füreinander, aber Alara begann Hal zu respektieren – und ein wenig zu beneiden. Mit welcher Selbstverständlichkeit er sich dem Zugriff seines grausamen Vaters entzog, war erstaunlich. Solange Hal seine Phantasie besaß und in Gedankenwelten flüchten konnte, war er frei… “ (S. 187). Diese Charakterisierung der Beziehung von Hal und Alara unterscheidet sich maßgeblich von der, wie sie zum Beispiel bei Michelle Schwefel gemalt wird.
Der Gedanke, dass Brin aus der Liebesbeziehung von Alara und Galotta entstanden sein mag, erschien mir zunächst recht charmant, immerhin musste sich die junge Dame ja etwas einfallen lassen, um schwanger zu werden Die Liebesbeziehung geht mir persönlich aber viel zu weit, immerhin bezeichnen sich die beiden heimlich als Ehemann und Ehefrau (S. 206-207, 211). Tut mir Leid, das ist für mich Quatsch und passt nicht zu dem absolut nüchternen Mann, der seinen Geist und seinen Verstand über alles hält. Eine Schwäche für Alara hätte ich ihm zugebilligt, aber folgende Zeilen erscheinen mir als sehr fragwürdig: „… Jetzt war er der Ehemann der zukünftigen Kaiserin – und der Vater des Thronfolgers. Wer konnte behaupten, er habe nicht das Recht dazu? Selbst Kaiser Reto, davon war er überzeugt, hätte an seiner Stelle nicht anders entschieden und würde ihn deswegen nicht verurteilen, auch wenn er es niemals erfahren durfte….“ (S. 211). Das ist für mich Größenwahn.
Was Galotta selber angeht – er schwankt für mich zwischen versessenem Größenwahn und verliebtem, höfischen Lebemann, der teilweise ein wenig zu perfekt ist. Galotta kann bestens mit Pferden umgehen und weiß selbst ein schwer zu handhabendes Zügeln, er kann tanzen, sich auf Hofbällen bewegen und zu allem Überfluss auch noch in ein paar Monaten wilden Elfenkindern Garethi lesen und sprechen sowie höfische Sitten, Anreden und Benehmen beibringen – und das neben seinen Studien und seiner Verpflichtung dem Kaiser gegenüber.
Wenn ich ein Kapitel in dem Buch so gar nicht verstehe, so ist es das erste. Das Auftreten von Nahema Jahre vor dem eigentlichen Zeitrahmen, den der Roman umfasst, wirkt auf mich überflüssig. Möglicherweise haben die beiden Autoren damit Galottas zukünftige Macht und Bedeutung darstellen wollen, doch das empfinde ich als gestelzt. Schöner wäre es gewesen, wenn die Autoren ihren Lesern selber die Möglichkeit gelassen hätten herauszufinden, welches magische Potential und welche tragende Bedeutung Galotta am Kaiserhof innewohnt, ohne dass sie dieses durch einen der mächtigsten NSCs unter die Nase reiben
Es gibt kleine, winzige Unterschiede in den Ereignissen bzw. Handlungen, wenn man „Der Hofmagier“ hinter „Macht“ von Michelle Schwefel liest und z. B. dem Handlungsstrang der Alara Paligan und ihr Zusammentreffen mit Reto verfolgt:
Bei „Der Hofmagier“ heißt es:
„...Es kam der Monat, in dem Kaiser Reto Al´Anfa bereiste und mit einer Braut für seinen Sohn zurückkehrte.“ (S. 86). Da dieser Roman zuerst da war, haben die Autoren gewissermaßen die Geschichte geschrieben, auf die sich Michelle Schwefel in „Macht“ bezieht.
In „Macht“ erklärt Reto dem jungen Answin, dass sein
„…Bruder Storko hat sich monatelang nach einer geeigneten Gemahlin (für Hal) umgesehen. Ich schätze, er hat eine weise Wahl getroffen (…) Sieh sie dir erst einmal an. Storko schreibt, sie sei eine wahre Schönheit...“ (S. 179-180). Später heißt es dann: „… Prinz Storko, der die Braut aus Al´Anfa begleitet hatte, reichte der…“ (S. 200).
Nun stellt sich mir die Frage, ob Kaiser Reto nun nach Al´Anfa gereist ist, um Alara abzuholen, oder sein Bruder Storko?
Insgesamt kann ich den Roman sehr empfehlen, wenn man über die Zeit von Kaiser Reto, Hal und Brin ein umfassendes und differenziertes Bild haben möchte, da verschiedenste Ereignisse und Personen doch anders als z. B. bei Michelle Schwefel. Einige Aspekte sind auch gut gelungen, doch sollte man eben nicht zu kritisch sein, was einige Details angeht