Das Abenteuer ist alles in allem gelungen, vor allem, wenn man bedenkt, dass es ein Geschenk war.
Eine vollständige Bewertung gebe ich erst ab, wenn wir es fertig gespielt haben, was vermutlich morgen der Fall sein wird. Im Moment tendiere ich aber zu 4 Punkten, weil allzu viel nicht daran auszusetzen war.
Fest steht aber:
Meisterinformationen: Untote Kühe sind harte Brocken, unsichtbare Gotongis peppen jeden Kampf auf und nostrianische Lanzenreiter sind mit eher bescheidenem Talent ausgestattet
Inhalt ergänzt am 21.05.2012 14:45
So, durchgespielt! Kurze Rezension: Ein gutes Abenteuer, unterhaltsam, stimmungsvoll und handwerklich nicht übel, aber mit ein paar Schönheitsfehlern.
Warnung: Lang, voller Spoiler und vermutlich nur verständlich, wenn man das Abenteuer gelesen hat!
Lange Rezension:
Das Abenteuer hat Stärken und Schwächen, ist aber insgesamt für zwei sehr spaßige Abende verantwortlich gewesen. Nachdem ich es durchgelesen hatte, hatte ich sofort Lust, es zu leiten, und bereut habe ich das nicht- auch wenn unterwegs einige Dinge weniger rund waren, als sie es auf den ersten Blick schienen. Für künftige Meister werde ich einfach mal hier niederschreiben, was mir positiv/negativ aufgefallen ist. Ich nehme dabei keine Rücksicht darauf, dass es ein kostenloses Abenteuer war- konstruktive Kritik sollte auch bei Geschenken nicht verboten sein.
Der Ablauf:
Ich habe das Abenteuer mit fünf Spielern geleitet: einer Honinger Peraine-Geweihten, einem Andergaster Kampfmagier albernischer Abstammung, einem Winhaller Krieger, einem Balihoer Krieger und einem Leibmagus aus Al’Anfa. Die Mischung hat sich als erstaunlich gut erwiesen, denn sowohl Kampfkraft als auch magisches Wissen waren vonnöten. Insgesamt war unsere Runde eher „lawful good“ ausgerichtet, sogar der Schwarzmagier war ziemlich weiß drauf.
Unser Abenteuer begann in Nostria mit den Festlichkeiten, die im Buch zwar angedeutet werden, aber noch viele eigene Ideen erforderten, um wirklich spaßig zu werden. Beschrieben ist nur der Hochzeitsumzug und das grobe Flair des Festes, aber einzelne Szenen musste ich improvisieren. So gab es bei mir einen Bierwettbewerb, bei dem 8 Brauer darum konkurrierten, das Bier für den Bieranstich am Hochzeitstag stellen zu dürfen. Außerdem gab es noch einen Armdrücken-Wettbewerb, einen folkloristischen Tanz und ein Ritual, bei dem nachts kleine Holzschiffchen mit brennendem Zunder den Tommel hinab fahren gelassen wurden. Alles in allem ein großer Spaß für die Helden.
Auch das Turnier war dank unserer beiden Krieger sehr spannend. Die Informationen im Buch waren zwar gut, aber erforderten wieder noch einiges an Ausarbeitung. So fehlen zB Angaben über die Qualität und Ausbildung der Pferde der Tjoster (und die machen extrem viel aus), außerdem sind die Werte der meisten NSCs unrealistisch niedrig. Ich verstehe, dass man Anfängerhelden eine Chance geben will, aber mit MU11 KO 11 KK11 sollte sich niemand in einen Tjost trauen. Außerdem fehlt die Angabe des Reiten-Talentwerts, und der macht beim Tjosten mehr aus als der Lanzenangriff! Schön waren die vielen Beinamen der Streiter, das machte es einfach, kleine Geschichten um sie herum zu weben (z.B. Zornhag der Säufer, der bei uns seinem Namen alle Ehre machte, oder die Geschichte um Berno von Spyr, der im Finale angeblich absichtlich verlieren will)
Auch die Auktion war amüsant. Schön, dass die Waren im Buch standen, sich das alles auszudenken wäre müßig gewesen. Viel haben die Helden in meiner Runde allerdings davon nicht gekauft.
Dann ging das eigentliche Abenteuer los. Die Beschreibungstexte für die Reise gefielen mir gut. Die merkwürdigen Reaktionen der Tiere entgingen den Helden nicht, und der Kampf mit den Wölfen war spannend. Ein Highlight war die Begegnung mit Wulfric dem Brückenwächter. Solche Szenen kommen in Abenteuern viel zu selten vor, finde ich, und sein Holzschnitz-Hobby hat ihn sofort sympathisch gemacht. Meine Helden haben ihm alles Mögliche abgekauft und waren dementsprechend schockiert, ihn später verwundet vorzufinden.
Dann kamen die untoten Kühe. Das Entdecken derselben in der gewittrigen Nacht war sehr stimmungsvoll, und die Grundstimmung von Angst blieb gut erhalten. Auch der Kampf im blitzdurchzuckten Regen war spannend. ABER: 3 untote Kühe sind ein ganz schöner Brocken. Sie haben zwar wenig Schaden angerichtet, weil sie auf Distanz gehalten werden konnten, aber 60 LeP und RS 5 sind schwer zu knacken. Dumm ist nur, dass im dazu gehörigen „Zu schwer?“ Kasten nur Infos dazu stehen, wie man Al-Nassads Enttarnung bzw. das Nicht-Bemerken der Kühe verhindern kann, nicht wie man den Kampf einfacher gestaltet. Am Ende waren meine Helden so geschlaucht, dass es für die Verfolgung Al-Nassads erstmal nicht reichte.
Erst am nächsten Morgen brachen sie auf, fanden Wulfric und schließlich die Hütte. Der Balihoer Krieger konnte die nostrischen Söldner vom Aufgeben überzeugen. Abul Abas wie vom Abenteuer vorgesehen da herauszubekommen war schwerer, nur ein sehr stimmungsvoller Auftritt von Cha’Muyan verhalf ihm zur Flucht. Schließlich fanden die Helden Yussuf und Dschadir sowie das Alicorn. Auch der Auftritt der Waldtiere war schön und führte zum Vergraben des Horns.
Soweit der erste Spieltag, der von 13-1 Uhr dauerte. Das Turnier kostete echt viel Zeit.
Am zweiten Spieltag ging es in Salza weiter, wo nach einigem Wundenlecken erst das Salzarelenwettessen auf dem Plan stand. Hier habe ich die Setzung ignoriert, dass im Zweifel ein NSC mit 27 Punkten gewinnt- gegen einen Selbstbeherrschungs-TaW von 8, bei dem bei 3 erschwerten Proben alles übrig bleibt, kommt kein Anfängerheld an. Und ein Erfolgserlebnis war mal wieder nötig.
Dann fanden die Helden den verletzten Gallo in Salzahaven, der in meiner Version weniger übel zugerichtet war (dazu später mehr). Sie eilten zurück und Grotho zur Hilfe. Von diesem Punkt an entglitt unser Abend dem geschriebenen Abenteuer. Unsere Helden waren ziemlich beleidigt darüber, dass Gallo einfach das Horn wieder ausgegraben hat, ohne davon etwas zu erzählen, und sie damit alle in Lebensgefahr brachte. Diese negative Grundstimmung ging nicht mehr wirklich weg.
Natürlich machten sie sich aber zunächst auf die Suche nach der Papiermühle. Die ganze Sache mit Zibbels Alrik habe ich weggelassen (auch dazu später mehr), sodass sie direkt die richtige Mühle fanden. Hier stand im Abenteuer keine Idee, wie die Helden die Gänse umgehen sollen, die ja eigentlich formidable Wachhunde abgeben. Sie fanden aber Al-Nassads Unterschlupf und auch seinen Brief.
Zurück in Grothos Kontor wuchs der Unmut darüber, dass Gallo sie in solche Lebensgefahr gebracht hat. Das verdarb schließlich den „Highlight-Kampf“ des Abenteuers, der laut Abenteuer „cinematisch“ werden sollte. Hätte er auch sein können- aber meine Helden sahen gar nicht ein, sich nach draußen in die Dunkelheit zu einem Dämon zu begeben, der etwas haben wollte, was sie eigentlich längst beerdigt hatten. So verlagerte sich der Kampf in Gallos Krankenzimmer und wurde immerhin noch einigermaßen spannend.
Daraufhin gingen die Helden sofort los, holten den Alchimisten Fettmilch aus dem Bett und verlangten von ihm Auskünfte, die er leider nicht hatte. Also zogen sie weiter zur Papiermühle. Von hier an habe ich improvisiert- ich ließ sie dort auf Abul Abas allein treffen, der sich dann als Paktierer entpuppte. Es gab einen heftigen Kampf voller Ignifaxii, in den schließlich auch der zurückgekehrte Al-Nassad auf Seiten der Helden eingriff.
Die Helden und Al-Nassad konnten ihre Missverständnisse klären, allerdings bestanden sie darauf, dass er sich für seine Taten stellt. Ich habe es in meiner Runde so gehalten, dass nur die untoten Kühe auf sein Konto gingen, nicht aber die folternden Heshtotim (die gingen auf Abas‘ Konto). Andernfalls hätten die Helden ihn wohl gleich gelyncht. So aber ließen sie ihn zu Grotho vor. Als er sich gestellt hatte und im Kerker saß, bekam er einen Teil des Alicorns (auch dazu etwas mehr) und braute mit den Helden zusammen den Trank, der Yussuf weckte. Dank der Fürsprache der Helden und der Tatsache, dass niemand durch seine Taten gestorben war und alle Opfer (die Bauern, die Helden, Grotho, Gallo) sich für ihn aussprachen, kam er schließlich mit einer saftigen Zahlung an die nostrische Krone und einem permanenten Landesverweis davon.
Das war der zweite Spieltag von 19-1 Uhr.
Kritik:
Soweit, so gut. Es war insgesamt ein schönes Abenteuer, das aber leider einige unvorhergesehene Macken hatte. So war für ein gelungenes Spielerlebnis mehr Vorbereitung nötig als erwartet, gerade für den anfänglichen Teil. Viel problematischer war aber das vorgesehene Verhalten zweier NSCs:
Gallo und
Al-Nassad.
- Gallos Idee, das Horn wieder auszugraben, stieß bei den Helden auf Unverständnis und Wut. Wegen des Horns waren Waldtiere und untote Kühe auf sie losgegangen, und später auch noch Dämonen. Zudem war es quasi eine Leiche, deren Schmerz die Waldtiere spürten, und gehörte beerdigt. Und dieser dämliche Zwerg buddelt es einfach wieder aus! Ich konnte den Unmut schon verstehen. Warum sollte man sein Leben für so einen dummen NSC riskieren?
- Wie das Abenteuer darauf kommt, Helden (besonders von Anfängern gespielte) könnten Al-Nassad nach allem, was passiert ist, nicht auf der Stelle lynchen oder ins Gefängnis werfen wollen, ist mir schleierhaft. In meiner Version hatte er immerhin „nur“ untote Kühe beschworen, um sie zu stoppen, aber planmäßig ruft er ja auch folternde Heshtotim. Folter ist etwas Grausames, wieso sollten Spieler, Helden oder gar Gallos Onkel das verzeihen? Egal, wie die Motive oder die Rechtslage sind, nur wirklich finstere Helden werden darüber hinwegsehen, was die Heshtotim Gallo antun. Auch den Selbstmord Al-Nassads fand ich irgendwie wenig förderlich für die Darstellung seines Charakters. In meiner Version stellte er sich (er hatte ja auch weniger schlimme Dinge getan) und bewies sogar bei einem Fluchtangebot Charakterstärke, was ihm Sympathien einbrachte. Wer Al-Nassad als wirklichen Nicht-So-Bösewicht haben will, muss am offiziellen Abenteuer etwas ändern.
Ein anderes Problem sind manche logischen Vorgaben des Abenteuers, die einfach so nicht passen.
- Da wäre beispielsweise die Frage, wieso die Helden einer Verwendung des Alicorns später zustimmen sollten, nachdem sie vorher vom Abenteuer (bzw. einer Horde Waldtiere) gezwungen wurden, es ein für alle Mal zu beerdigen. Oder wieso sie Grotho erlauben sollten, es an einem „sicheren Ort“ für den späteren Verkauft zu bewahren, während sie ihr Leben riskieren, um ein Problem zu lösen, dass ohne Gallos Dämlichkeit nicht existieren würde. In meiner Version benötigte Al-Nassad nur einen Teil des Horns, damit der Rest wieder beerdigt werden konnte.
- Auch verstehe ich nicht, wieso das Abenteuer davon ausgeht, die Helden würden im cinematischen Kampf zum Heshtot nach draußen in die Dunkelheit laufen oder allgemein von sich aus einen Kampf anfangen. Nach den bisherigen Erfahrungen wäre das selbstmörderisch.
Der eigentlich geplante Endkampf bereitete mir auch Magenschmerzen: Wenn Abul Abas seinen Herrn zum Kampf und damit in den Pakt treiben lassen will, wieso lässt er dann auf den Alchimisten schießen und nicht auf einen Thorwaler Söldner? Dann sähe es tatsächlich so aus, als würden die religiösen Fanatiker aka Helden Al-Nassad töten wollen. Aber so stellt sich die Frage, wieso irgendwer auf den Vermittler schießen sollte (und wieso der überhaupt dabei ist).
- Und noch ein Wort zu Zibbels Alrik: Wozu ist diese Bande gut? Ich verstehe, dass die Suche nach der Papiermühle nicht allzu einfach sein sollte, aber die ganze Episode hat mit dem eigentlichen Abenteuer rein gar nichts zu tun. Der Steckbrief ist zwar schön aufgemacht, aber wozu solche Mühe für etwas nicht Relevantes? (Ganz abgesehen davon, dass dieses pseudo-alte Deutsch nicht angenehm zu lesen ist, ingame hin oder her) Der mögliche moralische Konflikt im Umgang mit der Bande ist zwar interessant, aber wieso dreht ihnen am Ende der Junge den Säugling an? Wer gibt seinen „kleinen Bruder“ ausgerechnet in die Hände derer, die seine Eltern an den Strick gebracht haben? Allgemein verstehe ich nicht, wieso Helden sich lange mit Strauchdieben oder deren Hinrichtung abgeben sollten, wenn ihnen ein Heshtot im Nacken sitzt. Wie sehr das die Helden zeitlich unter Druck setzt, hat der Autor vielleicht unterschätzt.
Fazit:
Auch wenn die Kritik etwas harsch klingen mag, hat mir das Abenteuer doch gut gefallen. Es hat sich um vielfältige Szenen und vielschichtige Charaktere bemüht und mit den „Zu leicht/zu schwer“ Kästen nützliche Tipps parat. Gerade handwerklich ist fast nichts am Abenteuer auszusetzen. Auch die Story weiß zu gefallen, hat aber oben genannte logische Probleme, über die ein unerfahrener Meister vielleicht stolpern könnte. Wenn man aber improvisieren und seine Spieler einschätzen kann, wird aus Familienbande ein rundum gelungenes Spielerlebnis, das fernab von weltumwälzenden Ereignissen die Möglichkeit bietet, echte Helden zu spielen.
Meinen Dank dafür an Jens Ullrich und Ulisses!