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von Herr der Welt
11.07.2018 22:18
Forum: Hintergründe, Kontinente und Globulen
Thema: Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Sumaro hat geschrieben: 11.07.2018 21:46Soziales Verhalten ist ein Mythos, weil er keine zwingende Grundlage hat und sich daher aus Werten und Normen herleitet, die wandelbar und nicht zwingend sind.
Nein, "Mythen erheben einen Anspruch auf Geltung für die von ihnen behauptete Wahrheit" (Wikipedia), sie sind eine "Weise des Bedeutens" (R. Barthes: Mythen des Alltags, Paris 1957/Frankfurt a. M. 1964, S. 85), in der "‘Natur‘ und ‚Geschichte‘ ständig miteinander verwechselt werden", was zu "ideologische[m] Missbrauch" führt (ebd., S. 7). Soziales Verhalten ist kein Mythos, aber gewisse Annahmen, auf denen es fußt, sofern man als naturgemäß nimmt. Dem Begriff des Weiblichen etwa wird die Keuschheit zugeschrieben (bedeutet), nicht heute und nicht plötzlich. Es ist das Ergebnis eines geschichtlichen Prozesses. Wenn man sich das Vergegenwärtigt, dann erkennt man auch den Konstruktionscharakter. Wenn man es hingegen mit einem Naturzustand verwechselt, dann hält man es gleichsam für unabänderlich.

Wenn man also das Verhalten einer Frau, die mit sexuellen Eroberung prahlt, als ein männliches Verhalten beschreibt, dann konstruiert man das irdische Geschlechtsbild, das ja durch soziale Ungleichheit geprägt ist, mit. Wenn man hingegen sagen will, dass die Zuordnung gar nicht so sinnvoll ist, weil jeder - unabhängig von seinem Geschlecht - seine Sexualität und ihre Kommunikation leben will, wie er/sie lustig ist, dann sollte ein solches Verhalten nicht als dezidiert männlich charakterisiert werden, allenfalls als dem praktizierten Mythos von Männlichkeit folgend, den es gibt, da Menschen ein solches Verhalten als natürlich gegeben annehmen (selbst wenn man das selbst nicht tut). Somit zeigt man auf den Mythos. Die WdV-Stelle hat das in anderer Weise getan.
Sumaro hat geschrieben: 11.07.2018 21:46Dann stelle ich die Frage mal andersrum: Wenn du eine Möglichkeit hättest weibliche Gleichberechtigung in Aventurien zu demonstrieren, würdest du es als das beste Mittel betrachten, das Schulterklopfen der Damenwelt darzustellen, als ihre Freundin die maskuline Dorfmatratze flachgelegt hat? Ist das für dich ein Symbol der Gleichberechtigung, mit dem man genau den Gedanken bringt?
Zu beachten ist, dass der Abschnitt sich dem Thema Slut Shaming widmete. Insofern ist eine Darstellung, durch die vermittelt wird, dass es in der aventurischen Gesellschaft keine Ächtung aufgrund sexueller Verhaltensweisen von Frauen gibt, doch eine sehr gute Möglichkeit Alternativen zu zeigen. Anders und eleganter geht es immer irgendwie. Da sind wir aber eher bei Stilfragen.
von Herr der Welt
11.07.2018 21:34
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Thema: Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Sumaro hat geschrieben: 11.07.2018 20:45Das erscheint mir auch nur eine mögliche Definition zu sein. Demnach wäre Gleichmacherei (also Frauen sind so wie Männer mit Brüsten, Männer wie Frauen mit Penissen) die höchste Form der Gleichberechtigung.
Nein, das unterscheidet Mythos als Behauptung von Natur (eines natürlichen So-seins) von tatsächlichen natürlichen Gegebenheiten.
Es ist kein Mythos, dass Frauen und Männer unterschiedliche primäre Geschlechtsmerkmale haben. Es ist Mythos, dass Prahlerei über sexuelle Eroberungen (Subtext: naturgemäß) männlich ist ("so ist es eben"). Das ist eine wirkmächtige, sozial praktizierte Ansicht, wird dadurch aber nicht weniger mythisch. Hingegen wirkt es entmystifizierend, wenn man auf diese Zuordnung zeigt, sie umkehrt oder aufhebt.
von Herr der Welt
11.07.2018 20:21
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Sumaro hat geschrieben: 11.07.2018 19:25Die männliche Rolle ist nicht die Betrachtung aus der Brille des SC sondern die des Spielers, man schreibt den Frauen in irdisch männliches Klischee zu, um damit zu zeigen, dass sie gleichberechtigt sind.
Es geht nicht um Spieler-/SC-Perspektive. Es ist bereits Mythos, ein solches Verhalten als männlich zu deklarieren.

Das WdV-Beispiel zeigt, dass das Phänomen Prahlerei von Promiskuität in Aventurien geschlechtsunspezifisch bewertet wird. In der Geschlechterfrage geht es nur darum, denn Ausgangspunkt war dieses Zitat:
Sumaro hat geschrieben: 10.07.2018 18:18Schaue ich mir das Frauenbild in WdV an, ist dieses nicht gleichberechtigt. Es ist maskulin gestaltet. Eine Frau, die sich in ihrer Eroberung wie ein Mann gebärdet wird akzeptiert, so wie ein Kerl eben auch.
Gleichberechtigung ist dann erreicht, wenn jegliches Verhalten gleichermaßen (in-)akzeptabel ist bei Mann und Frau, egal, ob dieses Verhalten irdisch üblicherweise als männlich oder weiblich diskriminiert wird.
Die Frage, wie Promiskuität bewertet werden sollte, ist damit freilich nicht beantwortet (und darum ging es in dem WdV-Abschnitt auch nicht), geht (wenngleich ohne Zweifel interessant) aber auch in eine andere (nicht geschlechtsdiskriminierende) Richtung.

Dazu vielleicht ein schlechter Witz aus den 90er:
Ein Bauer landet mit Cindy Crawford auf einer einsamen Insel. Nach einer Weile kommt es, wie es kommen musste - und sie fragt ihn, wie es war. Er meint großartig, doch habe er noch eine Bitte: Sie solle sich wie sein bester Freund kleiden, sogar einen Schnurbart anmalen. Irritiert aber neugierig geht sie der Bitte nach. Da kommt er auf sie zu, verpasst ihr einen Stoß in die Seite und sagt: "Weiß du was? Ich hatte Sex mit Cindy Crawford!"
Der Witz funktioniert in Aventurien auch mit männlichem Schönling und Piratenbraut. Sexuelle Angeberei wird dabei aber nicht anders bewertet.
von Herr der Welt
11.07.2018 19:09
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Sumaro hat geschrieben: 11.07.2018 18:26Das ist eine mögliche Interpretation, aber meine Intention ist an dieser Stelle eine andere. Zunächst einmal bedient man sich eines männlichen Klischees, welches man eben auf weiblich reproduziert (fraglich wie viele Frauen sich dadurch repräsentiert fühlen), denn das es männlich vorbelegt ist, ist vermutlich unstrittig.
Unstrittig ist, dass es in einer bestimmten Denkweise männlich vorbelegt ist, aber sicher nicht generell - und gerade zum Durchbrechen dieser Denkweise hilft das Beispiel.
Der zugrundeliegende Topos ist der der Frau als Heilige oder Hure, der kulturgeschichtlich weit zurückreicht. Slut Shaming und das Prahlen mit sexueller Eroberung sind zwei Seiten derselben Medaille und entspringen einer gesellschaftlichen Denkweise, die das Verhalten als Norm Geschlechtern zuordnet: Männliche Promiskuität und weibliche Enthaltsamkeit werden gleichermaßen gelobt - und bedingen sich auch, denn wo es keine enthaltsame Widerständigkeit gibt, bleibt nichts zu erobern.
Eine Auflösung kann nur darin bestehen, beide Verhaltensweisen von ihrer geschlechtsspezifischen Imprägnierung zu befreien: Prahlerei sexueller Eroberungen sind nicht a priori männlich, sondern werden es erst in einem Mythos von Männlichkeit, dem gleichen Mythos, in dem Enthaltsamkeit zur weiblichen Tugend erklärt wird.
In einer Welt, in der Frauen mit ihren sexuellen Eroberungen bedenkenlos prahlen können, gibt es diesen Mythos nicht. Darin eine männliche Rolle zu sehen, heißt aus dem Mythos heraus betrachten.
von Herr der Welt
11.07.2018 09:14
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Sumaro hat geschrieben: 10.07.2018 23:58Kann jeder Nicht-käufer der Spielhilfe nachlesen, sieht man in dem Artikel zum Slutshaming, welcher von Ulisses als Leseprobe zum CF zugänglich gemacht wurde. Die Zuweisung männlich und weiblich wird dort selbst getroffen und nicht von mir vorgenommen.
Die Leseprobe leidet ein wenig darunter, dass das, was angeblich als "klassische Anbahnung" (insbesondere im Bereich "Flirten und Anbändeln") gelte, eher wie eine Rückschau auf die 50er Jahre wirkt, aber zur Veranschaulichung kann das genügen. Des Weiteren umreißt - der nächste Abschnitt ("Beschämen und Beglückwünschen") - mit "slut shaming" ein bestehendes irdisches Problem des Geschlechterverhältnisses. Dabei geht es darum, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen wird, dass es eine nicht nach Geschlechtern diskriminierende Wertung der gleichen Situation gibt. Und das macht der Abschnitt als Forderung deutlich. Betrachtet man, welche enorme Bedeutung solche Rollenvorstellungen etwa in der Adoleszenz haben, dann würde ich schon sagen, dass ein solches Bild ein anstrebenswertes Ideal, jedenfalls eine Verbesserung zu unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation darstellt.
Die Art der Anerkennung ist nebensächlich. Und dazu heißt es auch nur, "dass eine Frau selbstbewusst mit ihren erotischen Abenteuern prahlt und dafür von ihren Mitstreiterinnen wie Kameraden gleichermaßen anerkennende Blicke und Schulterklopfen erntet." Dies zu lesen als "wie ein Mann gebärden", hieße genau jenes angesprochene Problem reproduzieren, nach dem nur Männer mit Liebeseroberungen angeben dürfen, Frauen sich aber anders (nicht "männlich") gebärden müssten.
Sumaro hat geschrieben: 10.07.2018 23:58Das sehe ich anders. Zeig mir mal aventurische Heldinnen, die nicht weibliche Klischees bedienen und die nicht ausgerechnet jetzt gerade Kaiserin sind. Abseits davon ist die Luft doch ziemlich dünn. Show don't tell ist eigentlich immer eine Prämisse und nur weil man im Regelwerk was von Gleichberechtigung schreibt und gleiche Werte vergibt (was irrelevant ist), bedeutet dies nicht, dass deswegen auch etwas für Gleichberechtigung getan wird. Schaut man sich WdV jetzt konkret an, denke ich, dass es mehr Schaden in Sachen Toleranz anrichtet, als es Nutzen bringt (zumal es ja einen erzieherischen Auftrag in sich selbst zu sehen scheint).
Prinzipiell stimme ich zu, dass es wünschenswert wäre, die gesetzten Hintergründe auch in Abenteuern o.a Spielhilfen wiedererkennen zu können. Man müsste dafür sicherlich sozusagen eine Korpusanalyse durchführen, um festzustellen, wie es mit der Umsetzung aussieht; so können wir nur gefühlsmäßig beurteilen - und je nach Selbst- und Weltverständnis fallen u.U. gerade jene Brüche mit dem gesetzten Geschlechterverhältnis auf und bleiben in Erinnerung. Ungenutztes Potential gibt es gewiss. Das meiste, was die Kohärenz zwischen allgemeiner Beschreibung (in der Spielhilfe) und exemplarischer Behandlung (im Abenteuer) bricht, dürfte aus dem Unbewussten des Autors heraus geschehen, der eben zuerst einen interessanten Plot, dann die Regelumsetzung, schließlich zig andere Faktoren der Hintergrundpassung berücksichtigt, gerade die der Geschlechterverhältnisse aber möglicherweise nicht bzw. nicht losgelöst von den eigenen irdischen Vorstellungen und Erfahrungen.
von Herr der Welt
10.07.2018 20:32
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Thymian hat geschrieben: 10.07.2018 16:50Außerhalb von Gegenden wie dem Horasreich ganz bestimmt, das fängt schon im Windhag an, geht in Thorwal weiter, und jenseits der Salamandersteine erst recht. Muss nicht unbedingt die höchste KK sein, aber die Gesamtheit der körperlichen Leistungsfähigkeit ist sehr relevant.
Im Windhag regiert Cusimo von Grangor-Garlischgrötz, nicht gerade Ebenbild körperlicher Leistungsfähigkeit. In Thorwal herrscht eine Familie in der dritten Generation; auch wenn Kriegertum dort viel bedeutet, kann es nicht so entscheidend sein, wenn Namen (und Blut) mehr zählen. Die Salamandersteine sind kaum bevölkert.
Das Gesetz des Stärkeren meint auch nicht unbedingt körperliche Stärke. Genau um die geht es aber. Und die ist nicht maßgeblich für aventurische Herrschaftsstrukturen - und auch nicht für irdische.
Ansonsten Zustimmung zu BenjaminK' Beitrag.
Sumaro hat geschrieben: 10.07.2018 19:03Kriegerische Frauen kann man gerne spielen ebenso wie sensible und zärtelnde Männer, gleichberechtigt nebeneinander, aber nicht in dem man quasi die Klischees umtauscht.
Ein Rollentausch ist ein probates Mittel, um Stereotype sichtbar zu machen. Es geht aber um die Feinheiten. Einfach eine gestählte Kriegerin und einen hilfsbedürftigen Schönling gegenüberzustellen, ist sicher nicht der cleverste Einfall, aber konsequent dargestellt immerhin ein positiver Beitrag - im Gegensatz zu manchen Hollywoodfilmen, denen lediglich einfällt, den ursprünglich männlichen Cast bekannter Franchises durch einen weiblichen zu ersetzen, um diesen dann in reichlich Frauenklischees aufgehen zu lassen. Insofern ist DSA sicherlich weiter als manches Mainstream-Kulturprodukt.
Sumaro hat geschrieben: 10.07.2018 18:18Schaue ich mir das Frauenbild in WdV an, ist dieses nicht gleichberechtigt. Es ist maskulin gestaltet. Eine Frau, die sich in ihrer Eroberung wie ein Mann gebärdet wird akzeptiert, so wie ein Kerl eben auch.
Hier wäre es interessant zu erfahren, worin sich "wie ein Mann gebärden" konkret äußert, was das Verhalten als männlich charakterisiert. Hier sind wir doch mitten im Bereich des sozialen Geschlechts, wonach Männer sich so und Frauen sich anders verhalten (sollen).
von Herr der Welt
10.07.2018 16:39
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Thema: Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Zur Körperlichkeit wäre übrigens noch die Situation in den Tulamidenlanden anzumerken, wo gemäß GA 18 "meist eine starke Arbeitsteilung vorliegt, d.h. Frauen zwar Händlerinnen, Gelehrte, Magae oder Geweihte, selten aber Dockarbeiterinnen, Schmiedinnen oder Kriegerinnen stellen", mit anderen Worten: wo Frauen weniger häufig Tätigkeiten nachgehen, die stärker "Körperkraft und Ausdauer" verlangen. Ähnliches gilt für Nivesen, wo "meist der Mann für die Jagd und die Frau für die ‘Verwaltung’ der Jurte zuständig" ist, auch wenn das durch möglichen Rollentausch etwas relativiert wird. Dass man hier kulturell differnzieren und nuanzieren will, erklärt die Änderung von "in nichts" zu "wenig" (bei ansonsten natürlich noch immer unreflektiert übernommener Formulierung).

Unabhängig vom nur zu vermutenden Sinn dahinter, zeigt sich eine klare, bewusste Änderung des DSA3- zum DSA4-Text bzgl. der Körperlichkeit der Geschlechter.
Thymian hat geschrieben: 10.07.2018 16:33Wenn in einer Welt wie Aventurien in weiten Teilen derjenige die Macht hat, der in der Lage ist sich kämpferisch (i.e. körperlich) durchzusetzen, dann ist eine Gleichberechtigung der Geschlechter bei einem ausgeprägten geschlechtlichen Dimorphismus schlicht unlogisch.
Ist es denn wirklich in weiten Teilen Aventuriens der Fall, dass der mit der höchsten KK das Sagen hat?
von Herr der Welt
10.07.2018 16:25
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Thymian hat geschrieben: 10.07.2018 15:50Dass die Verknüpfung von Gleichberechtigung und körperlicher Gleichheit unglücklich bis unangebracht ist, kann ich durchaus nachvollziehen - in einer mittelalterlichen Welt, wo an vielen Orten das Recht des Stärkeren gilt, ist sie aber doch zumindest ein wichtiger Faktor, findest Du nicht?
Dass das in einer mittelalterlichen (was auch immer das genau heißen soll) Welt so ist, mag sein, in einer anderen muss das nicht so sein. Es ist der Vorzug fiktiver Welten, dass man sie sich so erdenken kann, wie man will. Und eine Welt, in der man gleiche Körper braucht, um soziale Gleichheit zu erzeugen, macht man es sich unnötig einfach, auch wenn der Gedanke dahinter sicher ein anderer war - wie schon 1984 der Bezug zu "männlichen und weiblichen Helden" zeigt. Es ist also wahrscheinlich - und darin liegt ja das Problem des Threads - ansonsten unreflektiert so bestimmt worden.
von Herr der Welt
10.07.2018 15:00
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Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)

Thymian hat geschrieben: 10.07.2018 11:38Auch wenn ich Dir weitgehend zustimme: In Aventurien sind Männer und Frauen nicht nur halbwegs gleichwertig in körperlichen, geistigen und sozialen Belangen (wie es, um mich ein wenig aus dem Fenster zu lehnen, irdisch der Fall ist), sondern exakt gleichwertig.
Die körperliche Gleichartigkeit der aventurischen Geschlechter ist eine mögliche Interpretation (u.a. des Generierungssystems), aber nicht die einzige. Irdisch ist eine solche schon gar nicht gegeben. Und es geht auch nicht darum, biologische Unterschiede zu negieren, um soziale Unterschiede zu nivellieren, denn offenkundig ermöglichen gleichbleibende körperliche Bedingungen gänzlich verschiedene soziale (Geschlechter-)Gefüge. Problematischer Weise wird hier in einer der wenigen Aussagen, die in DSA-Texten zur Geschlechterphysis getroffen wird, ein solcher Zusammenhang hergestellt, heißt es etwa in der Geographia (S. 18): "Da die aventurischen Frauen üblicherweise dem Manne wenig
nachstehen, was Körperkraft und Ausdauer betrifft, treten beide Geschlechter in aller Regel gleichberechtigt auf."
Zum einen dokumentiert der Satz einen durchaus vorhandenen, aber eben geringeren Unterschied männlicher und weiblicher Körperlichkeit als irdisch. Zum anderen leitet er soziale Gleichberechtigung kausal von körperlicher Gleichartigkeit ab. Das erklärt zum einen mitnichten, warum es in Aventurien auch andere soziale Modelle gibt (auch wenn die verglichen mit der güldenländischen Kulturdominanz in der Minderzahl sind) und zum anderen zerstreut es die eigentlich Utopie durch einen fragwürdigen Bedingungskontext.
Kurzum halte ich es für fragwürdig, positive Gesellschaftsbilder durch Anpassungen des Naturells anstatt von einer anderen ideengeschichtlichen Basis aus zu begründen, wohl wissen, dass es diese in DSA durchaus gibt - und jene eigentlich umso überflüssiger erscheint.
Andwari hat geschrieben: 10.07.2018 11:48Eine Travia-Sexualmoral leitet sich also indirekt aus einer "Beziehungsstörung" in der Familie durch Fremdgehen usw. her = da wären eigentlich unverheiratete Abenteurer und die Dorfjugend außen vor, so lange alle ihr Rahjalieb sammeln.
Ich greife das mal als Anknüpfungspunkt auf: In der zuverlässigen, leicht zugänglichen und weithin anerkannten Verhütung - deren Begründung ja nicht im Gesellschaftskonzept der DSA-Welt liegt - offenbart sich ein Teil der Antwort auf die Frage der aventurischen Sexualmoral. Liebe als Selbsterfüllung und Sexualität als unverbindliche Freizeitbeschäftigung sind ja erst in der jüngeren irdischen Geschichte gangbare Konzepte. Dagegen sprachen lange nicht nur dogmatisch konservierte Irrationalismen, sondern handfeste sozio-ökonomische Gründe bzw. gibt es einen Sinn hinter jenen Mentalitäten, die wir heute entzeitlicht als rückständig wahrnehmen, die aber in ihrer epochalen Eigentümlichkeit verstanden werden müssen.
Dass Sexualität zu ungewollten Schwangerschaften führt, dürfte eines der Grundprobleme zumal in Gesellschaften sein, in denen ökonomische Not den Normalfall darstellt, weshalb - Jadoran hat das schon ausgeführt - restriktive Ordnungen (zu denen stabile Familien- und überschaubare Gemeinschaftsstrukturen zählen) kulturübergreifend einen gewissen zivilisatorischen Stand markieren, der gerade einmal seit zwei Generationen als überwunden gelten kann (und beileibe nicht überall und vielfach nur partiell).

Über die aventurische Gesellschaft wissen wir diesbezüglich eigentlich nur, was Andwari bereits zusammengefasst hat. Wir haben eine Zustandsbeschreibung, deren Ursachen wir uns irgendwie herleiten können. Es leuchtet zwar ein, dass gute Luft, eine hervorragende medizinische Versorgung und dergleichen zu anderen Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens führen. Tatsächlich erwuchs die Gesellschaft der DSA-Welt - wie Jadoran schon sagte - nicht aus irgendwelchen theoretischen Überlegungen, sondern aus Setzungen nach dem Diktum: Wünsch dir deine Fantasywelt. Zusammenhänge dürften sich mehrheitlich zufällig ergeben. Natürlich können relativ moderne Gegebenheiten - und genau das beschreiben [URL=Andwari @ Aventurische Sexualmoral, Herleitung aus Religion, Sozialisierung und irdischem Klischee (+ allgemeiner Diskurs)]Andwaris Punkte A bis C, welche sehr gewichtig sind - zu modernen Gesellschaftsformen führen. Und dass Rahjalieb gut funktioniert, weil man keine schwangeren oder enthaltsamen Heldinnen wollte, fügt sich natürlich ebenso praktisch. Andererseits werden (wenigstens scheinbar) schwer integrierbare Setzungen als störend empfunden (z.B. die Sexualmoral der Traviakirche), die aber gewiss ebenso wenige synthetisch ihren Weg in die Welt gefunden haben, sondern fragmentarisch - von irgendeiner (anderen) irdischen Anleihe - hinzuaddiert wurde.
Insofern bedeutet es ein gerüttelt Maß eigener Konstruktionstätigkeit, um ein kohärentes aventurisches Gesamtbild (zum Thema des Threads) aus (möglichst vielen) offiziellen Setzungen abzuleiten.

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