Jetzt habe ich mich endlich durch alle 350 Posts durchgearbeitet, was ein Themenmix
Das ja das Travia-Thema aufgekommen ist - gerade bei der hatte ich immer so den Eindruck, dass sie mitunter die prototypischste NSC-Gottheit ist: Tsas Portfolio ist zwar ähnlich heldenuntauglich, aber äußert exotisch; wohingegen Peraine zwar sehr populär bei NSCs ist, aber als Heilgottheit auch ein Portfolio hat, das für Helden höchst relevant ist (interessanter Zusatz: In der allerersten Edition von DSA waren SC-Geweihte von Rahja, Peraine und Travia gar nicht vorgesehen - zumindest gab es für diese keine Steigerungstabellen das damals noch rudimentäre Talentsystem).
Insofern finde ich es eigentlich gar nicht so unpassend, dass gerade diese Kirche sehr konservativ und, ja, auch etwas spaßbremsig auftritt und eben nicht bei einer Modernisierung an vorderster Front dabei ist. Bei Praios wird es ja auch so angenommen, dass er kein "hipper" Gott ist - nur vermute ich, dass hier eine Rolle spielt, dass viele Spieler den Götterfürsten ohnehin nicht so recht leiden können, weil sie ihn mit dem strengen Gott des AT identifizieren, aber Travia - die nicht minder konservativ ist, halt nur mit anderem Schwerpunkt - mit ihrem liebenswerterem Bild anders wahrnehmen. Insofern fand ich Jadorans Vergleich Travia Ehe = RKK-Ehe als offizieller "Goldstandard" ganz interessant
Was Prostitution und alles, was dazu gehört, angeht... die grundsätzliche Setzung bei DSA ist, dass die Geschlechter in so ziemlich jeder Hinsicht gleich sind, wenn man mal vom Aussehen und vom Austragen des Nachwuchses absieht. Irdischen Sinn ergeben muss das nicht, da es auf Dere ja keine Evolution und damit auch keine dadurch bedingte sexuelle Selektion und auch keine Aufgabenteilung gab, sondern die Menschen fabrikfertig im 6. ZA (war doch das 6., oder?) quasi buchstäblich vom Himmel gefallen sind - aber das ist dann auch fast schon zwingende Voraussetzung angesichts des Ausmaßes, in dem sie sich ähneln.
In der realen Welt gibt es dagegen ein gewisses Ungleichgewicht beim Paarungsverhalten inklusive Geschlechtstrieb, und das bedingt dann - unter anderem - auch den Umstand, dass Prostitution nicht nur existiert, sondern auch das älteste Gewerbe der Welt ist; und trotzdem nicht wirklich als respektabel gilt... und eben auch, dass die Nachfrage vor allem von Männern generiert wird (und die irdischen Geschlechterrollen sind auch nicht nur das Resultat davon, dass Männer "mehr KK" haben). In DSA sieht das halt nicht so aus - übrigens schon seit Ewigkeiten nicht; schon in der ersten Thorwaler-Box wird für ein Freudenhaus in Thorwal-Stadt explizit beschrieben, dass dort Hobbyhuren beiderlei Geschlechts arbeiten.
Und da hat Sumaro halt recht, wenn er Löcher in die Logik von WdV piekst, die auf all das nochmal eine Schippe drauf legt - auf der einen Seite wurde die Triebhaftigkeit von (irdischen) Männern auf (aventurische) Frauen übertragen, Sex hat gar kein Stigma, auch promiskuitive Frauen werden gehighfived, Verhütung ist einfach, wirkungsvoll und schnell verfügbar... aber auf der anderen Seite gibt es immer noch einen umfangreichen Markt für Prostitution, obwohl es unter den gegebenen Umständen wirklich nur natürlich wäre, dass die Nachfrage nach (unverbindlichem) Sex auf ein vergleichbares Angebot trifft und als Konsequenz der Markt damit weitgehend geräumt wird (und weder Angebots- noch Nachfrageseite gegendert sind). Und dann kommt noch mancherorts die Rahjageweihtenschaft dazu, die weitere Dienste anbietet... Prostitution wäre hier in der Tat nur noch ein Randgeschäft, mit einem kleinen Markt für eine sehr spezialisierte Nachfrage (für supergutaussehende oder superskillige Liebhaber zum Beispiel dürfte es immer eine geben, auch wenn man dann für etwas bezahlen muss, was man sonst umsonst haben kann... nur gibt das keinen riesigen Markt her).
Hätte man hier die Setzung gemacht, dass die "Schlampen" beiderlei Geschlechts sowie das Horasreich, Aranien und Al'Anfa mit ihrer postmodernen Sexualmoral eher die Ausnahme sind, wäre es einfacher gewesen. Unter diesen Umständen hätte das auch eine gewisse Besonderheit behalten und hätte auch einen passenden Backdrop für exotischere Settings gegeben, die es auf eigene Art halten (ich erinnere mich noch, wie ich damals bei der Lektüre der Güldenland-Box neidisch auf die Jugendlichen von Era'Sumu war...).
Klar, ein Rollenspiel soll Eskapismus sein, und für Spieler kann der sich auch darin äußern, dass ihre Charaktere ingame die Sau auf eine Art rauslassen, weil sie es sich im realen Leben nicht trauen und/oder es ihnen nicht möglich ist - genügend Autoren haben es mit ihren Privat-SCs oder Lieblings-NSCs ja so gehalten. Nur wäre es jetzt kein Widerspruch in sich gewesen, wenn die Charaktere, die ja auch ansonsten mit ihrem Verhalten nicht die Norm sind, hier als reisende Helden/Abenteurer/Murderhobos/wasauchimmer eben eine Ausnahme, die sich nicht an die Regeln des Pöbels halten müssen... aber mit WdV wurde halt entgrenzte Sex-Positivität zur Norm des Settings erklärt (überhaupt habe ich hier den Eindruck, dass es so eine gewisse "Bentoisierung" von DSA gibt - wenn Judas dann auf einer der vorderen Seiten dieses Threads behauptet, man wäre auf gar keinen Zug aufgesprungen, möchte ich dazu nur anmerken "die Nachricht hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube").