Tempelgrößen in Aventurien

Von A wie Aves bis Z wie Zholvar: Alles über (mehr oder weniger) anbetungswürdige Kräfte und ihr Gefolge.
Vasall
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Tempelgrößen in Aventurien

Ungelesener Beitrag von Vasall »

Ich finde die Angaben die in den RsHs und in WdG gemacht werden liefern die nötigen Rahmenbedingungen um sich die wirtschaftsweise der Aventurischen Kirchen gut vorstellen zu können.
Ich kann verstehen, dass da kein Autor ins Detail gehen mag und statt dessen die Details den Spielgruppen überlässt. Es gibt genug Anregungen, die die mittelalterlichen Verhältnisse des Wirtschaftens der Kirchen anreißen und man kann leicht selbst vertiefen. Zur Weltensimulation kommt man in DSA mit den diversen Epochen ja ohnehin nicht.

Kirchenzehnt, Klosterwirtschaft, Spitäler, Ständepyramide, geistliches und Weltliches Recht, Ordensgelübde, Akoluthen und Laien, Opferstöcke und Erblehen, etc. immer wieder werfen die Hintergrundtexte mit diesen, dem irdischen Mittelalter entlehnten, Begriffen um sich. Der Rahmen dürfte also klar sein und wir kommen mit diesen Rahmendaten jedenfalls gut zurecht.
Ich wünsche mir zudem ehrlich gesagt kein "Handelsherr und Kiepenkerl - Teil 2" in Form von "Klosterpfründe und Kellerer", in denen das wirtschaften der Kirchen detailliert ausgebreitet wird. Wenn ich so Infos benötige und mir selbst nix stimmiges einfällt guck ich halt bei Wikipedia oder meinetwegen im Historikerwissen Kompakt, wie das lief und bau das in mein DSA ein.

Aber um dieses selbst ausdenken geht es wohl in der aktuellen Diskussion hier, oder?

Was mir dabei zu wenig Beachtung findet, ist der Umstand, dass laut Geogaphica Aventurica und Herz des Reiches die allermeisten Steuern in Form von Naturalien geleistet werden. Aventurien bildet nicht- oder proto-monetäre Gesellschaften ab und das bestimmt das Wirtschaften und Regieren in aller höchstem Maß.

Ich kann nicht beliebig Kapital akkumulieren, meine Reserven sind extrem Witterungsabhängig und ich kann Reichtum nicht beliebig transferieren, ohne das Ländereien und Dorfgemeinschaften den Besitzer wechseln.
Dem muss man Rechnung tragen und deshalb besitzen die Kirchen Klöster, die ihren Grund bewirtschaften und die lokale Distribution der geleisteten Abgaben vor Ort organisieren, so dass diese verarbeitet und verbraucht werden bevor sie verrotten.

Vor dem Hintergrund muss bereits lange im Vorfeld geplant werden wer wann welche Art von Zehntabgaben zu leisten hat. Das muss also von zentraler, übergeordneter Position mit Einblick in die lokalen Wirtschaftsketten erfolgen. Die Flexibilität, dass ein Geselle die drei frischen Paar Schuhe zu der Kirche bringt, die ihm gerade sympathischer ist funktionier daher kaum.
Die Tempel und Klöster brauchen Planungssicherheit, das wurde oben auch schon angeführt. Und ganz sicher findet sich seit bestimmt tausend Jahren im Magistrat oder Kirchenrat einer jeden Aventurischen Stadt ein Schlüssel der detailliert vermerkt welcher Tempel und welches Kloster von welchem Stadtviertel die Einkünfte bezieht.

Auch das ist nicht so detailliert im Hintergrund aufgedröselt, stellt aber ein wirtschaftliche Notwendigkeit dar.

EDIT: Doch in der Tabelle "Was erledige ich wo" in IHdM, in der die Zuständigkeiten in Gareth aufgeführt sind, findet sich unter "Kirchenzehnt leisten" die Angabe: "Für die Nachbarschaft zuständiger Tempel"

Das heißt, zumindest in Gareth ist es wohl wie im irdischen Mittelalter: Die Stadt ist in Viertel und Nachbarschaften unterteilt und für diese Bereiche werden Zuständigkeiten verordnet. Sei es für Feuerwache, Steuereinnahmen, Tempelzehnt oder Wehrdienst. Macht Sinn.

Andwari
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Tempelgrößen in Aventurien

Ungelesener Beitrag von Andwari »

@Vasall
Bei "zuständigen Tempeln" und Stadtvierteln ist allerdings ein wesentlicher Unterschied zum irdischen Mittelalter zu beachten - und es macht mMn einen wesentlichen Reiz des aventurischen Settings aus, dass das so ist: Die zwölf zwölfgöttlichen Teilkirchen sind für unterschiedliche Themen zuständig und nur mehrere davon decken alles halbwegs ab. Sie hören nicht alle auf denselben Bischof, der für jeden Priester der Vorgesetzte ist, der Borongeweihte macht quasi nie dieselbe Zeremonie wie der Ingerimmgeweihte und keiner davon kann und soll wirklich alles tun, weil er nicht für einen allumfassenden Gott sprechen soll.

Die Diversität und Unzulänglichkeit der aufeinander angewiesenen Teilkirchen ist für mich im Spiel deutlich wichtiger als der Tempelfinanzausgleichsschemata. Anders als Gareth sind selbst die meisten Städte auch so klein, dass sich die Frage nach Tempelauswahl in der Stadt selbst beschränkt - und für die Mehrheit der Aventurier sind die Tempel einiger Götter weit weit weg, denn die übernächste Baronie oder nicht-nächste Stadt ist nun mal außerhalb des "normalen" Erlebens. Für einzelne Baronie-Hauptorte (für die Mehrzahl der Aventurier ist dieser der soziale Bezugspunkt, nicht die Stadt des Grafen) haben wir noch weniger unterschiedliche Tempel zur Verfügung als in den Städten.

Gareth mit seinen um 10-fach bis 50-fach höherer Bevölkerung und besonderer Hauptstadtrolle sollte von jedem zwölfgöttlichen Tempel mehrere aufweisen können. Allein auf Stadtgebiet leben so viele Leute wie in äußeren Reichsprovinzen und allein in der Kaisermark noch mal so viel = wenn man da sonst auf Grafschaftsebene die Kirchenressourcen verteilt, natürlich auch hier - und hat locker so viel zu verteilen wie in ganz Albernia oder eher ganz Almada. Schon für Metropolen wie Festum, Belhanka oder Punin gilt so was nur mit starken Einschränkungen. Ich hätte kein Problem mit 20 ansehnlichen Boron-Stadtteiltempeln in Al'Anfa, aber für Firun ist halt nur ein winziges Tempelchen da und der Hesinde-Götterdienst braucht nur an hohen Feiertagen den Platz vor dem einen sehr ordentlich dimensionierten Tempel.

Dass ein Geselle statt zum Ingerimm-Tempel seiner Heimatstadt seinen Kirchenzehnt zum Ingerimm-Tempel der Nachbarsiedlung trägt, wäre tatsächlich ein außergewöhnliches Statement. Wenn er aber zum Travia-Tempel seiner Heimatstadt geht, ist das ein ganz anderes Thema und absolut durch die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen der Tempel erklärbar. Vmtl. steht gerade Nestbau, Familiengründung oder Umzug an oder wurde erfolgreich betrieben.

So lange man (wie mMn zu oft in offiziellen Darstellungen) Tempel selbst in Städten als 1-Geweihter-Betriebe mit noch einem Novizen und einem Helfer darstellt und nicht als geschäftige Götterbesänftigungsanstalten mit auch mal dutzenden Leuten, braucht man mMn nicht mit der Organisation anfangen. Ein Tempel, der für hunderte bis tausende Gläubige ein Angebot haben soll (evtl. zehntausende, wenn es ein wenig nachgefragtes Thema ist, also der eine Hesinde-Tempel der Grafschaft für 50000 leibeigene Bauern und 15000 andere), braucht deutlich mehr Personal.
In fast allen Hintergrundbeschreibungen findet sich für Tempel ein sehr ähnliches Schema: Da wird das Gebäude und sein Standort erwähnt und der eine NSC als Ansprechpartner benannt und mit ein bis drei Merkmalen bedacht. Für die Kirchenorganisation haben wir praktisch nix an Infos und arbeiten mit irgendwo verstreuten Halbsätzen aus verschiedenen RSHs usw.

Benutzer 20427 gelöscht

Tempelgrößen in Aventurien

Ungelesener Beitrag von Benutzer 20427 gelöscht »

Für ein Abenteuer-Setting finde ich diese Leerstellen eigentlich ganz hübsch.

Wenn Tempel- und Kultwirtschaften primär von der Frömmigkeit und lokalen Gegebenheiten abhängen, kann man als SL herumreisenden Charakteren auch mal problematische, verarmte etc. Tempel zeigen.
Dass diese heruntergewirtschaftet, arm, baufällig & Co sind, hat dann mit Verfehlungen der Priesterschaft, göttlichen "Strafen", akuten Lokalprojekten der dortigen Machthaber, nachlassender Frömmigkeit usw. zu tun, statt mit schlechter Haushaltsführung der Organisationen.
Hier hat man eine wahre Fundgrube an Abenteueraufhängern beziehungsweise aktuellen, interessanten Ereignissen vor Ort. Bringt mehr als wenn die Spielgruppe nur das Resümee zieht, "tja, hat die Boron-Kirche mal wieder schlecht gewirtschaftet."

Wenn Tempelfinanzierung sehr viel fragiler und abhängig von Umständen vor Ort sind, bieten sich Kulte öfter als Auftraggeber für Abenteurer an.
Liest man sich in den offiziellen Texten die Qualität und das Standing der einzelnen Tempel durch, so ist oft von Baufälligkeit, zunehmender Irrelevanz oder auch neuem Gläubigenzulauf die Rede.

Was mir nicht so behagt wäre ein statisches Netz von Tempeln, die da seit 1000 Jahren auf der Karte unauslöschlich vermerkt sind und gekonnt mit dem Etat jonglieren und sich Gelder zuschustern. Und sogar noch wie heutige Unternehmen nachhaltig wirtschaften und Businesspläne für die nächsten 10 Jahre besitzen.

In "meinem" Aventurien sind Tempel primär von der Frömmigkeit und den lokalen Geschehnissen abhängig. Ein Priester könnte in eine Stadt ziehen und einen Kult gründen, aber nach seinem Tod verschwindet dieser wieder. So ein Tempel hat auch viel mit dem Charisma seiner Führer zu tun, der Strahlkraft seiner Themen.
Mieses Personal und eine für den Kult momentan schlechte "Saison" kann so einen Kult in wenigen Jahren zum Aussterben treiben, weil die fromme Bevölkerung sich anderem zuwendet. Umgekehrt kann ein charismatischer/mächtiger Geweihter viel bewegen, und wenn gerade richtig was los ist aufgrund von lokalen Ereignissen (bei denen die Götter wohl ihre Händchen im Spiel haben) blüht er auf.

Obiges gilt natürlich nicht für die legendären, riesigen Tempel. Sondern für den ganzen Rest, den es sonst so geben mag.
Ein SL kann seiner Runde en "lebendiges" Aventurien präsentieren, wenn die wirtschaftliche und populäre Situation der Tempel sich immer mal wieder wandeln, wenn die Charaktere einen Ort eine Weile nicht besucht haben.

Fragilität im Ganzen ruft nach Helden, die sich für einen Kult einsetzen und durch Taten nach vorne bringen. Das ist spannender als wenn es nur darum ginge "der Travia-Tempel hat Probleme. Welcher Held hat den höchsten Wert in 'Haushaltsführung/Verwaltung' und führt ein Briefing der Geweihten durch, wie man den Tempel-Etat besser kalkuliert?"

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Na'rat
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Ungelesener Beitrag von Na'rat »

Andwari hat geschrieben: 14.05.2018 10:36 Die Diversität und Unzulänglichkeit der aufeinander angewiesenen Teilkirchen ist für mich im Spiel deutlich wichtiger als der Tempelfinanzausgleichsschemata.
Stellt ja keiner in Abrede, dass kann man im Einzelfall immer ausdisktuieren, wenn die Gläubigen grundsätzlich mal die Steuern hinterziehen, wenn der örtliche Steuereintreiber in die eigene Tasche wirtschaftet (da genau dies mit der Praioskirche nicht geschied bietet diese sich in erster Linie an), wenn der örtliche Tempelvorsteher das Geld anderweitig investiert, dessen Kirche gerade ganz andere Prioritäten hat usw.

Letztendlich gilt, auch Freiwilligkeit muss organisiert werden. Das die Leute so fromm sind, dass sie freiwillig Geld, Naturalien und Arbeitskraft abliefern halte ich, zumal in Aventurien, für völlig abwegig.

Zumal, um den Bogen zum Thema zu schlagen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Tempels und damit die Anzahl an Personen welche dieser tragen kann gänzlich den Zufall überlässt.

Vasall
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Ungelesener Beitrag von Vasall »

@Andwari
Dem Umstand der Problematischen Zuordnung wird meiner Meinung entsprochen, in dem in Städten ja stets Viertel nach Gewerk und Anwohnern sortiert sind. So steht der Efferdtempel im Fischerviertel, der Phextempel bildet zugleich die Markthalle und der Ingerimstempel steht bei Schmiedeviertel und Schwertfegergasse, etc.

Wir reden ja immernoch von Stadtgemeinschaften und so wie sich die Fischer drauf verlassen können, dass das Schmiedeviertel Südtor, Luginsland und Südmauer sichern können sich die Schmiede drauf verlassen, dass sich die Fischer um Erhalt ihres Efferdtempel kümmern. Jeder trägt eben seinen Anteil bei, das heißt aber nicht, dass die Schmiede nicht auch ganz normal den Efferdtempel nutzen würden, oder ihm auch Mal ein neues Dach spendieren würden.

@tarendor
Lass Dich nicht von meinen Tausend Jahren beirren. 😀
Auch ich mache das Schicksal einer Dorfgemeinschaft und ihrem Tempel natürlich auch von meinen Abenteuerplänen und den Umständen vor Ort abhängig.

Und gerade, wenn ich mir die Umstände der Naturalwirtschaft vor Augen führe, fallen mir zahlreiche ungewöhnliche Situationen ein weshalb ein Tempel gerade auf die Hilfe der Helden angewiesen sein könnte. Gerade diese Wirtschaftsweise transportiert die Fragilität, die Du Dir wünscht, aber eben nicht ohne auch Strategien zu bieten mit den Schwierigkeiten klar zu kommen. Handlungsfähige NSCs mit eigenen Plänen machen für mich die Spielwelt lebendiger.
Und ich freue mich über jede Möglichkeit die NSCs in ein Beziehungsgeflecht einzubinden, das ihre Handlungen lenkt, ohne dass ich mir viel Gedanken machen muss über ihre individuelle Motivation dies und jenes zu tun.

Kurzum: die Gedanken zur Kirchenlandschaft helfen mir eine lebendige Spielwelt zu schaffen, eben weil das Kirchenleben den Alltag in Stadt und Land so durchdringt.

- 1% Kleriker Anteil, davon 25% Geweihte , und zusätzlich Familiäre
- Klosterwirtschaft und Laienorden
- Naturalabgaben

Wenn ich mir das kurz bei der Abenteuerplanung durch den Kopf gehen lasse, kann ich recht schnell Kirchen und Klöster in Beziehung setzen und für die Helden erlebbar machen. 😃

Und ich muss mich i.d.R. nicht auf 1 Dorf, 1 Tempel, 1 Geweihter beschränken, wie ich es spontan lediglich aus der RSH ziehen könnte.
So ging's mir jetzt zumindest beim letzten Spielabend, als ich mir die Erkentnisse aus dem Thema hier mal zu Herzen genommen und in die Praxis umgesetzt habe.
Mit wenigen Überlegungen und Notizen hatte ich gleich eine ganze Palette an Szenen und Anspielmöglichkeiten für die Helden. Die Kirchen sind eben präsent. :)

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